Superfood und Superanlage – bei der Schokolade kommt beides zusammen! Man muss wohl an der Börse eine ganze Weile suchen, um einen ähnlich gut performenden Sub-Sektor respektive Aktien-Korb zu finden. Was steckt hinter der Outperformance der Schoggi-Aktien?
Als die Corona-Krise im ersten Quartal heraufdämmerte, verloren zunächst nahezu alle Aktien. Dann jedoch kam es zu einer differenzierten Kursentwicklung. Während beispielsweise Reise- und Tourismus- oder Industrie-Unternehmen wohl noch lange an den Auswirkungen der Pandemie zu knabbern haben werden, sind Teile der Nahrungsmittel-Industrie weitgehend resistent. Denn, ob Lockdown oder Lockerung, die Konsumenten müssen sich trotzdem ernähren und wollen sich, darüber hinaus, für das Wohlbefinden von Leib und Seele auch etwas gönnen.
Asiaten entdecken und lieben Schokolade
Schokolade- und Kakaoprodukte sind in einer herausragenden Position, um nicht nur den kleinen Hunger stillen zu können, sondern auch Glücksgefühle auszulösen und einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit zu leisten. Es kommen mehrere positive Mega-Trends für die Industrie zusammen, die überwiegend durch die Krise sogar noch verstärkt werden. Auch wenn derzeit immer wieder die „De-Globalisierung“ Schlagzeilen macht, so wollen doch die Asiaten die Schokolade nicht mehr missen. Historisch ist der asiatische Kontinent mit seiner Bevölkerung von über 4 Mrd. Menschen nicht vertraut mit den Produkten der Kakao-Pflanze. Doch in der letzten Dekade ist Asien für die Industrie zum Wachstumsmarkt schlechthin geworden. Das hat mit dem wachsenden Wohlstand und veränderten Konsumwünschen zu tun, aber auch mit Innovationen wie laktosefreier Schokolade. Viele Asiaten weisen eine Milchunverträglichkeit auf.
Mega-Trend Health Food
Health Food ist ein weiterer Mega-Trend, dem nicht nur die Asiaten folgen. Kakao hat sich durch vermehrte Forschung als Super-Food einen geradezu glamourösen Ruf erworben. So gelten Blaubeeren zurecht als Super-Food, weil sie unter anderem 61 Antioxidantien enthalten, doch Kakao weist 621 Antioxidantien auf! Das nur in Kakaopflanzen enthaltene Alkaloid Theobromin schützt vor und bekämpft Husten und Erkältungen. Die hohe Konzentration von Flavonoiden trägt zur Blutverflüssigung bei und schützt vor Infarktrisiken. Dazu kommen die Glücks-Botenstoffe, die den Serotonin-Spiegel erhöhen und sogar Depressionen auflösen. Die Gesundheitseffekte treten allerdings nur bei schonend und natürlich verarbeitetem Kakao auf, im Wesentlichen dürfen die Rohstoffe nicht über 42 Grad Celsius erhitzt werden, was zumindest bei billiger Schokolade nicht der Fall ist.
Geschichte und Geografie des Kakaos
Die Forscher sind auch dahintergekommen, dass Kakao, ähnlich wie Olivenöl auf Sardinien oder Seafood auf Okinawa, wesentlich dazu beiträgt, dass in der Pazifikregion Zentralamerikas auffallend viele über 100-Jährige leben. Nach heutigem archäologischem Wissensstand wurde die Kakaopflanze im Amazonasbecken bereits 3300 vor unserer Zeitrechnung kultiviert. Der Name Kakao leitet sich vom aztekischen „xocoatl“ her. Nur die Herrscher und die hohe Priesterschaft durfte den „Trank der Götter“ konsumieren. Die spanischen Konquistadoren brachten den Kakao nach Europa – der Rest ist Geschichte. Heute wird die Kakaopflanze in 40 Ländern kultiviert, überwiegend in Westafrika, aber auch in Indonesien, der Karibik und natürlich Lateinamerika.
Zwei Schweizer unter den Global Top 8
Es ist auch ein Multimilliarden-Markt. Laut der Branchenpublikation Candy Industry bringt es allein der privat gehaltene Marktführer Mars auf 18 Mrd. USD Umsatz mit Schokolade in 2019, gefolgt von Ferrero, ebenfalls in privater Hand, mit 12.4 Mrd. USD. Mit 6.1 Mrd. USD rangiert Nestlé auf Position 6 im internationalen Ranking nach Schokolade-Umsatz. Nestlé verliert gegenüber 2017 und rutscht von der fünften auf die sechste Position. Der Umsatz belief sich 2017 noch auf 9.1 Mrd. USD. Lindt & Sprüngli, ein lupenreines Schoggi-Investment, arbeitete sich dagegen von Rang 8 und 3.9 Mrd. USD Umsatz in 2017 auf nun Rang 7 und 4.4 Mrd. USD Umsatz vor.
Top Spot für Barry Callebaut
Weiterhin findet sich Barry Callebaut unter den Global Top 5 der Kakaoverarbeitung. Durch Zukäufe in den 1990er Jahren sind die amerikanischen Getreidehändler Cargill und ADM zu starken Wettbewerbern geworden. Im Geschäftsjahr 2018/2019 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 7.3 Mrd. CHF und einen Reingewinn von 368.7 Mio. CHF. Die langfristige Wachstumsrate beim Umsatz liegt bei 4% und beim Gewinn bei 11,3%! Die Eigenkapitalrendite wird kontinuierlich gesteigert und bewegte sich in den letzten beiden Jahren bei rund 15%.
