Der Albin Kistler Aktien Small & Mid Cap Schweiz verfolgt das Ziel, den SPI Extra Index (SPIEX) über einen ganzen Börsenzyklus hinweg zu übertreffen. Der Fonds wurde 2016 aufgelegt, investiert aktiv und mit langem Anlagehorizont. Im Unterschied zu vielen Anlagefonds werden die Investitionsentscheide im Team gefällt. Das 6-köpfige SMC-Anlagegremium wird dabei von insgesamt 20 Analysten unterstützt. Das Fondsvolumen wächst stetig und liegt derzeit bei etwa 27.5 Mio. CHF.
Tobias Hochstrasser (35) und Raffael Frauenfelder (32) verantworten als Portfoliomanager den Albin Kistler Aktien Small & Mid Cap Schweiz. Im Videointerview äussern sie sich u.a. zur Performance von Also und EMS Chemie und erläutern, welche Chancen und Risiken der derzeitige Markt birgt.
Wir sehen zurzeit eine V-Erholung bei den Börsen, ganz anders sieht es aber bei der konjunkturellen Entwicklung aus. Hier kommt das Schlimmste wohl erst noch. Auf was führen Sie neben der Zinsentwicklung die Entkopplung von Börse und Realwirtschaft zurück?
Tobias Hochstrasser: Die von Ihnen genannte Entkopplung ist nichts Aussergewöhnliches. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Aktienkurse meist vor dem konjunkturellen Tiefpunkt anziehen. Das ergibt Sinn, so widerspiegeln sie doch die Erwartungen der zukünftigen Gewinnentwicklung und nicht ausschliesslich die gegenwärtige. Wir sind überzeugt, dass sich für erstklassige Firmen, die von strukturellen Nachfragetrends profitieren, die Pandemie-bedingten Ausfälle als temporär erweisen. Neben dem attraktiven Zinsumfeld werden zudem die umfangreichen Stimulus-Massnahmen diverser Regierungen die Konjunktur und schlussendlich die Auftragsbücher der Firmen stützen.
Wie verhalten sich Ihre Kunden in Zeiten mit sehr volatilen Kursen? Sind sie mit Mittelabflüssen konfrontiert oder realisieren sie wegen des Anlagenotstands aufgrund der Zinsen Zuflüsse?
Raffael Frauenfelder: Unsere Kunden verhielten sich ruhig. Sie wissen, dass wir ihre Mittel vorsichtig und mit Fokus auf die lange Frist in erstklassige Unternehmen investieren. Im Gegenteil konnten wir in den letzten Monaten substanzielle Mittelzuflüsse verzeichnen. Ob dies auf den tiefen Zinsen gründet, ist fraglich. Diese waren ja bereits vor der Ausbreitung der COVID-19 Krankheit tief. Viele Aktien kleiner- und mittelkapitalisierter Firmen handeln jedoch auf tieferen Kursen als zu Beginn des Jahres, obwohl sich deren intrinsischer Wert jeweils kaum verändert hat.
Sie haben in Ihrem Fonds gegenüber der Benchmark SPIEX ein Übergewicht in Industrietiteln. Halten Sie daran fest, obwohl gerade dieser Sektor stark exportorientiert ist und deshalb auch besonders unter den Folgen der Pandemie zu leiden hat?
Ja, daran halten wir fest. Wir finden eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an erstklassigen Firmen in dieser Branche. Es stimmt, dass zurzeit viele Unternehmen einer herausfordernden Auftragslage entgegenschauen. Die hohe wirtschaftliche Unsicherheit behindert die Investitionsneigung, womit insbesondere exportorientierte Unternehmen betroffen sind. Wir sind überzeugt, dass diese Situation temporär ist und herausragende Firmen gar gestärkt aus der Krise hervortreten. Im Gegenteil, diverse Firmen mit einer schuldenfreien Bilanz und komfortablen Ertragslage wie beispielsweise Interroll, Belimo oder SFS investieren antizyklisch und machen sich bereit für die wirtschaftliche Erholung. Dies ist ein klares Qualitätszeichen.
