Seit dem 1. Oktober 2020 werden die Aktien der Jungfrau Sports Holding AG (JSH) ausserbörslich auf der Plattform OTC-X der BEKB gehandelt. Das in Matten bei Interlaken ansässige Unternehmen organisiert für Touristen aus der ganzen Welt Outdoor-Aktivitäten im Sommer wie im Winter. Unter dem Holding-Dach sind die Outdoor Interlaken AG, die Grindelwald Sports AG sowie die Alpin Raft AG als operative Einheiten tätig (Interview mit JSH-VRP Christoph Egger vom 9. Oktober 2020).
Das OTC-X-Listing der JSH sorgt auf der ausserbörslichen Handelsplattform für etwas «frisches Blut», denn auf der anderen Seite gab und gibt es verschiedene Handelseinstellungen, die allerdings bisher vor allem wenig liquide Aktien aus dem Bergbahnen- und Tourismussegment betreffen.
«Nicht kotierte Inhaberaktien: Die Totenglocke läutet lauter, das Ende naht»
Unter diesem Titel hatten wir Anfang Juni an dieser Stelle einen Beitrag zu den nochmals verschärften GAFI-Transparenzregeln und den Übergangsfristen für Aktionäre wie für Unternehmen publiziert. Zum 1. November 2019 war das verschärfte Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke in Kraft getreten.
Inhaberaktien sind in der Schweiz seit diesem Datum im Sinne Art. 622 Abs. 1bis und 2bis OR nur noch dann zulässig, wenn die Aktiengesellschaft entweder börsenkotiert ist oder die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008 ausgestaltet und bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind.
Das Vorliegen einer dieser beiden Ausnahmetatbestände – Börsenkotierung oder Ausgestaltung als Bucheffekten – muss zugleich im Handelsregister eingetragen werden. Dies gilt gleichermassen für neu auszugebende Inhaberaktien wie auch für die Beibehaltung bestehender Inhaberaktien.
Die Frist für die Eintragung bestehender Inhaberaktien läuft nach den Übergangsbestimmungen zum 1. Mai 2021 – 18 Monate nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes – ab. Diejenigen Aktiengesellschaften, die keinen der erwähnten Ausnahmetatbestände anstreben und beim Handelsregister anmelden, müssen bis zu diesem Datum ihre bestehenden Inhaberaktien in Namenaktien umgewandelt haben. Nach dem 30. April 2021 bleibt betroffenen Aktionären nur noch der Gerichtsweg, um ihre Aktionärsrechte geltend zu machen, sofern eine Meldung an die Gesellschaft bis zu diesem Datum unterblieben ist.
OTC-Gesellschaften mit Inhaberaktien reagieren unterschiedlich
Im Rahmen des Beitrags vom Juni hatten wir zugleich auch die Situation zum damaligen Zeitpunkt analysiert. Mittlerweile sind wir schon einige Monate weiter, und die meisten der betroffenen Gesellschaften haben nach unserem Kenntnisstand in der Zwischenzeit bereits auf die neue Gesetzeslage mit entsprechenden GV-Beschlüssen reagiert oder sind daran, diese in den kommenden Wochen und Monaten – in jedem Fall vor dem 30. April 2021 – umzusetzen.
So schlägt etwa die Thermalbad Zurzach AG ihren Aktionären anlässlich der kommenden Generalversammlung vom 21. Oktober 2020 im Rahmen von Traktandum 6 vor, die bisherigen «Papieraktien» (Inhaber- und Namenaktien) in neue Namenaktien der Kategorie A (Nominalwert 400 CHF, OTC-Listing) und B (Nominalwert 80 CHF, kein Listing) umzuwandeln und diese neuen Namenaktien als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes auszugestalten. Damit ist die Handelbarkeit der «grossen» Thermalbad-Zurzach-Aktien auf OTC-X auch künftig gesichert.
Der Finanzdienstleister Bondpartners SA mit Sitz in Lausanne hat seine bisherigen Inhaberaktien mit GV-Beschluss vom 27. Mai 2020 zwischenzeitlich auch in Namenaktien in Form von Bucheffekten umgewandelt. Auf der OTC-X-Plattform werden seit dem 24. Juli 2020 nach erfolgter Umstellung die neuen Namenaktien gehandelt.
Aktionärsfreundlich ebenfalls die am 10. Juni 2020 von der GV beschlossene Umwandlung der bisherigen Vorzugs-Inhaberaktien der SIA-Haus AG in neue Vorzugs-Namenaktien. Betroffene SIA-Haus-Aktionäre, deren Aktien in einem Schweizer Bankdepot verwahrt waren bzw. sind, dürften von der Umwandlung – abgesehen von einem Bankschreiben zur Titelumbuchung – kaum etwas mitbekommen haben. Der Umtausch in neue Namenaktien, die weiterhin auf OTC-X gehandelt werden, ist geräuschlos abgelaufen, und für die Aktionäre hat sich praktisch nichts geändert.
