Corona-Testzelte statt Ausstellungsstände, Parlamentarier statt Messebesucher. Auf dem Areal der Bernexpo Gruppe sah dieses Jahr vieles anders aus als gewohnt. Aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie mussten sämtliche Eigen- und Gastveranstaltungen seit März abgesagt oder verschoben werden, Umsätze konnten nur durch ad hoc generierte Veranstaltungen erzielt werden. Da diese aber die massiven Einbussen im Kerngeschäft bei Weitem nicht kompensieren können, rechnet das Berner Unternehmen mit einem Verlust in tiefer zweistelliger Millionenhöhe für das laufende Geschäftsjahr.
Wiederaufnahme von Veranstaltungen im Oktober geplant
Trotz dieser für die Messe- und Veranstaltungsbranche dramatischen Lage verzeichnete die Bernexpo auch vereinzelte Lichtblicke. So gelang es der Bernexpo, Umsätze in der Höhe von rund 7 Mio. CHF durch Zusatzgeschäfte wie Sessionen des Parlaments und des Grossen Rats des Kantons Bern, Prüfungen von Bildungsinstitutionen, Fachtagungen, Openair Kino, Covid-Teststrecke etc. zu generieren. Weiter ist mit der Durchführung des Suisse Caravan Salon und der Berufs- und Ausbildungsmesse BAM Ende Oktober eine erste Rückkehr zum Kerngeschäft vorgesehen, und das E-Sports-, Gaming- und Cosplay-Festival HeroFest soll in hybrider Form stattfinden. Durch Kurzarbeit, die Sistierung sämtlicher nicht kritischer Projekte sowie das Ergreifen weiterer Massnahmen zur Kostenreduktion konnten zudem substanzielle Einsparungen erzielt und die Liquidität gesichert werden, lässt sich Franziska von Weissenfluh, Co-Präsidentin des Verwaltungsrates der Bernexpo AG, in einer Medienmitteilung zitieren. Die Umsätze aus den neu generierten und noch geplanten Veranstaltungen sowie die Kosteneinsparungen reichten jedoch bei Weitem nicht aus, um die Einbussen im Kerngeschäft zu kompensieren.
Die Stabilisierung des Kerngeschäfts hat denn auch oberste Priorität in naher Zukunft. Die Pandemie wird den Geschäftsverlauf der Bernexpo auch in den kommenden Monaten stark tangieren. „Wir beobachten nach wie vor Unsicherheit bei unseren Kunden. Manche Unternehmen verbieten ihren Mitarbeitenden auch weiterhin die Teilnahme an Kongressen oder Messen“, beschreibt Bernexpo CEO Jennifer Somm auf Nachfrage von schweizeraktien.net die schwierige Lage. „Wir verfügen über Schutz- und Hygienekonzepte, die es uns ermöglichen würden, Veranstaltungen unter Einhaltung aller Regeln sicher durchzuführen. Der psychologische Effekt von grösseren Menschenansammlungen schreckt aber viele Teilnehmende, Aussteller und Besucher ab.“ Weitere Kostenreduktionen und Optimierungen der Prozesse und Strukturen des Unternehmens sind deshalb vorgesehen. Digitale und hybride Formate bei der Durchführung von Veranstaltungen sollen zudem künftig vermehrt ins Zentrum rücken. Eine Entwicklung, die auch ohne Pandemie in der Veranstaltungsbranche eher früher als später vonnöten gewesen wäre.
Gemeinderat verabschiedet Vorlagen für neue Festhalle
Digitale Transformation hin oder her – das traditionsreiche Unternehmen plant unverändert den Bau einer neuen multifunktionalen Halle mit Platz für bis zu 9’000 Besuchern auf ihrem Areal. Dazu sollen in einem Convention-Center Kongresse mit bis zu 3’000 Teilnehmenden stattfinden können. Zur Finanzierung des 95 Mio. CHF schweren Projekts ist die Messepark Bern AG, welche im Besitz der Immobilien der Bernexpo ist und deren Minderheitsaktionärin mit einem Anteil von 32,6% die Bernexpo ist, auf öffentliche Gelder angewiesen. Diese will der Berner Gemeinderat nun auch sprechen. Er beantragt dem Stadtrat deshalb einen städtischen Investitionsbeitrag über 15 Mio. CHF zugunsten der neuen Festhalle. Auch der Kanton Bern will sich mit demselben Betrag beteiligen. Gemäss einer Studie soll die neue Halle allein in der Region Bern eine jährliche Wertschöpfung von 16 Mio. CHF sowie 100 Vollzeitstellen generieren.