Ihr grösstes Industriegüter-Investment ist Schindler. Der Titel hat die Tiefs im März hinter sich gelassen, liegt aber immer noch um 16% unter dem YTD-Hoch. Was sind die Gründe für die schleppende Erholung?
Schindler ist global tätig. Durch den Ausbruch des Sars-CoV-2 wurden erst die Aktivitäten in Asien, im Anschluss diese in Europa und schlussendlich auch die in den USA getroffen. Die temporäre Schliessung von Werken und der Umstand, dass gewisse Servicedienstleistungen nicht erbracht werden konnten, führten zu Umsatzeinbussen. Wie rasch und ob diese Ausfälle kompensiert werden können, ist unsicher. Das belastet den Aktienkurs. Es ist zudem denkbar, dass der kürzlich erfolgte Verkauf der Aufzugsparte von Thyssenkrupp sowie der Börsengang von Konkurrent Otis die Erholung in den Schindler-Valoren zusätzlich bremsten.
Als wir im August 2019 miteinander gesprochen hatten, war Belimo eine der grössten Positionen in Ihrem Portfolio. Damals schlossen Sie eine Reduktion oder gar einen Verkauf von Belimo aus. Jetzt erscheint der Titel nicht mehr unter Ihren 10 grössten Investments. Was hat zum Gedankenumschwung geführt?
Es gab keinen Gedankenumschwung. Wir haben unsere Anlagen weder aktiv reduziert noch erhöht, Belimo war zu jeder Zeit eine Kernanlage. Die Tatsache, dass viele Aktien anderer Portfoliopositionen eine attraktivere Bewertung auswiesen, hat jedoch dazu geführt, dass die genannten Mittelzugänge nicht in Belimo flossen, womit die Position ein wenig verwässert wurde. Zusätzlich haben wir die Position in ausgewählten Mid-Caps erhöht, wodurch diese in die Liste der Top 10 Position rutschten. Im Vergleich zur Benchmark halten wir unverändert eine markant übergewichtete Position in Belimo und sehen keinen Grund, dies zu ändern.
Freude bereitet Ihnen weiterhin EMS Chemie. Schon bei unserem letzten Gespräch wiesen Sie auf die Stärke dieses Unternehmens hin. Was für Chancen bieten sich EMS Chemie in Pandemie-Zeiten, welche Risiken sehen Sie?
EMS versteht es, wie kein zweites Unternehmen, Kosten zu sparen. Das Management um Magdalena Martullo-Blocher initiierte bereits vor dem Zenit des Aufschwungs vor zwei Jahren ein umfassendes Effizienzprogramm. Dies erweist sich nun in dieser Krise als äusserst hilfreich. Dennoch kann sich EMS den Entwicklungen in der Automobilbranche, welche rund 60% des Umsatzes ausmacht, nicht ganz entziehen. Deshalb haben wir die erfreuliche Kursentwicklung genutzt und unser Übergewicht über die letzten Monate reduziert.
Der grösste Profiteur des Lockdowns in Ihren 10 Toppositionen ist ohne Zweifel Logitech. Der Wert der Aktie hat sich seit dem Tiefstkurs Mitte März bis heute fast verdoppelt. Gibt es noch weiter Luft nach oben oder werden Sie Gewinne mitnehmen?
Tobias Hochstrasser: Die Preiswürdigkeit der Aktien von Logitech ist tatsächlich weniger attraktiv als noch im März, nachdem sie infolge des allgemeinen Ausverkaufs an den Börsen für eine kurze Zeit unterbewertet waren. Die heutige Bewertung nimmt hingegen die rosigen Aussichten dieses Top-Unternehmens, welches strukturell von der Digitalisierung profitiert, unserer Ansicht nach vollständig vorweg. Auf diesem Preisniveau ist ein Ausbau der Position für uns unwahrscheinlich. Ein Verkauf der Aktien kommt für uns angesichts der hohen Qualität des Geschäftsmodells und insbesondere des Management-Teams um CEO Darell hingegen nicht in Frage.
