Unter den nachhaltigen Investments im ausserbörslichen Aktienhandel nehmen die Titel der Weleda AG eine herausragende Stellung ein. Denn das Unternehmen, das vor allem für seine Naturkosmetikprodukte bekannt ist und auch anthroposophische Arzneimittel herstellt, arbeitet schon seit der Gründung vor fast 100 Jahren nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit. Dazu gehören nicht nur der biologische und biologisch-dynamische Anbau der pflanzlichen Rohstoffe. Auch der achtsame Umgang mit Wasser sowie ein partnerschaftlicher, fairer Handel mit den Lieferanten sind dem Unternehmen wichtig. Damit trifft Weleda voll den heutigen Zeitgeist. Doch anders als bei zahlreichen Firmen, die nun auf den ESG-Zug aufspringen, um sich so bei Kunden und Investoren beliebt zu machen, ist die Nachhaltigkeit bei Weleda in der Unternehmensphilosophie fest verankert.
B-Corp-Zertifikat angestrebt
Nun geht das Unternehmen noch einen Schritt weiter: An der Generalversammlung vom 5. Juni wurde eine Statutenänderung vorgenommen. Künftig ist in den Statuten verankert, dass die Gesellschaft mit ihrer Geschäftstätigkeit «eine erheblich positive Wirkung auf das Gemeinwohl sowie die Umwelt erzielen will». Die Statutenänderung ist eine Voraussetzung dafür, dass sich die Gesellschaft bis 2022 als sogenannte «B-Corporation» zertifizieren lassen kann. Dieses Zertifikat soll Weleda einen Wettbewerbsvorteil insbesondere in der Naturkosmetik verschaffen. Gleichzeitig wurden auch die in den Statuten verankerten Spenden an anthroposophische Institutionen präzisiert. Diese sollen nun «insbesondere im Bereich der Forschung und Ausbildung verwendet werden. An der Generalversammlung wurde der Verwaltungsrat um Thomas Jorberg ergänzt. Jorberg ist Vorstandssprecher der GLS Bank Gruppe, einem sozial-ökologischen Finanzinstitut mit Sitz in der deutschen Stadt Bochum.
Weleda-Produkte auch während des Lockdowns verkauft
Beeinflusst war die diesjährige GV auch von der Corona-Pandemie. Die Versammlung fand erstmals ohne Anwesenheit der Aktionäre und Partizipanten statt. Der Einfluss der Corona-Pandemie auf die Geschäftsentwicklung des Naturkosmetikherstellers dürfte allerdings weniger stark als bei anderen Unternehmen sein. Denn auch während der Lockdown-Zeit standen die meisten Absatzkanäle für Weleda im DACH-Raum offen, weil Weleda Körperpflegeprodukte und keine dekorative Kosmetik verkauft. Der Verkauf von dekorativer Kosmetik war während des Lockdowns verboten. «In den meisten Ländern konnten Weleda-Produkte in Drogerien, Supermärkten, Apotheken und online verkauft werden», schreibt das Unternehmen. Lediglich in den stark von der Pandemie betroffenen Ländern Frankreich und Spanien werden grössere Umsatzeinbussen zu beklagen sein.
Kostensenkungsmassnahmen eingeleitet
Im DACH-Raum erzielte Weleda 2019 etwas mehr als die Hälfte der Umsätze. Frankreich ist mit rund 20% allerdings der drittwichtigste Markt. Auch die Lieferketten und die Versorgung mit Rohstoffen ist nach Angaben des Unternehmens bisher recht stabil geblieben. Die Produktion und die Auslieferung an den Produktionsstandorten konnten daher grösstenteils aufrechterhalten werden. Dennoch erwartet die Gesellschaft in den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr. Kostensenkungsmassnahmen wurden eingeleitet und in der Schweiz sowie in Deutschland Kurzarbeit beantragt.
Auch im Arzneimittelgeschäft rechnet das Unternehmen in diesem Jahr wieder mit einem Umsatzrückgang. Dieser sei allerdings hauptsächlich verursacht durch den Wegfall der Erstattungsfähigkeit der Arzneimittel für die integrative Medizin in Frankreich. Trotz der grossen Unsicherheiten bleibt man am Unternehmenssitz in Arlesheim optimistisch. Langfristig würden sich sämtliche Massnahmen positiv auf das Betriebsergebnis auswirken, heisst es. Dazu gehören auch die Investitionen in den Bau des neuen Logistikzentrums am deutschen Standort Schwäbisch Gmünd. Rund 100 Mio. Euro soll das Vorhaben kosten, für das bereits 7 Hektar Industrieland erworben werden konnten. Die Finanzierung sei aufgrund der aktuellen Verschuldungskapazität und der vorhandenen liquiden Mittel gesichert, schreibt das Unternehmen auf Anfrage von schweizeraktien.net. Weleda geht daher davon aus, dass das Projekt wie geplant realisiert werden kann.
Starkes Wachstum 2019 in der Naturkosmetik
Der kommerzielle Erfolg von Weleda hat sich in den letzten Jahren immer stärker in den Bereich der Naturkosmetik verlagert. Auch 2019 erzielte die Gruppe rund 76% oder knapp 327 Mio. Euro der weltweiten Umsätze im Geschäft mit Pflegeprodukten. Der restliche Anteil entfiel auf die anthroposophischen Arzneimittel. Insgesamt verkaufte Weleda 2019 Waren im Wert von 429.3 Mio. Euro (+ 4,1%). Während das Wachstum mit einem Plus von 6,3% von der Naturkosmetik getrieben wurde, gingen die Arzneimittelumsätze um 2,3% zurück. Ursache dafür ist vor allem der schrittweise Wegfall von Erstattungen durch die Krankenkassen in Frankreich. Gewachsen ist hingegen das Arzneimittelgeschäft in der DACH-Region sowie in Südamerika, den Niederlanden und Grossbritannien. Erfolgreich verlief auch der Start mit den vier City Spas in den Niederlanden, so dass Anfang 2020 ein erstes City Spa in Hamburg eröffnet werden konnte.
