Die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2020/21 (beginnend am 1. April) der Plaston Gruppe war geprägt von Höhen und Tiefen. Die Monate April und Mai zeigten Nachfrageeinbrüche, Produktionsreduktionen und äusserst schwierige Aussichten. Im Laufe des Sommers kehrte wieder eine gewisse Normalität ein, und starke Umsätze insbesondere bei den Luftreinigungsgeräten von Boneco kompensierten die Tiefen. Im Anfang November versendeten Aktionärsbrief kann Plaston deshalb sogar ein gegenüber der Vorjahresperiode verbessertes Nettoergebnis fürs erste Halbjahr von 0.9 Mio. CHF (Vorjahr: -1.4 Mio.) vermelden. Im Gespräch mit schweizeraktien.net blicken Jörg Frei, Verwaltungsratspräsident der Plaston Gruppe, Hansruedi Lanker, CFO der Plaston Gruppe, und Alexander Gapp, CEO der Plaston AG, auf das turbulente 2020 zurück und diskutieren zukünftige Entwicklungen.
Seit Anfang Jahr diktiert die Covid-19 Pandemie unseren Alltag. Durch den Fertigungsstandort in China war Plaston schon früher von Covid-19 betroffen als die meisten anderen Schweizer Unternehmen. Wie hat Plaston dieses bisher sehr aussergewöhnliche Jahr 2020 erlebt und überstanden?
Alexander Gapp: In China hat uns die Corona-Krise mitten in den Ferien anlässlich des Chinesischen Neujahrs erwischt. Der Betrieb musste deshalb eine Woche länger als geplant geschlossen bleiben, bevor wir Anfang Februar mit der Hälfte der Belegschaft die Produktion wieder gestartet haben. Damit verbunden waren natürlich erhebliche Umsatzeinbussen. Die restlichen Mitarbeitenden waren in diversen Provinzen Chinas in Quarantäne. Im März konnte die Produktion wieder in Normalbetrieb zurückkehren. Dabei blieben Umsatzrückgänge bestehen, da viele der chinesischen Kunden ihre Produkte exportieren und die Produktion mit zunehmender Ausdehnung der Pandemie zurückfuhren. Sowohl in China als auch in den europäischen Werken haben wir ab Juni eine Erholung erlebt. Das zweite Quartal unseres Finanzjahres (Juli bis September) war sowohl seitens Umsatz als auch vor allem bezüglich Profitabilität eine gute Periode.
Neben China ist Plaston in Tschechien, den USA und der Schweiz vertreten. Wie läuft der Betrieb aktuell an den verschiedenen Standorten? Business as usual oder Ausnahmesituation?
April und Mai waren in allen drei Werken zwei schwierige Monate mit deutlichen, zweistelligen Umsatzeinbussen. Das Geschäft läuft seit Juli wieder im normalen Rahmen, jedoch unter Einhaltung rigoroser Schutzkonzepte, welche deutlich über die jeweiligen nationalen Forderungen hinausgehen. Insofern unternehmen wir alles Mögliche, damit das Coronavirus keinen Einfluss auf unsere Lieferfähigkeit hat. In China haben wir gegenüber dem Vorjahr im 2. Quartal ein zweistelliges Wachstum erlebt, mit einem Rekordumsatz im September. In Tschechien wurde im Oktober der beste Drittumsatz jemals verzeichnet. Trotz dieses positiven Szenarios bleibt die Zukunft jedoch ungewiss. Vieles hängt von der weiteren Entwicklung der Krise und den Massnahmen zur Bekämpfung ab.
Im Anfang November verschickten Aktionärsbrief führen Sie das Wachstum in China unter anderem auf die Elektromobilität zurück. Wie ist der Stand der Dinge in diesem Bereich?
Seit zwei Jahren engagieren wir uns stark im Bereich Elektromobilität und haben uns gut etabliert. Wir beliefern drei Hersteller von Ladestationen mit Kunststoffteilen. Das sind der Handgriff und die Wandstationen, welche beispielsweise in Garagen montiert werden können. In diese Teile oder Baugruppen muss der jeweilige Hersteller nur noch die Elektronik einbauen. Momentan liegt der Fokus noch auf China, der Markt bietet jedoch global Expansionsmöglichkeiten.
Bislang war das Gruppenergebnis geografisch sehr breit abgestützt, die Schweiz war mit rund einem Drittel des Umsatzes der grösste Markt. Nun wurde die internationale Positionierung gestärkt. Die Boneco als Tochter der Gruppe akquirierte im Geschäftsjahr 2019/20 die US-amerikanische Envion und konnte per Beginn der laufenden Periode die Shenzhen Aisidi als Master Distibutor in China gewinnen. Was sind Ihre Ziele in den Fernmärkten?
