Der globale Markt für Glasverpackungen in der Getränke- und Nahrungsmittelindustrie belief sich 2019 auf geschätzte 56.6 Mrd. USD. Bis 2025 soll das Wachstum rund 4,5% jährlich betragen. Die besten Perspektiven bestehen in Europa, da veränderte Konsumentenwünsche sowie „Green Deal“ und Recycling- und Kreislaufwirtschaft für „nachhaltige“ Impulse sorgen.
Trotz der soliden Langfristperspektiven, die auch am Jahreswechsel zur Favoritenwahl von Vetropack beitrugen, blieb der Industrie ein Dämpfer im ersten Halbjahr 2020 durch Pandemie und Lockdown nicht erspart. Die Lieferketten waren unterbrochen, der Einzelhandel eingeschränkt, die Gastronomie geschlossen. Bei Vetropack waren zeitweilig zwei Werke geschlossen.
Erstes Halbjahr mit Corona-Effekten
Die Zahlen des ersten Halbjahres waren allerdings nicht wirklich schlecht. Der Umsatz gab zwar um 10,4% auf 323.8 Mio. CHF ab, doch währungsbereinigt belief sich der Rückgang nur auf 5,6%. Das zeigt, wie extrem sich die Verwerfungen an den Devisenmärkten auf die Ergebnisse der international tätigen Unternehmen auswirken. Der Exportanteil bei Vetropack belief sich 2019 auf 43,9%. Vetropack ist in vielen EU-Ländern präsent. Das EBIT gab kräftiger um 14,8% auf 40.9 Mio. CHF nach, doch der Reingewinn kletterte dank der Erträge von 11.7 Mio. CHF vor Steuern aus dem Verkauf einer nicht betriebsnotwendigen Immobilie um 22,2% auf 46.3 Mio. CHF. Eine ausgleichende Rolle spielten auch die schwächeren Preise für Energie in der Berichtsperiode.
Die Nachfragerückgänge im ersten Halbjahr betrafen vor allem tiefpreisige Flaschen wie für Bier, Wasser und Limonaden, was sich zwar auf den Stückabsatz deutlicher auswirkte, jedoch kaum auf die produzierte Menge. Der Stückabsatz reduzierte sich um 9,3%, die produzierte Glasmenge jedoch fiel nur um 5’000 Tonnen auf 725’000. Dadurch stieg das Lager um 16.1 Mio. CHF an. Für das zweite Halbjahr kündigte das Management Produktionsdrosselungen an und erwartet eine schrittweise Erholung der Nachfrage.
Trendwachstum
Der Jahresabschluss 2019 war mit einem Gewinnanstieg von 25,6% auf 73 Mio. CHF und einem Umsatzzuwachs von 3,5% auf 714.9 Mio. CHF sehr gut ausgefallen. Bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 1.13 Mrd. CHF errechnet sich ein KGV 2019 von 15,5. Der Gewinn für das Geschäftsjahr 2020 dürfte nur geringfügig nachgeben. Ab 2021 wird sich wohl der langfristige Wachstumstrend nach einem Abklingen der Pandemie fortsetzen.
Mit Investitionen von 123.7 Mio. CHF in 2019 stellt Vetropack die Wettbewerbsfähigkeit sicher. Zwei Schmelzwannen wurden mit neuester Technologie ausgestattet, was die Effizienz erhöht, Energie einspart und damit die Betriebskosten senkt. Ein Hauptziel ist die signifikante Absenkung der Emissionen. Sukzessive werden auch geeignete Betriebsgebäude mit Solarpanelen ausgestattet. Aufgrund der guten Erfahrungen wird der Ausbau der Solarkapazitäten vorangetrieben. Das senkt die Energiekosten – und die anrechenbaren Emissionen.
Investment Case
Im Jahr 2018 entfielen von den Getränkeverpackungen in der globalen Betrachtung nur 23,8% auf Glas, jedoch 35,3% auf PET, 18,7% auf Dosen und 11,8% auf Karton sowie 10% auf sonstige. Im Bereich der Wasserverpackungen liegt der PET-Anteil bei rund 70%. Da Glas zu 100% recyclingfähig ist und sich auch für die umweltschonende Kreislaufwirtschaft eignet und darüber hinaus auch von Konsumenten aus Umwelterwägungen wieder bevorzugt wird, ist auch, zumindest in Europa, wegen der politischen Weichenstellungen eine signifikante Erhöhung des Glasanteils über die kommenden Jahre zu erwarten. Zu den Vorteilen von Glas gegenüber anderen Verpackungsformen zählt auch die Tatsache, dass mit dem heute verfügbaren Leichtglas das Gewicht sinkt, was wiederum die Transportkosten vermindert. Auch die Bruchgefahr ist durch einen veränderten Herstellungsprozess, der durch Dehnung die Spannung erhöht, deutlich reduziert. Das erhöht auch die Attraktivität für die Abfüller, was zusammen mit der Kosteneffizienz bei der Sammlung und Mehrfachverwendung von Flaschen durchaus den Ausschlag zugunsten von Glas geben kann.
