Egon Gsponer, stv. CEO BVZ Gruppe: «Uns fehlt der zahlende ausländische Gast»

Erst ab Mitte 2021 wird mit einer spürbaren Erholung gerechnet

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Egon Gsponer ist seit 2013 stv. Unternehmensleiter der BVZ Gruppe. Er leitet zudem den Bereich Infrastruktur bei der Matterhorn Gotthard Bahn und der BVZ Holding. Der Ingenieur mit MBA ist seit 2001 für das Unternehmen tätig. Bild: zvg

2019 war für die BVZ Holding AG noch ein Rekordjahr; der Reingewinn kletterte auf 20 Mio. CHF. Auch der Start ins laufende Geschäftsjahr versprach bis Ende Februar noch beste Ergebnisse. Die Corona-Pandemie machte dem erfolgsverwöhnten Bahn- und Tourismusunternehmen einen Strich durch die Erfolgsrechnung. Im 1. Semester 2020 brach der Gesamtertrag um 33,1% auf 57.6 Mio. CHF ein. Unter dem Strich resultierte ein Verlust von 8.8 Mio. CHF. Obwohl die Herausforderungen gerade mit Blick auf die Wintersaison gross sind, bleibt das Walliser Unternehmen optimistisch. Der stv. Unternehmensleiter Egon Gsponer sagt im Interview mit schweizeraktien.net, dass erst ab Mitte 2021 mit einer spürbaren Erholung zu rechnen sei. Gsponer wird auch am Branchentalk Tourismus teilnehmen, der am 20. Oktober virtuell auf Zoom stattfindet.

Herr Gsponer, wie hat die BVZ Gruppe den Lockdown im Frühjahr erlebt?

Hier gilt es, ein wenig zu differenzieren, da die BVZ Gruppe sowohl im Service Public als auch privatwirtschaftlich tätig ist. Mit der Matterhorn Gotthard Bahn erfüllen wir einen öffentlichen Auftrag, der auch während des Lockdowns zu erbringen war. Diesem Auftrag sind wir bis zum 5. Juni mit einem reduzierten Fahrplan nachgekommen, obwohl die Frequenzen um bis zu 90% zurückgegangen sind. Im privatwirtschaftlichen Sektor mit der Gornergrat Bahn und dem Glacier Express mussten wir den Betrieb aufgrund der behördlichen Vorgaben für fast drei Monate komplett einstellen. Und das nach einem Rekordjahr! Das hat uns hart getroffen. Für das Management war es schwierig, den richtigen Spagat zwischen kurzfristigen Massnahmen und einer längerfristigen Planung zu finden. Dies hat von den Mitarbeitenden und Führungskräften eine sehr grosse Flexibilität erfordert. So wurde trotz Kurzarbeit auf unseren Baustellen weitergearbeitet. Dies ist auch für unsere Region sehr wichtig gewesen, denn die BVZ war so während der Krise ein Wirtschaftsmotor für die Region.

Wie gut sind Sie auf eine solche Krisensituation vorbereitet gewesen?

Auf eine Krise in diesem Ausmass kann man nicht optimal vorbereitet sein. Allerdings haben wir als vorwiegend im hochalpinen Bereich tätiges Bahnunternehmen schon lange Erfahrungen im Ereignismanagement; Wir sind es gewohnt, rasch auf Ereignisse zu reagieren und falls erforderlich auch eine Taskforce zur Koordination der Ereignisbewältigung aufzubieten. Eine Corona-Taskforce hatten wir bereits vor dem Lockdown installiert. Die Situation in Italien hat uns schon Ende Februar dazu bewegt, uns intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Technisch sind wir auf den Lockdown ebenfalls gut vorbereitet gewesen, da wir auch vor der Krise schon Software wie Teams im Einsatz hatten und es auch gewohnt waren, virtuelle Sitzungen durchzuführen.

Die BVZ Gruppe musste während des Lockdowns massive Einbrüche beim Umsatz von 50.9 Mio. CHF verzeichnen. Wie konnten Sie die Liquidität sichern?

Wir haben ein Kostensparprogramm initiiert, auf der Personalseite mit einem Einstellungsstopp reagiert und die Investitionen priorisiert. An strategisch wichtigen Investitionen halten wir fest, andere schieben wir auf. Dank der flächendeckenden Kurzarbeit von Mitte März bis Ende Mai konnten wir bislang grössere Einschnitte auf Personalseite verhindern. Die Situation bei der GGB bleibt allerdings angespannt, entsprechend sind die Mitarbeitenden dort seit September wieder in Kurzarbeit, die zunächst noch bis Ende November weitergeführt wird.