Jörg Frei: Der Umsatzanteil in den USA ging in den letzten Jahren im Zusammenhang mit einer Markenumstellung stärker zurück als wir uns erhofft hatten. Durch die Übernahme der Envion gleicht sich dies wieder an. Mit Envion können wir zudem die Position im mittleren Preissegment stärken. In China haben wir die Übergabe des Geschäfts an einen Partner gewählt, da wir davon ausgehen, dass in China ein lokal ansässiges Unternehmen den Markt besser entwickeln kann.
Welche Verteilung der Umsätze auf die verschiedenen Märkte streben Sie an?
Seit längerer Zeit schon streben wir eine gleichmässige Verteilung von je einem Drittel des Umsatzes auf unsere drei Hauptmärkte Nordamerika, Europa und Asien an. Innerhalb der Plaston AG und der Boneco kann es gewisse Verschiebungen geben. Ein Beispiel dafür ist das für uns relativ neue Geschäft der Elektromobilität, welches aktuell noch hauptsächlich in China stattfindet. Mittelfristig hoffen wir, dass wir uns dank unserer Erfahrung aus dem chinesischen Markt auch in Europa gegen die Konkurrenz behaupten und Fuss fassen können.
Können Sie diesen Markt beziffern?
Alexander Gapp: Unser grösster Elektromobilitätskunde ist mittlerweile unser zweitwichtigster Kunde in China. Dabei erzielen wir auch sehr erfreuliche Margen.
Da die gute Durchlüftung von Räumen bei der Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus hilft, steigt momentan die Nachfrage nach Belüftungsgeräten. Wie macht sich dieser Trend bei der Luftbehandlungsspezialistin Boneco bemerkbar?
Hansruedi Lanker: Die akquirierte Envion in den USA ist auf Luftreinigungsgeräte spezialisiert, welche uns momentan regelrecht aus den Händen gerissen werden. Der Umsatz mit den Envion-Geräten hat sich gegenüber der Vorjahresperiode mehr als verdoppelt. Die Produkte von Boneco und Envion treffen sicher das Bedürfnis nach hygienischer Luftreinigung perfekt.
Jörg Frei: Die Envion-Geräte vernichten Keime, Bakterien und Viren zusätzlich auch durch UV-Licht, was ein Vorteil gegenüber den meisten anderen Luftreinigern darstellt und sehr gut ankommt.
Mit der Aufnahme von Ventilatoren ins Sortiment von Boneco sollte den saisonalen Einflüssen auf das Geschäft entgegengewirkt werden. Welche Auswirkung hat die Ventilatoren-Aufnahme bewirkt?
Hansruedi Lanker: Auch bei den Ventilatoren blicken wir auf eine tolle, zweite Saison zurück. Obwohl wir Bedenken gehabt hatten, ob die Nachfrage wegen Corona und Angst vor zu starker „Bewegung“ der Luft nicht zurückgehen würde, waren auch unsere Ventilatoren ausverkauft. So konnten wir innert kurzer Zeit das Sommer-Ganzjahresgeschäft auf ein ähnliches Umsatzniveau wie das Wintergeschäft bringen.
Trotz einem zweistelligen Umsatzrückgang erwirtschaftete die Plaston AG als zweite Tochter der Plaston Gruppe in Tschechien ein gegenüber dem Geschäftsjahr 2018/19 verbessertes Ergebnis, vor allem dank des Effizienzprogramms «Everest». Im Sommer 2019 wurde das Programm nun auch in Widnau lanciert, um auf das Negativwachstum bei den zwei grössten Koffer-Kunden zu reagieren. Welche Massnahmen haben Sie bereits umgesetzt, und was sind Ihre Erwartungen ans Projekt «Everest» in der Schweiz?
Alexander Gapp: Dank gut funktionierenden und modernen IT-Systemen haben wir hohe Transparenz bei den Kennzahlen und können sehr genau eruieren, wo noch Verbesserungspotenzial besteht. Wir haben das Projekt in allen Werken lanciert, in Widnau aufgrund der Einführung der neuen Koffergeneration zu einem etwas späteren Zeitpunkt. Seit Herbst 2019 haben wir etwa 200 Einzelprojekte umgesetzt und so die Wirtschaftlichkeit deutlich verbessert. Die Themen sind sehr vielfältig, beispielsweise Materialauswahl, Zykluszeit oder Produktivität. Eine der wichtigsten Massnahmen war die Reduktion des Personalbestandes um 25 Mitarbeitende in der Schweiz.