Besonderheit Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft
Die meist nur in kleinen Stückzahlen auf OTC-X gehandelte und schon vor der Umwandlung der Aktiengattungen wenig liquide Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft AG (ZSG), eine klassische «Liebhaberaktie», dürfte insofern noch eine Besonderheit darstellen, da es dort aus der Historie viele physische Aktienverwahrer gibt. Die Wurzeln der heutigen Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft AG reichen zurück bis ins Jahr 1890, das als offizielles Gründungsjahr der Gesellschaft gilt. Unter dem historischen Namen «Zürcher Dampfboot-Aktien-Gesellschaft» wurde eine AG errichtet, um die damals drohende Einstellung des Schiffsbetriebes auf dem Zürichsee zu verhindern. Ursprünglich zur Gründung – und später in weiteren Emissionen – wurden Inhaberaktien «aus Papier» im Publikum plaziert. Insbesondere die Emissionen aus der Gründerzeit der Gesellschaft, im Grundsatz bis heute gültig (müssen ebenfalls umgetauscht werden), sind zudem besonders dekorativ gestaltet.
Mittlerweile hat die ZSG den Umtausch für die in Bankdepots verwahrten ZSG-Aktien in Namenaktien vollzogen: Seit Ende Juli 2020 werden nur noch die neuen ZSG-Namenaktien auf OTC-X gehandelt. Die neuen ZSG-Aktien werden als Wertrechte ausgegeben und als Bucheffekten geführt. Das bedeutet auch, dass die neuen Namenaktien – anders als früher die Inhaberaktien – nicht mehr in Form von physischen Aktien gehalten werden können. Allerdings bietet die ZSG ihren Aktionären mit bisher physischen Aktien bei der Verwahrung der neuen Namenaktien – ebenfalls sehr aktionärsfreundlich gestaltet – die beiden Varianten «Aktionärsdepot/Aktienregister» oder «Bankverwahrung» an. Im Fall des «Aktionärsdepots» muss der betroffene Aktionär seine bisherigen Inhaberaktien bei der Gesellschaft einreichen und die Eintragung ins Aktienregister bei der Gesellschaft beantragen. Die neuen Namenaktien werden dann in einem Aktionärsdepot beim Aktienregister der ZSG geführt. Alternativ können Aktionäre ihre ZSG-Inhaberaktien auch zwecks Umtausch in neue Namenaktien bei ihrer Hausbank einreichen. Die Aktien werden dann von der Bank in neue Titel umgetauscht und im Depot des Kunden verbucht.
Über den interessanten Sonderweg der LSB Grindelwald Pfingstegg AG hatten wir bereits im Juni auf www.schweizeraktien.net berichtet. Die Gesellschaft hält auch künftig an nicht kotierten Inhaberaktien fest und stützt sich dabei auf die Ausnahmeregelungen im Sinne Art. 622 Abs. 1bis und 2bis OR. Inhaberaktien bleiben weiterhin erlaubt, solange die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes vom 3. Oktober 2008 ausgestaltet und bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind. Die LSB Grindelwald-Pfingstegg AG hat im Handelsregister eintragen lassen, dass die Gesellschaft sämtliche Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des Bucheffektengesetzes ausgestaltet hat und daher befugt ist, Inhaberaktien zu halten (SHAB-Publikation vom 10. Juni 2020).
Umwandlungen, die nicht aktionärsfreundlich sind
Doch es gibt auch Fälle von Umwandlungen von Inhaber- in Namenaktien, die aus Aktionärssicht mit Blick auf die Handelbarkeit ihrer Anteile auf OTC-X weniger aktionärsfreundlich ausgestaltet sind als die genannten Beispiele.
Eine Umwandlung von bisher OTC-gelisteten Inhaberaktien in neue Namenaktien beinhaltet grundsätzlich auch das Risiko, dass die Aktien der betroffenen Gesellschaften nach Umwandlung – wenn etwa keine verbrieften Bucheffekten geschaffen werden und nur ein internes Aktienbuch geführt wird – nicht mehr handelbar sind. Ein unerfreulicher „Kollateralschaden“ der aktuellen Entwicklungen. Der nur wenige Monate zurückliegende Fall der vormals auf OTC-X gelisteten Brauerei Falken AG fällt etwa in diese Kategorie, bei der eine Umwandlung auch dazu genutzt wurde, die Handelbarkeit von bisher marktgängigen Anteilen in nicht sehr aktionärsfreundlicher Weise erheblich zu erschweren.
Aktien nicht mehr handelbar
Bei der Niederhornbahn AG führte die Umstellung auf Namenaktien zum OTC-X-Abschied mit Ablauf des 17. Juli 2020 (schweizeraktien.net vom 8. Juli 2020).
