Die Jungfrau Sports Holding AG (JSH) aus Matten bei Interlaken organisiert Outdoor-Aktivitäten über das ganze Jahr. Zur Unternehmensgruppe gehören die Outdoor Interlaken AG, die Grindelwald Sport AG sowie die Alpin Raft AG. Das Angebot der Firmen reicht vom River Rafting, Canyoning, Bungee-Jumping und Gleitschirmfliegen über einen eigenen Seilpark bis zu Skischulen in Grindelwald und Schneeschuhtouren.
Seit 1. Oktober 2020 werden die Aktien der JSH auf OTC-X der BEKB gehandelt.
VR-Präsident Christoph Egger äussert sich im Interview mit schweizeraktien.net zum Zeitpunkt des Listings, das mitten in die grösste Krise der Toursimusindustrie fällt, und wann er wieder mit den für das Unternehmen wichtigen Überseetouristen rechnet.
Herr Egger, seit 1. Oktober 2020 werden die Aktien der JSH ausserbörslich gehandelt. Damit liegt der Handelsstart auf OTC-X inmitten sehr ungewisser Zeiten. Warum haben Sie diesen kritischen Zeitpunkt für die Erstnotiz der Papiere der JSH gewählt?
Das Listing OTC-X war seit der Gründung der Jungfrau Sports Holding ein formuliertes Ziel. Der jetzige Zeitpunkt ist insofern zufällig, als er nicht bewusst gewählt wurde. Wir wollten dieses Ziel trotz COVID-19 noch im 2020 abschliessen und erreichen.
Der Anteil der Aktien ist zu 90% in den Händen von zehn Aktionären. Die JSH besitzt selbst 3,7% der Aktien. Damit verbleiben nur gut 6% für Kleinaktionäre. Das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen regen Handel mit dieser Aktie. Wie wollen Sie in Zukunft die Anteilsscheine an der JSH attraktiver für die Allgemeinheit, die Kleinaktionäre machen?
Mit dem OTC-X-Listing verfolgen wir 2 Hauptziele, welche mittelfristig zu einer deutlichen Verbreiterung dieser Beteiligungsmöglichkeit führen wird.
Erstens: Das OTC-X-Listing und die damit verbundene „Markt“-Bewertung unserer Unternehmung führt dazu, dass wir die Aktien künftig vermehrt als Akquisitionswährung bei Übernahmen einsetzen können und werden. Dies kann mit Aktienkapitalerhöhungen verbunden sein.
Zweitens: Die 10 Grossaktionäre sind alle seit der Gründung der jeweiligen operativen Tochterfirmen vor 20 Jahren aktiv in den Betrieb involviert. Die meisten dieser Grossaktionäre sind zwischenzeitlich über 50 Jahre alt. Das OTC-X-Listing ermöglicht diesen grossen Aktionären eine zusätzliche Exit-Möglichkeit zu Marktpreisen. Der Ausstieg eines grossen Aktionärs ohne liquiden Aktienmarkt wäre hingegen sehr schwierig.
Planen Sie im Laufe des nächsten Jahres eine Kapitalerhöhung?
Aktienkapitalerhöhungen können im Rahmen von Übernahmen ein Thema werden. Wir halten unsere Augen immer offen und verfolgen auch eine gezielte Akquisitionsstrategie. Aktuell ist aber noch keine Akquisition spruchreif.
Die JSH ist auf Outdooraktivitäten spezialisiert und damit einerseits vom Touristenaufkommen, andererseits vom Wetter abhängig. Kommen wir zunächst zum Wetter: Das hat Ihnen im Geschäftsjahr 2019 nicht nur Freude bereitet, wie der Gästerückgang um 10% gegenüber dem Rekordjahr 2018 zeigt, wo Sie knapp 100‘000 Gäste begrüssen durften. War es nur das Wetter, oder gibt es noch andere Gründe, die zu dem Gästerückgang geführt haben?
Das Wetter war 2019 im Durchschnitt sehr gut. Allerdings verzeichneten wir v.a. in den Sommerferien 2019 oftmals Schlechtwetter oder frühe Gewitter, was immer wieder zu Absagen von geplanten Rafting- oder Canyoning-Trips führte. In dieser Situation hat die Sicherheit unsere Mitarbeitenden und unserer Gäste oberste Priorität. 2019 war zudem der für uns sehr wichtige Outdoor-Markt Korea schwächer als im Vorjahr.
Der Umsatzrückgang fiel mit 5% auf 11.3 Mio. CHF nicht ganz so stark aus wie der Besucherrückgang. Auf was ist diese Diskrepanz zurückzuführen?
