Zur Rose Group: Jede Krise ist auch eine Chance – Halbjahresbilanz von Akquisitionen geprägt

Unternehmensstrategie auf richtigem Kurs

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Die von der im Apotheken-Versandhandel tätige Zur Rose Group vorgelegten Halbjahreszahlen bestätigten, was der Kursverlauf der Aktie bereits seit März antizipiert hat – die Unternehmensgruppe bleibt mit einem Umsatzzuwachs von 9,2% in Lokalwährungen weiterhin auf Expansionskurs. Akquisitionen spielten im ersten Halbjahr wiederum eine wichtige Rolle bei der beschleunigten Expansion des Marktführers in Europa.

Während die Corona-Pandemie die meisten Unternehmen mehr oder weniger stark trifft, hat die Zur Rose Group relativ unbeeindruckt ihren Wachstumskurs auch im ersten Halbjahr 2020 fortgesetzt. Der Umsatz stieg inklusive der Akquisitionen um 9,2% in Landeswährungen auf 841.9 Mio. CHF. Im März war es durch den Lockdown zu einem Bestellschub gekommen, doch dem folgte in den nächsten beiden Monaten eine relative Flaute. Durch Akquisition und Integration entstanden Sonderkosten, die das EBITDA-Ergebnis mit 13 Mio. CHF auf -24.5 Mio. CHF drückten. Die um Einmaleffekte und Aufwendungen für die europäische Expansion und Wachstumsinitiativen wie die bevorstehende Markteinführung des E-Rezepts in Deutschland bereinigte EBITDA-Marge stellt sich auf -0,4%. Das EBIT belief sich auf -40 Mio. CHF, der Nettogewinn auf -52.3 Mio. CHF. Das bewegt sich im Rahmen der Prognosen. Diese sehen für 2021 das Überschreiten des Break-even vor.

Ausbau der Marktführerschaft in Deutschland durch Apotal-Akquisition

Im ersten Halbjahr kündigte Zur Rose am 26. Juni den Kauf der Versand- und Diabetes-Aktivitäten der Apotal-Gruppe an, der am 17. August als vollzogen gemeldet wurde. Ein Teil des Kaufpreises wurde mit 133’174 aus dem genehmigten Kapital geschaffenen neuen Aktien beglichen. Der deutliche Kursanstieg der Zur-Rose-Aktie seit Ende März hat somit wesentlich dazu beigetragen, dass die Verwässerung für Altaktionäre so gering wie möglich blieb, und vielleicht auch, dass die Transaktion überhaupt stattfand. Die übernommenen Aktivitäten hatten 2019 einen Umsatz von 157 Mio. Euro generiert. Zur Rose gewinnt dadurch weitere 1,1 Mio. Kunden.

Strategischer Coup durch TeleClinic-Akquisition

Bereits am 16. Juli folgte die Ankündigung der Übernahme des in Deutschland führenden Telemedizin-Anbieters TeleClinic. Der Kaufpreis für das 2015 in München gegründete und rasch wachsende Unternehmen habe im mittleren zweistelligen Millionenbereich gelegen. Der Marktführer im Bereich digitale Medizin stellt für Zur Rose einen entscheidenden Schritt in der Realisierung des eigenen Öko-Systems dar. Der Geschäftsgegenstand wird durch die Integration von digitalen Gesundheitsdienstleistungen erstmals über den reinen Apotheken-Versandhandel hinaus erweitert. Das macht strategisch Sinn, denn in Deutschland sitzen auch 8 Mio. Kunden von mittlerweile insgesamt über 9 Mio. Kunden. Die Transaktion wurde bereits Ende Juli geschlossen.

Baustein des Zur Rose Öko-Systems

Vereinfacht ausgedrückt sollten die stark zunehmenden medizinischen Fernbehandlungen auch zur Ausstellung von E-Rezepten führen, ein zukünftiger Wachstumstreiber für Zur Rose, wenn das E-Rezept 2022 in Deutschland flächendeckend eingeführt wird. In der Partnerschaft mit der Techniker Krankenkasse kann es jedoch heute schon genutzt werden. Digitale Prozesse sind die Stärke von Zur Rose, so dass die Infrastruktur inklusive der von TeleClinic bestens auf das E-Rezept vorbereitet ist. Von der Erstdiagnose über die Therapie bis zur nachgelagerten Betreuung – der gesamte Prozess soll im Öko-System von Zur Rose abgewickelt werden und so mehrfach Ertragsströme auslösen.