Eingestellt wurden aufgrund der GAFI-bedingten Umwandlung der Aktiengattungen in den letzten Wochen auch die OTC-X-Notierungen der ausserbörslichen «Aktienspezialitäten» Personenaufzug Matte-Plattform AG (OTC-X-Handelseinstellung per 15. September 2020) sowie der Aare-Seeland Mobil AG. Zur Aare-Seeland Mobil AG gehört seit der Fusion 2003 auch die ehemalige Ligerz-Tessenberg-Bahn am westlichen Bielerseeufer. Heute verkehrt die kleine Bahn in den Bielersee-Weinbergen, die zugleich das Einstiegsbild in diesen Blog-Beitrag darstellt, als «vinifuni».
Nicht mehr auf OTC-X gehandelt werden seit Anfang Oktober auch die seit vielen Jahren illiquiden «Liebhaber-Aktien» des Regionalverkehrsunternehmens Regionalverkehr Bern-Solothurn AG (RBS) nach der im Sommer vollzogenen Umwandlung der bisherigen Inhaber- in Namenaktien. Der RBS ist im Jahr 1984 aus der Fusion der Vereinigten Bern-Worb-Bahnen und der Solothurn–Zollikofen–Bern-Bahn entstanden. Bei der RBS sind nur noch 6% des Aktienkapitals im Streubesitz, der Rest verteilt sich auf den Bund sowie weitere kantonale und kommunale Aktionäre im Einzugsgebiet des Unternehmens (Link zum RBS-Aktionariat).
Diese Gesellschaften führen künftig, wie auch die Brauerei Falken AG und die Niederhornbahn AG, ausschliesslich ein internes Aktienbuch und verzichten auf eine Umwandlung in Bucheffekten. Damit sind die Titel nicht mehr depotfähig – und damit auch nicht mehr handelbar.
Bei der Graubündner Tourismusunternehmung Savognin Bergbahnen AG mit zwei auf OTC-X gelisteten Inhaber-Gattungen steht «voraussichtlich im Mai 2021» (Anschreiben an Aktionäre und Partizipanten von Anfang Oktober 2020) der Umtausch der Inhaber- in Namenaktien bzw. der Inhaber- in Namenpartizipationsscheine auf der Agenda. Bisher hat es noch keine Generalversammlung gegeben, die darüber einen Beschluss gefasst hat. Die Gesellschaft kündigt vorab an, dass künftig «keine eigentlichen Aktien resp. Partizipationsscheine in Form eines Wertpapiers mehr ausgestellt» werden. Auch werden die Aktionäre und Partizipanten der Savognin Bergbahnen AG darüber informiert, dass «die neuen Titel im Gegensatz zu den bisherigen Inhaberaktien resp. Partizipationsscheinen nicht mehr ausserbörslich über die Handelsplattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt werden können.»
Fazit
Die obigen Beispiele – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – veranschaulichen, wie unterschiedlich die von der verschärften GAFI-Thematik betroffenen OTC-Gesellschaften die vom Gesetz – abgesehen von wenigen Ausnahmen – vorgeschriebene Umwandlung in Namenaktien praktisch angehen. Es gibt Fälle, in denen die Handelbarkeit der Aktien der OTC-X auch weiterhin – mehr oder weniger nahtlos – gewährleistet ist. Die Aktionäre dieser Gesellschaften merken in diesen Fällen praktisch kaum etwas von der Umwandlung in neue Namenaktien bzw. von der Umstellung auf Bucheffekten, da dies im Hintergrund abläuft und in erster Linie eine «technische» Angelegenheit ist.
Leider häufen sich aber, wir hatten dies bereits im Juni befürchtet, auch jene Fälle, bei der eine Umwandlung dazu genutzt wurde und wird, um die Handelbarkeit von bisher marktgängigen Anteilen in nicht sehr aktionärsfreundlicher Weise erheblich zu erschweren bzw. faktisch sogar zu verunmöglichen. Die Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen betroffener Gesellschaften sollten auch diesen Aspekt – aus der Aktionärsperspektive – ins Kalkül ziehen, wenn die Handelbarkeit auf OTC-X künftig nicht länger gegeben ist.
Die Beispiele von Thermalbad Zurzach, SIA-Haus, Bondpartners, Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft oder LSB Grindelwald-Pfingstegg AG zeigen aber auch auf, dass es gute und zugleich aktionärsfreundliche Alternativen zu einem ausschliesslich internen Aktienregister unter Verzicht auf eine Umwandlung der neuen Namenaktien in Bucheffekten gibt. Darüber sollten Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder im Interesse der unabhängigen Aktionäre intensiv nachdenken, wenn die (vom Gesetz vorgegebene) Entscheidung zu einer Umwandlung in Namenaktien und deren technische Umsetzung gekommen ist.