Christoph Egger, CEO Schilthornbahn: «Ich rechne im Spätherbst 2020 wieder mit ersten Gästen aus Übersee»

Das Bahnerneuerungsprojekt Schilthornbahn 20XX soll sich nicht verzögern.

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Für die Schilthornbahn AG kam die Corona-Krise zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, steht doch mit dem Projekt Schilthornbahn 20XX die grösste Investition der Unternehmensgeschichte an. Bereits musste, um Liquidität im Unternehmen zu halten, das Vorprojekt der Wasserversorgung um ein Jahr auf 2021 verschoben werden.

Christoph Egger, CEO Schilthornbahn AG
Christoph Egger, hier anlässlich der GV 2019, ist seit 2012 Direktor der Schilthornbahn AG. Bild: schweizeraktien.net

Im Gespräch mit schweizeraktien.net äussert sich Christoph Egger, Direktor der Schilthornbahn, zur schwierigen Lage während und nach dem coronabedingten Lockdown, zu seinen Erwartungen, inwieweit die Schweizer in den Sommermonaten die Angebote in Mürren nutzen werden und wann wieder mit Gästen aus Übersee zu rechnen ist. Er skizziert den weiteren Verlauf des Projekts Schilthornbahn 20XX und erläutert, warum das Unternehmen im Geschäftsjahr 2020 mit einem Verlust rechnet.

Herr Egger, der Corona-bedingte Lockdown fiel in die Übergangsphase zwischen Winter- und Sommertourismus. Könnte es sein, dass Sie nochmals mit einem blauen Auge über diese Phase hinwegkommen?

In unserer Region ist jede Betriebseinstellung einschneidend, auch im Frühjahr. In den letzten Jahren konnte im Frühjahr nahtlos von Wintergästen auf Sommer-Ausflugsgäste umgestellt werden. Die Frequenzen in traditionellen Zwischensaisonmonaten wie April und Mai sind sehr stark gestiegen. Aus diesem Grund sind diese Einbussen sehr schmerzhaft, es muss bildlich von einem sehr blauen Auge mit Bluterguss gesprochen werden.

Welche staatlichen Unterstützungsmassnahmen haben Sie genutzt?

Wir haben die Möglichkeit der Kurzarbeit genutzt. Die einzelnen Bereiche unserer Unternehmung waren vom Lockdown unterschiedlich stark und lang betroffen, was sich in der Kurzarbeit optimal abbilden lässt.
Während die Berggastronomie von Mitte März bis 6. Juni während drei Monaten komplett geschlossen war, hatten wir die Luftseilbahn Stechelberg – Gimmelwald – Mürren immer in Betrieb. Entsprechend waren unsere Gastronomie-Mitarbeitenden 3 Monate zu 100% in Kurzarbeit, während die Kurzarbeit im Bahnbetrieb durchschnittlich rund 50% erreichte.

Welche Verluste werden Sie durch den dreimonatigen Lockdown verzeichnen? Werden Sie Ende Jahr rote Zahlen ausweisen müssen?

Wir haben während dem Lockdown eine Umsatzeinbusse von rund 6.0 Mio. CHF zu verzeichnen. Mit dem Ende des Lockdown und der Wieder-Inbetriebnahme ist das schwierige Jahr aber natürlich noch nicht vorbei. Die zweite Jahreshälfte wird davon geprägt sein, dass nur Gäste aus der Schweiz und dem umliegenden Ausland in die Berge reisen können. Erst für den Spätherbst dürfen wir wieder mit Gästen aus Fernmärkten rechnen. Wir müssen sicher mit einem Verlust rechnen.

Wie sehen die Besucherzahlen im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat aus?

Bei kurzfristigen Betrachtungen spielen zahlreiche Faktoren mit: Wetter, genauer Ferienbeginn, Lage von Feiertagen usw. All diese Faktoren haben sich in diesem Jahr neben Corona zusätzlich negativ ausgewirkt. Die Frequenzen liegen im Juni 2020 entsprechend auf einem tiefen Niveau, rund 35% des Vorjahres.
Dafür ist die Konsumationslust unserer Gäste gut, die Umsätze in unserer Berggastronomie liegt auf rund 50% des Vorjahreswerts Juni.

Wie setzen Sie die Vorgaben bezüglich Distanzierung um? Um wieviel werden damit ihre Kapazitäten reduziert?

Unser Schutzkonzept richtet sich nach total 5 Branchenschutzkonzepten. Neben ÖV haben wir touristischen Verkehr, Gastronomie, Hotellerie und Sportfachhandel zu berücksichtigen. Social Distancing ist nur in den Seilbahnen nicht umsetzbar. Dort haben wir aber nun die Maskenpflicht, welche während der jeweils rund 5-minütigen Seilbahnfahrt für Sicherheit sorgen soll.

Von welcher Frequenz gehen Sie in den Ferienmonaten Juli und August aus?