Die Plaston AG musste bei den beiden grössten Schweizer Koffer-Kunden im Finanzjahr 2018/19 ein empfindliches Negativwachstum verzeichnen. Wie wirken Sie diesen Umsatzeinbussen entgegen?
Zum einen haben wir wie erwähnt mit Effizienzsteigerungen im Rahmen des Projekts «Everest» entgegengewirkt. Zum anderen haben wir aktiv für eine Erholung der Umsätze gekämpft, was auch gelungen ist. Zudem versuchen wir, mit Innovation zu trumpfen. Seit vier Jahren befasst sich ein eigenes Innovations-Team mit der Zukunft des Kunststoffes und versucht, künftige Bedürfnisse unserer Kunden zu identifizieren. Hier sind wir in einigen Projekten ziemlich weit fortgeschritten und optimistisch, diese in den nächsten Jahren umsetzen zu können.
Eine erwähnenswerte Innovation ist die, dass wir es als weltweit erstes Unternehmen geschafft haben, einen Koffer nach UN-Norm zertifizieren zu lassen. Dies bedeutet für unsere Kunden, ein Produkt zu haben, bei dem sie Akku-Werkzeuge zusammen mit dem Akku transportieren können, was eine erhebliche Reduktion der Logistikkosten mit sich bringt.
Wie beurteilen Sie die Gefahr der Substituierung der Kunststoffprodukte durch neue Technologien und Materialien?
In unserem Geschäftsbereich ist ein Ersatz des Kunststoffes in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht absehbar. Wir beschäftigen uns auch intensiv mit der 3D-Technologie, diese ist momentan jedoch noch nicht bereit, um die benötigten Mengen produzieren zu können und noch sehr weit weg. Für die Zukunft sehen wir 3D aber nicht nur als mögliches Substitut, sondern auch als potenzielle Synergie.
Nach einer Dividende von 100 CHF je Aktie in den vergangenen Jahren verzichten Sie für das Geschäftsjahr 2019/20 in Anbetracht des auf allen Stufen tieferen Ergebnisses auf eine Ausschüttung an die Aktionäre. Wie wird Ihre Dividendenpolitik in Zukunft aussehen?
Jörg Frei: Grundsätzlich halten wir an der bisherigen Dividendenpolitik fest. Das heisst, dass wir einen Drittel des Nettoergebnisses als Dividende ausschütten. In der Vergangenheit haben wir auch schon eine Dividende von 100 CHF ausgeschüttet, obwohl dies mehr als ein Drittel des Ergebnisses bedeutete. Dies geschah vor allem als Anerkennung an die Aktionäre für ihr Vertrauen.
Hansruedi Lanker: Dieses Jahr musste auch die generelle Lage berücksichtigt werden. Mit allen Unsicherheiten im Frühjahr haben wir alles getan, um unsere Liquidität hochzuhalten und zu stärken. In Anbetracht der Situation war dies eine vernünftige Entscheidung, dafür konnten wir auf den Bezug eines Covid-Notkredites verzichten.
Sie haben einen ausführlichen Code of Conduct definiert, eine Seltenheit im OTC-X Bereich, mit Vorgaben zu Themen wie ethischem Verhalten, Menschenrechten und Umwelt. Wie engagieren Sie sich in diesen Bereichen und generell in Sachen Nachhaltigkeit?
Alexander Gapp: Wir haben den Code of Conduct an allen Standorten von unseren Mitarbeitenden unterschreiben lassen. Dasselbe haben wir auch mit unseren Lieferanten gemacht und bei allen Parteien darauf hingewiesen, dass wir eine sehr niedrige Toleranzgrenze haben. Bezüglich Nachhaltigkeit treiben wir uns selber an, aber auch unsere Kunden fordern uns. Dies führt zu stetigen Weiterentwicklungen zum Wohle der Umwelt. Gerade in den letzten Jahren haben wir viel in den Bereich Nachhaltigkeit investiert. Beispielsweise haben wir 60% unserer Spritzgussmaschinen ausgewechselt, wobei die neuen Maschinen 50-60% weniger Strom verbrauchen. Seit diesem Jahr haben wir auch einen eigenen Sustainability-Officer, der direkt an den CEO berichtet.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Aktien der Plaston Gruppe werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Der letztbezahlte Kurs liegt bei 4’450 CHF und somit um 10,6% über jenem zu Jahresbeginn. Insbesondere seit der Bekanntgabe des guten Resultates im ersten Halbjahr 2020/21 hat der Titel kräftig zugelegt.
Mitarbeit: Daniel Eichenberger