Obwohl sich der Nettoumsatz bei Weleda 2019 positiv entwickelte, blieb das Betriebsergebnis auf Stufe EBIT mit 15.9 Mio. Euro (Vorjahr: 21.1 Mio. Euro) deutlich hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Die Gesellschaft begründet dies mit der ungünstigen Entwicklung in Frankreich. Auch das konsolidierte Jahresergebnis fiel mit 13 Mio. Euro schwächer als im Vorjahr aus.
Dass für Weleda die Änderungen der Statuten mehr als reines Marketing sind, zeigte das Unternehmen schon während der Corona-Krise. Weleda unterstützte in dieser Zeit Krankenhäuser und medizinische Hilfsdienste insbesondere in den stark betroffenen Regionen in Frankreich sowie am Standort im deutschen Schwäbisch Gmünd.
Fazit
Wenn Anleger nach einem «Pure Play» im Bereich der nachhaltigen Investments suchen, dann kommen sie an der Weleda AG nicht vorbei. Denn die Nachhaltigkeit ist gewissermassen in der DNA des Unternehmens verankert. Geschickt wird dieses Image auch für Marketingzwecke verwendet, wie die jüngsten Statutenänderungen zeigen. Im Gespräch mit dem Management zeigt sich allerdings, dass Weleda mit seinem nachhaltigen Handeln noch lange nicht zufrieden ist, sondern sich laufend verbessern möchte. Ein grosses Anliegen sind hier die Verpackungen, für die Weleda 2019 eine langfristige Verpackungsvision entwickelt hat. Ziel ist es, dass Verpackungen von Weleda keinerlei Probleme auf der Welt verursachen, gleichzeitig aber attraktiv und bedienungsfreundlich sein sollen. 2018 lag der Anteil des Recyclingmaterials der Verpackungen noch bei 29%. Bis 2022 sollen es 65% werden. Auch beim Anbau der Rohstoffe will das Naturkosmetikunternehmen den biodynamischen Anbau weiter fördern und so zu mehr Biodiversität beitragen.
Ein solches nachhaltiges Wirtschaften zahlt sich aus, kostet aber auch. Unter dem Strich erzielte die Weleda AG in den vergangenen fünf Jahren stets ansprechende Ergebnisse und generierte ausreichend Cash, um ihre Schulden komplett zurückzuführen. Mittlerweile weist die Bilanz per Ende 2019 nicht nur eine solide Eigenkapitalquote von 52,9% aus, sondern auch ein Nettofinanzguthaben von 47.7 Mio. Euro. Damit hat Weleda eine komfortable Voraussetzung geschaffen, um die grossen Zukunftsinvestitionen in den kommenden Jahren finanzieren zu können.
Ein Blick auf die Margenentwicklung zeigt allerdings auch, dass diese auf Stufe EBITDA und Stufe EBIT in den vergangenen Jahren gelitten hat. Während die Margen 2014 noch bei über 12% (EBITDA) bzw. 9% (EBIT) lagen, erreichten sie 2019 mit 6,3% bzw. 3,7% nur noch etwa die Hälfte. Die Margenentwicklung dürfte einerseits die Investitionen der Vergangenheit in neue Produkte, in die Restrukturierung der Arzneimittelsparte und neue Märkte widerspiegeln. Andererseits sind sie auch ein Zeichen dafür, dass ein exponentielles Wachstum und eine Optimierung der Gewinne für Weleda nicht die alleinigen Ziele der Unternehmenstätigkeit sind.
Dies dürfte auch mit ein Grund dafür sein, dass die ausserbörslich gehandelten Partizipationsscheine von Weleda nach wie vor sehr günstig bewertet sind. Bei Kursen von 4’190 CHF, die zuletzt auf der Handelsplattform OTC-X der BEKB für einen PS gezahlt wurden, liegt das Kurs-/Gewinn-Verhältnis bei niedrigen 8.2. Ende 2019 lag der Buchwert für einen PS bei 5’606 CHF je Titel. Damit wird für einen PS im ausserbörslichen Markt weniger als das Eigenkapital pro Anteil bezahlt. Für 2019 musste der Anleger wegen der Corona-Situation auf die Ausschüttung einer Dividende verzichten. In den vergangenen Jahren lag diese stets bei 35 CHF je PS, was einer eher mageren Rendite von 0.9% entspricht.
Für 2020 ist mit einem Umsatz- und Gewinnrückgang zu rechnen, auch wenn dieser aufgrund der besonderen Stellung von Weleda weniger stark als bei anderen Konsumgüterproduzenten ausfallen dürfte. Schon in vergangenen externen Krisen bewies der Naturkosmetik- und Arzneimittelhersteller eine hohe Widerstandsfähigkeit. Dies könnte auch in dieser Krise so sein. Wer nachhaltig investieren möchte, kommt an den PS und Aktien der Weleda AG nicht vorbei. Kurzfristige Kursgewinne dürfen allerdings nicht erwartet werden. Wer die Aktien der Gesellschaft erwerben will, muss allerdings Mitglied der anthroposophischen Gesellschaft werden. Die PS sind hingegen frei handelbar.
Transparenzhinweis: Dem Autor nahestehende Kreise besitzen einen PS der Weleda AG.