Mussten Sie Notkredite des Bundes in Anspruch nehmen?

Unsere Tochter Glacier Express hat einen Covid-19-Kredit angemeldet. Seitens der Gruppe haben wir ansonsten keine weiteren Kredite beantragt.

Sie haben gesagt, dass Sie an strategisch wichtigen Investitionen festhalten. Welchen Einfluss hat die Krise auf die Rollmaterialbeschaffung, immerhin das grösste Projekt mit einer Investitionssumme von total 345 Mio. CHF?

Die Rollmaterialbeschaffungen stoppen wir nicht. Bei der MGBahn besteht diese aus zwei Etappen. Die ersten zwölf Züge sollen bis 2023 ausgeliefert werden, die restlichen 15 bis 2028. Da es sich dabei um eine Beschaffung für den Service Public handelt, ist die Finanzierung zudem durch eine Solidarbürgschaft des Bundes abgesichert. Für die Gornergrat Bahn beschaffen wir fünf neue Triebwagen. Auch hier halten wir am ursprünglichen Beschaffungsplan fest, denn wir glauben fest daran, dass es wieder aufwärts geht.

Wie gestaltet sich die Situation heute und wie verlief die Sommersaison?

Der Regionalverkehr hat sich gut erholt, die Frequenzen sind gestiegen und die Züge gut gefüllt. Im touristischen Verkehr bleibt die Situation weiterhin schwierig. Es fehlen uns einfach die Gruppenreisenden aus dem Ausland, die bei jedem Wetter unsere Bahnen nutzen. Insgesamt ist die Wetterabhängigkeit gestiegen.

Wie hat sich der Gästemix in diesem Sommer entwickelt und wie steht die Destination im Vergleich zu anderen Schweizer Bergregionen da?

Wir hatten schon immer einen hohen Anteil an Schweizer Gästen. Dies hat uns in der Krise geholfen. Allerdings nutzen viele Schweizer Rabattaktionen oder reisen mit dem GA oder dem Halbtax. Das wirkt sich negativ auf den Ertrag aus. Uns fehlt der zahlende ausländische Gast. Besonders betroffen sind wir vom Fehlen der Gäste aus den USA und Asien. Die laufend ändernden Reiserestriktionen wirken sich aber auch negativ auf Reisende aus dem nahen europäischen Ausland aus. Im Vergleich zu anderen Bergdestinationen haben wir jedoch den Vorteil, dass Zermatt mit dem Matterhorn zu den beliebtesten Feriendestinationen in der Schweiz gehört.

Welche Signale erhalten Sie derzeit aus den wichtigen Fernmärkten?

Für den Glacier Express liegen heute schon bis zu 70% Reservationen im Sommer 2021 vor. Bild: www.glacierexpress.ch

Bezüglich USA und Asien sind wir verhalten optimistisch. Allerdings rechnen wir erst ab Mitte 2021 mit einer spürbaren Erholung. Voraussetzung dafür ist, dass die Reiserestriktionen spürbar gelockert werden. Auch aus dem europäischen Ausland gibt es positive Signale, aber der Gast ist aufgrund der teils sehr unterschiedlichen Auflagen verunsichert. Ein gutes Zeichen ist, dass beispielsweise schon heute für Sommer 2021 Reservationen im Umfang von bis zu 70% für den Glacier Express vorliegen. Dies zeigt uns, dass die Leute wieder reisen wollen.

Derzeit nehmen die Infektionszahlen wieder zu, die Wintersaison beginnt schon bald. Welche Massnahmen haben Sie für die Wintersaison getroffen und wie sind hier Ihre Erwartungen?

Es ist derzeit noch vieles unklar, vor allem für die Wintersportorte. Wichtig ist, dass keine Hotspots entstehen. Dies lässt sich am besten erreichen, wenn sich alle Gäste an die Regeln des BAG halten. Ausserdem forcieren wir alternative Angebote, bei denen unsere Gäste grosse Menschenansammlungen meiden können, beispielweise Winterwandern oder Schneeschuhtouren.

Wie verläuft das Projekt Andermatt Central? Sind Sie hier im Zeitplan oder hat die Corona-Pandemie Auswirkungen auf Ihr Engagement in Andermatt?

