Bereits seit 2017 ist die Metall-Zug-Aktie von einer Kursschwäche gekennzeichnet. Der Grund ist, dass die mittelständische Familiengesellschaft zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer operativen Tochtergesellschaften Investitionsprogramme, Restrukturierungen und letztlich eine strategische Reorganisation durchgeführt hat, die vorübergehend die Gewinnentwicklung gedämpft haben. Die Zahlen des ersten Halbjahres sind zwar von der Krise geprägt, doch worauf es an der Börse ankommt, ist vor allem die Zukunft.
Die von Metall Zug gemeldeten Halbjahreszahlen sind von der Pandemie zwar geprägt, doch ein Umsatzrückgang von 11,3%, währungsbereinigt um 9,6%, auf 511.6 Mio. CHF, erscheint verkraftbar. Die Frankenstärke forderte allein einen Tribut von 9.6 Mio. CHF. Das EBIT stagnierte bei -1.7 Mio. CHF, und der Konzerngewinn verbesserte sich leicht auf -5.4 Mio. CHF.
Medical Devices von Lockdown und Operationsstopp betroffen
Stark belastet war die Medizinaltechnik-Sparte Haag-Streit mit einem Rückgang von 99.8 Mio. CHF auf 76.6 Mio. CHF, wobei Wechselkursverluste von 2.9 Mio. CHF einen beachtlichen Anteil haben. Fachkongresse und Messen waren abgesagt worden, die Vertriebsmannschaften konnten die erklärungsbedürftigen Geräte nicht persönlich verkaufen. Die US-Tochter war zudem Opfer einer Cyber-Attacke, die 2.4 Mio. CHF Schaden verursachte. Positiv ist, dass die Inhalatoren der britischen Tochter Clement Clarke stark gefragt waren. Im April wurden 77% der Aktien der deutschen VRmagic Holding übernommen, die den Bereich digitale Bildbearbeitung verstärken soll. Trotz Kostensenkungen fiel das EBIT in den negativen Bereich. Diese vor der Pandemie unerwartete Entwicklung bei Haag-Streit ist zwar unerfreulich, doch was zählt, sind die Investitionen in neue verbesserte Produkte sowie der Ausbau der Präsenz und Diversifikation. Dies sollte sich mit zunehmender Normalisierung der wirtschaftlichen Bedingungen ab 2021 in einem Wachstumsschub und hohen Gewinnmargen niederschlagen.
Scharfer Einbruch bei Wire Processing
Noch schärfer fiel der Umsatzeinbruch bei der Wire-Processing-Tochter Schleuniger-Gruppe aus. Nach 101.8 Mio. CHF in der Vorjahresperiode erreichte der Umsatz noch 67.5 Mio. CHF. Wechselkursverluste schlugen mit 2.7 Mio. CHF zu Buche. Das EBIT fiel um 14.2 Mio. CHF auf -7.7 Mio. CHF. Die bereits seit 2018 geübte Investitionszurückhaltung der Automobilindustrie verstärkte sich 2020 weiter. Zudem konnten zahlreiche Projekte aufgrund von Lockdown und Quarantänebestimmungen nicht oder nur verspätet an die Auftraggeber übergeben werden. Positiv wirkten sich im Rahmen der Dezentralisierung beschlossene Produktionsverlagerungen in Länder mit tiefem Lohnniveau aus. An Investitionen in Digitalisierung, Automation und Hochvolt wird nicht gespart, um Chancen in der Elektromobilität früh zu nutzen. Ein Ende der strukturellen Krise der auf Verbrennungsmotoren gebauten konventionellen Automobilindustrie scheint nicht zuletzt wegen der Nachfrageschwäche infolge der Pandemie derzeit nicht erkennbar. Langfristig positiv für Schleuninger ist, dass Elektromobile zwar weniger Bauteile insgesamt erfordern, aber eben wesentlich mehr Kabelsteckverbindungen.
Infection Control kehrt in die Gewinnzone zurück
Im Bereich Infection Control ist die jahrelange Restrukturierung abgeschlossen. Der Umsatz sank zwar von 84.2 Mio. CHF auf 78.8 Mio. CHF, doch die Hälfte der Reduzierung entfällt auf tiefere Innenumsätze mit der zuvor ausgegliederten Life-Science-Sparte, die nun im Segment Übriges zu finden ist. Auf Währungseffekte entfallen 3 Mio. CHF. Unter dem Strich steht, auch aufgrund von Sondereffekten, ein EBIT von 1.1 Mio. CHF nach -3.3 Mio. CHF im ersten Halbjahr 2019. Durch Kostendisziplin wurden negative Effekte, wie der Umstand, dass weniger Operationen zu weniger Nachfrage bei Service und Verbrauchsmaterialien führen, aufgefangen. Während das Equipmentgeschäft florierte, führte eine geringere Investitionsneigung zu einem schwächeren Auftragseingang.