Wir konnten 2019 neue Erlebnisangebote und Dienstleistungen einführen, welche bei geringen Gästezahlen trotzdem hohe Erträge und gute Margen auslösen. Speziell zu erwähnen ist die Skivermietung, welche in Grindelwald neu angeboten wurde und einen wichtigen Beitrag lieferte. Auch die Gletscherschlucht in Grindelwald entwickelte sich sehr erfreulich.
Auffallend ist, dass Sie für 2019 mit 842‘000 CHF ein höheres EBITDA ausweisen als 2018 (807‘000 CHF). Das liegt vor allem daran, dass Sie den Handels- und Dienstleistungsaufwand sowie den Personalaufwand um jeweils ca. 10% gesenkt haben. Worauf sind diese starke Kostensenkungen zurückzuführen?
Diese Margen- und Produktivitätssteigerung ist ein Resultat der JSH-Gründung sowie der Übernahme Alpin Raft, welche nun im dritten Jahr endlich voll auf das Jahresergebnis durchgeschlagen hat. Prozessoptimierungen im Backoffice, bessere Auslastung der Rafting- oder Canyoning-Trips sowie die neuen, margenstarken Angebote Skivermietung Grindelwald sowie Gletscherschlucht Grindelwald sind hervorzuheben.
Sie schreiben im Geschäftsbericht, wie wichtig für Sie arabische und asiatische Touristen sind. Die fehlen seit Ausbruch von Covid-19 nun ganz. Welche Massnahmen haben Sie ergriffen, um das Ausbleiben von Überseetouristen zu kompensieren?
Wir haben natürlich sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Kostenseite angesetzt: Vorab haben wir mit tieferen Gästezahlen budgetiert und deshalb auch deutlich weniger Mitarbeitende eingestellt. Unser Geschäft ist personalintensiv, über 50% des Aufwandes resultiert aus den Personalkosten. Wir haben zudem unsere Aufmerksamkeit stark auf die Produktivität, d.h. auf eine optimale Auslastung unserer Angebote gerichtet.
Im Marketing haben wir 2020 vor allem den Schweizer Markt avisiert: Seilpark Interlaken, Family-Rafting auf der Lütschine oder ein Canyon-Jump in die Gletscherschlucht sprechen auch Schweizer Gäste sehr positiv an.
Welche Folgen hat die Pandemie für die JSH? Können Sie uns erste Zahleneindrücke vermitteln, was Umsatz- und Besucherzahlen in den ersten neun Monaten 2020 anbelangt?
COVID-19 wird deutliche Spuren hinterlassen. Der 3-monatige Lockdown sowie das anschliessende, langsame Aufstarten verbunden mit dem kompletten Ausbleiben der asiatischen und amerikanischen Gäste ist durch nichts zu kompensieren. Auf das ganze Geschäftsjahr müssen wir mit Umsatzeinbussen von mindestens 30% rechnen.
Wie wird sich der Shift Richtung einheimischer und europäischer Touristen auf Ihre Angebote auswirken? Konkret: Auf welche neuen Angebote aus dem Haus JSH darf man sich freuen?
Der Fokus liegt sicher auf einer Stärkung der Nahmärkte aus der Schweiz und aus den umliegenden Ländern. In diesen Fokus gehört auch die Stärkung des MICE-Bereiches, d.h. Angebote für Firmen und Vereine. Mehr Informationen zu diesem Thema können Sie noch in diesem Jahr erwarten.
Sie sind ja nicht nur VRP der JSH, sondern auch CEO der Schilthornbahn. Ein Tourismusunternehmer durch und durch. Wie wird sich der Tourismus in 2021 weiter entwickeln? Werden wir je wieder Zustände wie vor Covid-19 sehen? Wenn ja, wann?
Diese Fragen kann auch eine Hellseherin nicht abschliessend und richtig beantworten (lacht). Ich rechne mit einem Impfstoff im Frühjahr 2021. Dies wird mental einen Befreiungsschlag bewirken und den internationalen Reisemarkt sofort anregen. Bis die Flugverbindungen vollständig wieder hochgefahren sind, die Buchungen erfolgen und die Reisen angetreten werden, wird es sicher Spätsommer 2021 werden. „Back to normal“ darf erst 2022 erwartet werden.
Die ersten persönlichen Erlebnisse lassen mich aber hoffen, dass es ein „Back to normal“ geben wird und viele Befürchtungen (Meidung von Flugzeugen, starker Rückgang Fernreiseverkehr etc.) nicht nachhaltig eintreten werden.
Herr Egger, vielen Dank für dieses Gespräch.