Von der Erstdiagnose über die Therapie bis zur nachgelagerten Betreuung – der gesamte Prozess soll im Zur Rose Öko-System abgewickelt werden und so mehrfach Ertragsströme auslösen. Quelle: zurrosegroup.com
Telemedizin im Aufwind

Die Kunden sollen befähigt werden, ihre Gesundheit „durch einen Klick“ selbst zu managen. Durch Telemedizin können akute Gesundheitsprobleme schnell diagnostiziert werden, chronische Erkrankungen gut durch Monitoring und Therapien behandelt werden. Das erhöht die Komfortabilität, Qualität und während der Pandemie auch die Sicherheit, senkt aber gleichzeitig die Kosten für die Gesundheitssysteme. Die Bevölkerung ist aufgeschlossen für Verbesserungen der medizinischen Versorgung von Patienten und nutzt die Telemedizin rege. Darin, und das ist die strategische Komponente, liegt ein gewaltiger Hebel für Zur Rose, denn trotz hoher Wachstumsraten liegt die Marktpenetration des Versandhandels von verschreibungspflichtigen Medikamenten bei lediglich 1,4% in Deutschland, dem grössten europäischen Markt. Das jährliche Marktvolumen liegt bei 33 Mrd. Euro. Demgegenüber entfallen 5 Mrd. Euro auf den nicht verschreibungspflichtigen OTC-Markt. Erwartet wird ein Ansteigen auf 5% bis in wenigen Jahren, wobei die Pandemie im besten Fall wie ein nachhaltiger Beschleuniger wirkt.

Die Marktpenetration des Versandhandels von verschreibungspflichtigen Medikamenten liegt in Deutschland bei lediglich 1,4%, was einem Umsatz von 0.6 Mrd EUR entspricht. Quelle: zurrosegroup.com
Zentralisierung, Synergien und strategische Allianzen

Die inzwischen erreichte Grösse und die zahlreichen Akquisitionen führen auch zu Synergien und Effizienzsteigerungen durch sinnvolle Konsolidierung. Alle EU-Aktivitäten werden nun zentral an den Standorten Herleen und Mannheim konzentriert, Standorte wie Halle und Bremen werden geschlossen. Zum Ausbau der Plattform-Strategie zählen auch Partnerschaften wie mit dem Anbieter von Software für Arztpraxen medatixx, der mit 38’000 Praxen in Deutschland zu den Marktführern zählt. Die Software der neuen Generation ist bereits mit E-Rezept-Schnittstellen ausgerüstet. Der Marktanteil wird mit 27% angegeben.

Kapitalausstattung gestärkt

Die Kapitalbasis wird bei dem akquisitionshungrigen Unternehmen kontinuierlich verbessert. Im ersten Halbjahr wurde eine Anleihe im Volumen von 150 Mio. CHF platziert, gefolgt von einer Kapitalerhöhung, die 213 Mio. CHF in die Kassen spülte. Stand 30. Juni weist die Bilanz eine um 25% auf 258 Mio. CHF gesteigerte Liquidität auf. Zur Rose will aus einer Position der Stärke den Roll-out des E-Rezeptes im dominierenden Markt Deutschland vorbereiten und begleiten, um die jahrelange Aufklärungs- und Lobbyarbeit, die auch mit Investitionen verbunden war, nun vollumfänglich für das Unternehmen zu monetarisieren.

Fazit

Die Zur Rose Group setzt unbeeindruckt von der Pandemie ihre seit Jahren vertretene Strategie konsequent um und schafft dadurch einen klaren Marktführer im wichtigsten Markt der EU. Das Kalkül ist, dass andere Länder Deutschland auch beim E-Rezept folgen werden, sobald der proof-of-concept in der Praxis erbracht ist. Frankreich hat den OTC-Versandhandel geöffnet und bleibt auf Liberalisierungskurs im Gesundheitswesen. Im Grunde bleibt den anderen Ländern wenig anderes übrig, als der Digitalisierung schnell zu folgen, denn, ganz abgesehen von den Erfordernissen unter den aktuell vom Virus bestimmten Bedingungen, sind die hochverschuldeten und von einer Überalterung der Bevölkerung gekennzeichneten Staaten geradezu gezwungen, die bislang eskalierenden Kosten ihrer Gesundheitssysteme zu reduzieren. Der Long-Term Investment Case von Zur Rose ist so intakt wie nie zuvor.

Bei der letzten Betrachtung von Zur Rose und der Einschätzung der Chancen der Aktie am 23. März war die gegebene Prognose positiv. Der Kurs stieg zwischenzeitlich von 136 CHF bis zum 13. Juli auf 304 CHF – mehr als eine Verdoppelung. Dann aber folgten, wie nach der Momentum-Hausse zu erwarten war, Gewinnmitnahmen, die den Kurs bis auf 206 CHF abbröckeln liessen. Ein Faktor war die Kapitalerhöhung. Das aktuelle Kursniveau um 217 CHF ist definitiv für einen Einstieg besser geeignet als die zuvor erreichten Höchstkurse. Dennoch kann die Korrektur weitergehen.

Unter langfristigen Aspekten dürfte sich jedoch das Wachstum bei der Zur Rose Group weiter beschleunigen. Zudem steht eine weitere Konsolidierung im Raum. Zur Rose bleibt wohl weiterhin Akteur, könnte aber auch unversehens zur Zielgesellschaft werden. In diesem Fall ist es weniger wichtig, ob die Aktie für 195 CHF oder 215 CHF gekauft wurde, wichtig wird dagegen sein, ob man sie hat – oder nicht.

Quelle: six-group.com

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