Europa mit höchsten Wachstumsraten bei Glas
Das Geschäft mit den Getränkeverpackungen ist zwar global, aber dennoch regional strukturiert. Für Vetropack sind die Schweiz, die EU und die Beitrittskandidaten die relevanten Märkte. Mit Produktionsstätten in der Schweiz, Italien, Österreich, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Kroatien und der Ukraine ist das Unternehmen in kompetitiven, jedoch wachstumsstarken Märkten aktiv. Glas als Verpackungsmaterial für Getränke und Nahrungsmittel wie Suppen und Saucen sowie der Trend zu Recycling und Kreislaufwirtschaft ist in allen Märkten ein Thema. Die EU will im Rahmen des „Green Deal“ die EU-weite Recyclingquote auf 90% anheben. Während in der Schweiz die Quote bereits fast 90% beträgt, ist in Italien und den osteuropäischen Ländern noch viel Potenzial. Recyclingglas in guter Qualität, d.h. ohne Verschmutzungen, senkt die Herstellungskosten für die Produzenten erheblich, sofern der Maschinenpark und die Schmelzprozesse technologisch auf der Höhe der Zeit sind.
Konzentrationstendenz in der Glasindustrie
Der Konsolidierungsprozess in der Glasindustrie ist zwar weit vorangeschritten, doch immer noch nicht abgeschlossen. Die erwarteten höheren Wachstumsraten bei Glasverpackungen in Europa könnten gerade die auf globaler Ebene kleineren Unternehmen zu Zielen machen. Beispielsweise erwarb der diversifizierte Glas-Gigant Owens vor einem Jahr Glasverpackungsaktivitäten nahe Mexico City von der mexikanischen Grupo Modelo.
Nachhaltigkeit in der DNA?
Die nachhaltige Ausrichtung von Vetropack ist keine Folge der Entwicklungen der letzten Jahre, sondern lässt sich über Jahrzehnte zurückverfolgen. Bereits 1974 wurde die Recycling-Betriebsgesellschaft Vetro-Recycling GmbH gegründet, die das Altglas einer sinnvollen Wiederverwertung zuführen sollte. Die Tochter wurde 2009, mittlerweile in der Rechtsform der AG, mit Vetropack fusioniert. Durch den Siegeszug der Einmal-Verpackungen aus Plastik war seit den 1970er Jahren viel Altglas angefallen. Vetropack expandierte 1981 in die Herstellung von PET-Flaschen, stellte die Tätigkeit aber bereits 1996 wieder ein. Das Unternehmen berichtet ausführlich über die eigenen Bestrebungen zur Erfüllung der ESG-Kriterien.
Fazit
Im Gegensatz zu vielen anderen Industrien bleiben die Perspektiven der Hersteller von Glasverpackungen trotz Pandemie intakt. Der Rückgang von Umsatz und Absatz bei Vetropack dürfte in der längerfristigen Betrachtung wie ein kurzfristiger Rücksetzer aussehen, der durch die ausserordentlichen Auswirkungen wie Schliessung von Gastronomie und Läden ausgelöst worden war. Die Vorteile von Glas gegenüber anderen Verpackungsformen sind jedoch in nahezu jeder Hinsicht so ausgeprägt, dass die Bedeutung in den kommenden Jahren zunehmen wird. Dieser erwarteten steigenden Nachfrage, die sowohl von politischen Entscheidungen als auch Konsumentenpräferenzen getragen ist, stehen jedoch nur begrenzte Produktionskapazitäten gegenüber. Dabei kommt es im Wettbewerb neben der Kosteneffizienz vor allem darauf an, die Kundenwünsche erfüllen zu können. Vetropack kann in einigen Werken heute schon den Kundenwunsch nach Flaschen aus 100% Altglas erfüllen.
Die Aktie befindet sich in einem langfristigen Aufwärtstrend, weil auch die Gewinnentwicklung und die Profitabilität bei Vetropack stimmen. Auch der Investment Case stimmt unverändert und könnte sich durch die erhöhte Sensibilität der Gesetzgeber für die Vermeidung von Verpackungsmüll sogar noch verbessern. Im Rückblick könnte die zeitweilige Korrektur in 2020 wie eine (verpasste) Einstiegschance aussehen. Weitere Auftriebskräfte erwachsen aus der bei institutionellen Investoren höheren Gewichtung von Aktien nachweislich nachhaltig geführter Unternehmen.