Der Aktienkurs hat sich vor diesem Hintergrund in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Auch das erste Halbjahr 2019/2020 per Ende Februar zeigt sich noch von der Corona-Krise unbeeindruckt. Der Umsatz legte um 5,8% zu (2,4% in CHF), der Gewinn kletterte um 11,6% (7,1% in CHF). Per April gab es keine Disruptionen in den operativen Tätigkeiten. Barry Callebaut hält auch an den Mittelfristzielen für 2021/2022 fest. Die sehen ein Volumenwachstum von 4% bis 6% vor und ein EBIT-Wachstum, das in Landeswährungen darüber liegt.
Sustainability Leader
Barry Callebaut ist nachhaltig ausgerichtet und rapportiert ausführlich zu den Initiativen, zur Lieferkette und dem verminderten CO2-Ausstoss. Von dem Carbon Disclosure Project (CDP) erhielt Barry Callebaut einen A-Score. Weiterhin wurden mehrere Sustainability Awards gewonnen. Auch die Kunden werden aktiv in ihren ESG-Bemühungen unterstützt.
Ein gutes Beispiel ist „Tony´s Chocolonely“. Dem Gründer wollte einfach nicht in den Kopf gehen, dass Kindersklaven auf den Plantagen eingesetzt werden und die Konsumenten diesen inakzeptablen Missstand durch ihre Käufe sogar indirekt unterstützen. Das Konzept, „100% sklavenfreie“ Schokolade an den Markt zu bringen, funktioniert gut. Heute liegt der Marktanteil in den Niederlanden bei über 50%!
Pure Play Lindt & Sprüngli
Bei dem „Pure Play“ Lindt & Sprüngli besticht die nachhaltig hohe Nettogewinnmarge von zuletzt 11,4%. Da fällt es nicht schwer, anlässlich des 175-jährigen Firmenjubiläums auch eine Sonderdividende in Höhe von 10% der regulären Dividende auszuschütten. Angesichts des astronomischen Aktienpreises von 81’100 CHF handelt es sich um die beachtlichen Beträge von 1’750 CHF + 175 CHF! Ende März wurde allerdings die bisherige Guidance für 2020 gekappt. Doch mittel- bis langfristig sollen weiterhin jährliche Umsatzsteigerungen von 5% bis 7% erreicht werden. Zudem soll die operative Marge um 20 bis 40 Basispunkte p.a. gesteigert werden. Kurzfristig werden sich die Lockdown-Bestimmungen negativ auswirken, denn es werden 500 eigene Geschäfte betrieben, um den Anspruch als führender Hersteller von Qualitäts- und Premium-Schokoladen zu untermauern. Die Produktion ist auf 12 Länder verteilt, 100 Distributoren bedienen zahlreiche weitere Länder.
Nestlé mit nur 8% Schoko-Anteil
Nestlé hat zwar als Aktie in der Corona-Korrektur wenig verloren und die Verluste inzwischen aufgeholt, doch das ist das Resultat der anerkannt defensiven Qualitäten des Multis, und nicht des Schokoladengeschäfts. Mit nur noch ca. 8% Umsatzanteil des Confectionery-Bereichs ist Schokolade nur noch ein Geschäftsbereich von vielen. Zudem befindet sich Nestlé in einem Umbau. Margen- und wachstumsschwache Bereiche werden abgestossen, innovative Health-Food und Pet-Food Unternehmen zugekauft. Im ersten Quartal 2020 gab der Umsatz um 6,2% auf 20.8 Mrd. CHF nach. Gründe sind Verkäufe von Tochtergesellschaften wie dem Wurst-Anbieter Herta in Deutschland, dem amerikanischen Ice-Cream-Geschäft und der Hautgesundheitssparte sowie nachteilige Devisenmarktentwicklungen und Preiszugeständnisse. Das Confectionery Geschäft verlor um 4,2% auf 1.63 Mrd. CHF Umsatz. Ladenschliessungen und andere Massnahmen führten zu geringeren Impulskäufen und Geschenken. Das dürfte jedoch der weiteren Performance des weitgehend krisenresistenten Multis kaum Abbruch tun.
Patiswiss mit hoher Stabilität
Nicht direkt eine Schokoladen-Aktie, aber doch recht nah daran, ist die ausserbörslich gehandelte Patiswiss. Mit vergleichsweise bescheidenen 16.3 Mio. CHF Umsatz in 2019, immerhin ein Plus von 4%, handelt es sich um eine andere Liga als die vorgenannten Multimilliarden-Unternehmen. Doch aus Anlegersicht weist die Aktie dieselben Charakteristika auf, wenn auch das Confiserie-Hauptgeschäft auf Haselnüssen und Mandeln basiert. Die Aktie zeigt keinerlei Einfluss der Corona-Krise, obwohl Confiserien und Gastronomie bestimmt Einbussen erleiden, was auf den Halbfabrikate-Lieferanten Patiswiss durchschlagen wird.
Fazit
Trotz der Effekte des Lockdowns und teilweise vorübergehenden Rückgängen im Geschäft mit der Schokolade scheinen doch Unternehmen und Investoren gleichermassen von den intakten Mega-Trends überzeugt zu sein. Das zeigt sich an den relativ stabilen Kursverläufen, aber auch in den unveränderten Mittelfristprognosen der Pure Plays Lindt & Sprüngli sowie Barry Callebaut.