Andermatt Central, an dem die BVZ Gruppe zu 50% beteiligt ist, wurde bereits vor der Corona-Pandemie gestartet. Daher haben wir die letzten Ausbauarbeiten auch nicht gestoppt. Die Gewerbeflächen sind bereits seit dem vergangenen Winter zu 80% vermietet. Auch von den 58 Wohnungen, die seit Mitte 2020 fertiggestellt sind, haben wir bereits 56 vermieten können. Dies zeigt, dass unsere Immobilienstrategie richtig und der Ertrag aus den Immobilien ein zunehmend wichtiger werdendes Standbein ist. 2019 konnten wir Einnahmen von 4.9 Mio. CHF bei den Immobilien erzielen. Wenn das Andermatt Central erfolgreich bleibt, wäre auch ein Ausbau in einer 2. oder 3. Etappe denkbar.

Aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Immobilieneigentümer gezwungen, Mietzinsreduktionen zu gewähren. Ist dies bei der BVZ Gruppe auch der Fall?

In Andermatt eigentlich nicht, aber bei unseren anderen Immobilien in Zermatt und Visp mussten wir vereinzelt Reduktionen gewähren. Diese lagen im 1. Halbjahr aber in einem überschaubaren Bereich.

Welche weiteren Projekte haben Sie in der Pipeline, um Ihre touristischen Angebote attraktiver zu machen?

Im Zentrum steht vor allem die Weiterentwicklung des Gornergrats. Dort investieren wir rund 9 Mio. CHF in eine multimediale Erlebniswelt rund um das Matterhorn.  Schon im Sommer 2021 sollen die ersten Gäste die naturnahe Inszenierung erleben können. Auch testen wir gemeinsam mit den Kunden mögliche neue Produkte, wie die Premium Class für die GGB. Aus der Excellence Class im Glacier Express haben wir schon Erfahrungen, die hier mit einfliessen. Von unseren Kunden kommen auch kleine, leicht umzusetzende Ideen wie «Meet the sheep». Am Gornergrat können Gäste in Zukunft die typischen Walliser Schwarznasenschafe treffen, mehr über diese Tiere erfahren und Erinnerungsfotos machen. Solche Fotosujets wiederum haben grosses Potenzial, um insbesondere von den asiatischen Kunden in den sozialen Medien geteilt werden. Solche Ideen entstehen unter anderem in Workshops mit unseren Kunden und in unserem agil arbeitenden Team. Unser Ziel ist es, mit kundennahen Erlebnisinszenierungen den Gornergrat als Ausflugsziel achtsam und wirkungsvoll weiter aufzuwerten.

Wie setzen Sie in diesem Zusammenhang das Thema Nachhaltigkeit um?

Nachhaltigkeit ist bei uns ein Dauerthema, denn wir leben von der intakten Natur. Als Bahnbetrieb setzen wir ohnehin ein nachhaltiges Verkehrsmittel ein. Der Bahnstrom soll bis 2021 zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammen. Bei vielen Nachhaltigkeitsthemen im Bahnbereich orientieren wir uns an den SBB oder anderen Bahnen, die das Thema ebenfalls vorantreiben. Ausserdem unterstützen wir beispielsweise ein Forschungsprojekt der ETH zur Gewinnung in Geothermie im vom Furkatunnel abzweigenden Bedrettostollen, haben Photovoltaikanlagen im Einsatz, achten auf regionale Produkte. Wir sind uns bewusst, dass wir als öffentliches Unternehmen im Schaufenster stehen.

Sie weisen in Ihrem Halbjahresbericht auch auf das Projekt Kundenfokus@BVZ hin. Was verbirgt sich genau dahinter?

Wir beschäftigen uns in diesem Projekt mit der Frage, wie wir unseren Kunden noch mehr in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten stellen können. Dazu ist es wichtig zu wissen, wer unsere Kunden sind und was diese wünschen. Aus diesem Grund haben wir Massnahmen wie die Kundenworkshops eingeführt, aber auch das interne Projekt Seitenwechsel. Beim Seitenwechsel lernen Mitarbeiter andere Aufgaben innerhalb des Unternehmens kennen. Verwaltungsmitarbeiter gehen beispielsweise zur Instandhaltung oder Zugbegleiter ins Büro. So sollen die Mitarbeiter mehr Verständnis für andere Bereiche entwickeln, um so die Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden noch besser kennenzulernen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die BVZ-Aktie befindet sich derzeit auf einem Jahrestiefst. Chart: SIX Swiss Exchange

Die Aktien der BVZ Holidng AG sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 735 CHF für eine Aktie bezahlt.

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