Die restliche Finanzierung soll einerseits durch die Aufnahme von Fremdkapital im Umfang von 43 Mio. CHF und anderseits durch eine Kapitalerhöhung von 22 Mio. der Messepark Bern AG sichergestellt werden. An dieser Kapitalerhöhung würde sich voraussichtlich auch die Bernexpo beteiligen, obschon diese erst gerade diesen Sommer ihre Beteiligung an der Messepark Bern im Rahmen einer Fokussierung auf ihr Kerngeschäft Messe und Kongresse reduziert hatte.
Volksabstimmung voraussichtlich im März 2021
Weiter hat der Gemeinderat die Überbauungsordnung Mingerstrasse-Papiermühlestrasse, welche die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bau der neuen Festhalle schafft, verabschiedet. Stimmt das Parlament den Vorlagen zu, kommt es voraussichtlich im März 2021 zur Volksabstimmung. Das Generationenprojekt sei nicht nur für die Bernexpo von grosser Bedeutung, sondern für den gesamten Veranstaltungsstandort Bern, erklärt Jennifer Somm. Ohne zeitgemässe Infrastruktur verliere dieser an Attraktivität, worunter auch andere Branchen wie die Hotellerie leiden würden.
„Wir fliegen auf Sicht“, meint Jennifer Somm auf Nachfrage zu den Aussichten für 2021. Momentan prognostiziere Bernexpo mit drei Szenarien, wobei der Base Case von einem Geschäftsverlauf nach wie vor auf tieferem Niveau als vor der Krise ausgehe. Viel hänge davon ab, ob das Interesse der Bevölkerung an den geplanten Veranstaltungen wieder gross genug ist, um diese auch rentabel durchführen zu können.
Fazit
Die Corona-Krise trifft die Bernexpo schwer mit dem erwarteten Verlust für 2020 in tiefer zweistelliger Millionenhöhe als Konsequenz. Vieles hängt von der künftigen Durchführbarkeit von Veranstaltungen und vor allem von der Teilnahmebereitschaft der Bevölkerung und Unternehmen ab. Je nach Erfolg der bis zum Jahresende geplanten Events könnte sich der Jahresverlust noch leicht nach unten korrigieren. Eine Chance die Gewinnzone zu erreichen, bestand 2020 unter den gegebenen Umständen jedoch nie. Immerhin verfügt die Gruppe über eine gesunde Bilanz, die konsolidierte Eigenkapitalquote lag 2019 bei 50,4%. Die Bernexpo sollte den erwarteten Verlust besser abfangen können als manches Konkurrenzunternehmen.
Der Verkauf der Anteile an der Messepark Bern AG hat der Bernexpo eine in der Krisenzeit höchst willkommene Liquiditätsspritze verschafft. Diese kommt jedoch voraussichtlich in erster Linie nicht den Aktionären in Form einer Sonderausschüttung zugute, sondern soll vernünftigerweise die Zukunft des Kerngeschäfts sicherstellen. Dieses gestaltete sich schon vor der Krise anspruchsvoll, das Vorantreiben der digitalen Transformation ist deshalb von zentraler Bedeutung. Auch namhafte Präsenzveranstaltungen währen nicht zwingend ewig, wie unlängst die Messe Schweiz (MCH) mit dem Wegfallen der Uhrenmesse Baselworld feststellen musste.
Das Verbot von Grossveranstaltungen hat die Bernexpo dazu gezwungen, neue Formate wie beispielsweise das hybride HeroFest oder einen digitalen Marktplatz für BEA-Aussteller einzuführen und zu testen. Diese Erfahrungen könnten wichtige Anhaltspunkte für die künftige Ausrichtung liefern. Noch bleibt der Fokus aber auf den klassischen Messen und Kongressen, was der geplante Bau der neuen Festhalle belegt. Die Messebranche steht jedoch vor der Herausforderung, ihre Angebote für die breite Bevölkerung attraktiv und zugänglich zu halten, auch in Zeiten von Covid-19 und zunehmender Digitalisierung.
Die Aussichten für 2021 bleiben unsicher. Im besten Fall können die geplanten Veranstaltungen mit den bestehenden Schutzkonzepten durchgeführt und einige verschobene Events von 2020 nachgeholt werden. Im schlimmsten Fall bleibt die Corona-Lage ähnlich wie im laufenden Jahr, viele Veranstaltungen müssen abgesagt werden und ein neuerlicher Verlust droht. Je länger die Corona-Pandemie unseren Alltag bestimmt, desto anspruchsvoller wird sich die Zukunft der Bernexpo gestalten. Diese Unsicherheit widerspiegelt sich auch im Kurs der auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der BEKB gehandelten Bernexpo-Titel. Eine Erholung, wie sie in vielen Branchen bereits stattgefunden hat, ist noch nicht in Sicht, zuletzt wurden 375 CHF für eine Aktie bezahlt, knapp 20% weniger als noch zu Jahresbeginn.