V-Zug Spin-off mit Gewinnsteigerung und internationaler Expansion
Die inzwischen an die Börse gebrachte Tochter V-Zug wurde bis 30. Juni vollkonsolidiert. Die Beteiligungsquote nach Verselbständigung und Börsenkotierung beträgt nun 30%. Der Halbjahresumsatz belief sich auf 261.9 Mio. CHF, 0,4% mehr als im Vorjahressemester. Das EBIT erreichte 12.9 Mio. CHF gegenüber 3.7 Mio. CHF respektive, bereinigt um Rückstellungen für Bodensanierung, 7.4 Mio. CHF. Der Umsatz in der Schweiz blieb stabil, das Auslandgeschäft, vor allem in Deutschland und China, überraschte jedoch mit einem Zuwachs von 38,7%.
Konglomerate sind Value-Investments
Der Konglomeratgedanke, so zeigt sich, ist in Krisenzeiten aufgrund der Diversifikation über mehrere Märkte nicht so schlecht, wie es der mittlerweile regelmässig angewandte Bewertungsdiscount suggerieren will. An den Aktienmärkten hat sich das Narrativ vom „Pure Play“ und fokussierten Unternehmen zum nicht mehr hinterfragten Allgemeingut entwickelt. Tatsächlich sind inzwischen viele Pure Plays klar überbewertet, die meisten Konglomerate jedoch unterbewertet. Siemens bringt deshalb mit Siemens Energy einen weiteren Spin-off an die Börse. Und Value Investor Buffett investierte immerhin 6 Mrd. USD von seinem Cash-Berg von 137 Mrd. USD in japanische Konglomerate wie Mitsui, Sumitomo und Itochu.
Strategiewechsel
Metall Zug hat die Zielsetzungen des Unternehmens neu definiert und mit der Verselbständigung von V-Zug einen ersten signifikanten Schritt in Richtung der unternehmerisch geführten Beteiligungsgesellschaft vollzogen, der sowohl Glaubwürdigkeit schafft als auch vor Augen führt, welche Werte in der Bilanz der Gesellschaft schlummern. Die aktuelle Marktkapitalisierung von V-Zug beträgt 482 Mio. CHF, ein KUV von 0,9, welches die Premium-Stellung in der Haushaltsgeräte Industrie unterstreicht. Whirlpool kommt auf ein KUV von gerade 0.5. V-Zug wurde mit umfangreichen Investitionen, Cash- und Management-Ressourcen auf die Verselbständigung vorbereitet. Die Chancen liegen eindeutig in der internationalen Expansion, die selbst in der Corona-Krise mit hohen Wachstumsraten überzeugen konnte.
Fazit
Auch die anderen Töchter werden gezielt durch Investitionen und Akquisitionen wettbewerbsfähiger gemacht. Denkbar sind weitere wertschaffende Spin-offs von Töchtern, die als verselbständigte Einheiten noch agiler werden könnten. Wenn auch derzeit die dämpfenden Effekte der Pandemie unübersehbar sind, so bleibt doch mit einer nochmals gestärkten Eigenkapitalquote von 72,1% die volle Handlungsfähigkeit erhalten. Metall Zug ist angesichts der Corona-Krise und der noch unabsehbaren Dauer und Intensität in einer starken Position, auch wenn manche Investitionsprogramme noch nicht ganz abgeschlossen sind. Allerdings ist zu beachten, dass die „neue“ Metall Zug 90% ihres Umsatzes ausserhalb der Schweiz erzielt und damit geopolitischen Wechselfällen und Währungsentwicklungen unterworfen ist, aber eben auch viele Opportunitäten nutzen kann.
Die „normalisiert“ ca. 550 Mio. CHF Jahresumsatz ex V-Zug werden derzeit an der Börse auf Basis beider Aktienkategorien mit 590 Mio. CHF bewertet. Rechnet man die 145 Mio. CHF für die 30%-Beteiligung an V-Zug heraus sowie die 75 Mio. Liquidität, so verbleibt eine tatsächliche Bewertung der operativen Töchter von nur 375 Mio. CHF, inklusive der Immobilien und Grundstücke. Unter der Annahme, dass die operativen Töchter 2022/2023 wieder auf vollen Touren laufen, könnte das EBIT von Metall Zug ohne Weiteres 100 Mio. CHF erreichen, womit die aktuelle Bewertung mit dem nur 3,7fachen des geschätzten EBITs sehr tief ausfällt – eine Chance für Investoren mit langem Atem. Die Risiken erscheinen bei einem KBV im Bereich 1 begrenzt.