Die ersten Tage der Sommerferien lassen einen gewissen Optimismus zu. Die Besucherzahlen haben nun ein Niveau von rund 65% des Vorjahres erreicht. Wir hoffen, dass sich dieses Niveau im Durchschnitt halten lässt. Das Wetter wird eine zentrale Rolle spielen, da der Schweizer Gast durch die kurze Anreise nur an schönen Tagen Ausflugsberge besucht.

Wann rechnen Sie wieder mit Gästen aus Fernost und aus Übersee?

Wir rechnen erst im Spätherbst 2020 wieder mit ersten Gästen aus Übersee, wobei wohl als erstes Gäste aus Korea und China nach Europa reisen werden. Es werden aber zuerst Individualreisende nach Europa reisen, Gruppenreisen haben eine längere Vorlaufzeit und werden wohl erst 2021 wieder durchgeführt werden.

Sie stellen sich auf einen Rückgang der Gruppenreisen hin zu mehr Individualtouristen ein. Was bedeutet das für die Schilthornbahn?

Es zahlt sich jetzt sicher aus, dass wir in den letzten Jahren in die Digitalisierung investiert haben und so dem Individualgast einfachen Zugang zu Online-Tools geben können, welche die Reiseplanung und -organisation vereinfachen. Ticketkauf und Platzreservation in der Kabine, Tischreservation im Bergrestaurant können heute bequem und einfach von zu Hause aus vorgenommen werden und entlasten unsere Verkaufsstellen vor Ort. Der Druck zur Digitalisierung der gesamten Erlebnis-Kette wird aber hoch bleiben.

Sie haben im April diesen Jahres bekannt gegeben, dass das Vorprojekt zu Schilthornbahn 20XX, das Projekt Wasserversorgung Birg und Schilthorn, um ein Jahr verschoben wird. Warum?

Wir haben dieses Projekt um ein Jahr verschoben, um die Liquidität im Unternehmen halten zu können. Das Projekt Wasserversorgung ist mit dem Projekt Schilthornbahn 20XX verknüpft, eine Verschiebung um ein Jahr stellt dabei kein Problem dar.

Die erfolgreiche Kapitalerhöhung Ende letzten Jahres hat über 6 Mio. CHF in Ihre Kassen gespült. Es müsste eigentlich genug Kapital vorhanden sein, um mit den Baumassnahmen zu beginnen?

Die Kapitalerhöhung dient der Finanzierung von Schilthornbahn 20XX. Dieses Projekt hat oberste Priorität, alle anderen Vorhaben werden diesem Projekt untergeordnet. In einer Phase der Unsicherheit – diese ist aktuell zweifellos gegeben – ist es wichtig, den Fokus mit voller Konsequenz zu behalten. Die Übernahme Hotel Blumental sowie der Kauf der Liegenschaft Schulhaus Stechelberg neben der Talstation im Talboden haben zudem auch Mittel beansprucht.

Die 3 Mio. CHF für den Bau der Wasserversorgung sind ein relativ kleiner Betrag im Vergleich zur Investition von ca. 90 Mio. CHF, die das Gesamtprojekt kosten wird. Von welcher Verzögerung des Gesamtprojekts, das Sie ja u.a. aus dem laufenden Cashflow finanzieren wollen, gehen Sie heute aus?

Wir gehen nicht davon aus, dass sich das Bahnerneuerungsprojekt Schilthornbahn 20XX verzögern wird. Die Finanzierung steht und ist langfristig abgesichert.

Zur Schilthornbahn gehören auch die beiden Hotels Alpenruh und Blumental. Welche Erwartungen haben Sie punkto Belegung in diesem Sommer und für den Rest des Jahres?

Mit dem Verlauf der Sommersaison im Hotel Alpenruh sind wir sehr zufrieden. Dank der guten Lage unmittelbar neben der Station Mürren haben wir von vielen spontanen Gästen profitieren können. Die Auslastung ist erfreulich, und auch die Umsätze im Restaurant sind gut.
Das Hotel Blumental haben wir aktuell noch geschlossen. Wir nutzen aber laufend Hotelzimmer, um Überbuchungen im Hotel Alpenruh auffangen und platzieren zu können.

Bei unserem letzten Gespräch im November 2019 sagten Sie, dass Sie im ersten Quartal 2020 das Hotel-Grossprojekt „The Myrrhen“ einreichen wollten. Wie kommt dieses Projekt voran?

Personelle Wechsel bei der Projektleitung der Steiner AG haben zu einer Verzögerung geführt. Das Projekt soll aber noch 2020 eingereicht werden.

Werden Sie nach der Corona-Krise Umstellungen in Ihrer Strategie vornehmen? Gibt es irgendetwas Positives, was Sie aus diesen Zeiten mitnehmen?

Jede tiefgreifende Krise löst eine Reflexion der Strategie und Positionierung aus. Das wird auch nach Corona so sein.

Herr Egger, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Die Aktie der Schilthornbahn wird auf OTC-X der BEKB gehandelt und notierte zuletzt zu einem Geldkurs von 1’780 CHF. 

Am Branchentalk Tourismus am 20. Oktober 2020 im Berghaus auf dem Niesen wird Christoph Egger zum Thema „Innovationen im Tourismus in der Jungfrauregion“ referieren.

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