Sie schreiben in Ihrem Quartalsbericht, dass Unternehmen mit diversifizierter Abnehmerschaft die Folgen einschneidender Vorkommnisse wie z.B. einer Pandemie besser begegnen können. Und führen dazu Ihre Positionen Bell, Emmi und ALSO an. ALSO hat seit Mitte März bis heute den Kurs fast verdoppelt. Die Bell-Aktie kennt aber in den letzten drei Jahren nur eine Richtung, und die geht gen Süden. Was sind die Hintergründe für derart gegenteilige Entwicklungen?
Eine diversifizierte Abnehmerschaft kann in Krisenzeiten ein entscheidender Vorteil sein. Wir sind von den langfristigen Aussichten aller genannten Firmen überzeugt. In der kurzen Frist können jedoch Stimmungsschwankungen zu aussergewöhnlichen Kursverläufen führen. Der Fall von ALSO ist ähnlich wie bei Logitech ein positives Beispiel dafür.
Der Kursverlauf von Bell hat firmenspezifische Gründe. Die Firma verdaut einerseits den letzten Investitionszyklus und optimiert andererseits das Produktesortiment. Diese Massnahmen werden mittelfristig zu einem ansehnlichen Ertragswachstum führen, welches der Aktienpreis aus unserer Sicht nur ungenügend reflektiert. Bell ist eine klassische Value-Anlage.
Nach der Industrie sind Finanzen der zweitgrösste Sektor in Ihrem Portfolio. Insbesondere in die Partners Group, deren Aktienkurs sich im März fast halbierte, sind Sie stark investiert. Bleibt dieser Sektor und die Partners Group weiterhin ein tragender Pfeiler in Ihrer Anlagestrategie?
Partners Group ist eine unbestrittene Kernanlage in unserem Portfolio. Insbesondere schätzen wir die geringe Abhängigkeit vom strukturell schwierigen Zinsdifferenzgeschäft, die schlanke Bilanz und die hohe Rendite auf dem eingesetzten Kapital. Der steigende Anlagebedarf von institutionellen Investoren, auch aufgrund der tiefen Zinsen, ist unserer Ansicht nach strukturell.
Hingegen ist der Finanzsektor kein tragender Pfeiler unseres Portfolios, weshalb wir gegenüber der Benchmark markant untergewichtet sind. Sowohl die Kantonalbanken als auch das Indexschwergewicht Julius Bär entsprechen nicht unseren qualitativen Anforderungen.
Sie halten auch Positionen in nicht kotierten Aktien wie WWZ. Welche weiteren Werte aus dem OTC-Segment halten Sie bzw. sind unter Ihrer Beobachtung?
Das ist richtig. Wir halten eine Position in WWZ. Eine Anlage Im OTC-Segment kommt für uns nur in Frage, wenn die Qualität eines Unternehmens erstklassig und die Liquidität ausreichend ist. Momentan halten wir mit Thurella Immobilien noch eine zweite Position in diesem Segment.
Welches ist das best-case-Szenario, welches das worst-case? Was würde das jeweils für die Performance Ihres Fonds bedeuten?
Im besten Szenario wird zeitnah ein effektiver Impfstoff gegen die COVID-19 Krankheit für eine breite Bevölkerung zugänglich sein, was eine rasche wirtschaftliche Erholung ermöglicht. Im schlechtesten Szenario verzögert sich die Entwicklung eines solchen Impfstoffes um mehrere Jahre, und es kommt regelmässig zu neuen Ausbrüchen der Krankheit, wodurch die Weltwirtschaft in einer lang anhaltenden Rezession verbleibt.
Eine quantitative Aussage zur zukünftigen Performance erachten wir als nicht seriös, weshalb wir darauf verzichten. Hingegen sind wir überzeugt, dass sich unser Fokus auf die Unternehmensqualität, unabhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie, langfristig zu einer überdurchschnittlichen Performance gegenüber dem Vergleichswert führen wird.
Herr Hochstrasser, Herr Frauenfelder, herzlichen Dank für dieses Gespräch.