Der Gewinn kommt aus der Kälte. Warme Winter verhageln so manch einem Energieunternehmen das Jahresergebnis. Also will man einen kalten Winter. Aber im Falle der WWZ AG und ihrem Generationenprojekt Circulago ist ein allzu kalter Winter auch nicht erwünscht. Denn der verhagelt wiederum die CO2-Bilanz. Und die steht im Zentrum von Circulago. Aber dazu später.
Im April 2020 hat WWZ die erste Quartierzentrale – und damit Circulago – offiziell in Betrieb genommen. „Circulago leistet einen wesentlichen Beitrag zur regionalen erneuerbaren Energiezukunft und unterstützt die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft, denen das Zuger Stimmvolk 2011 zugestimmt hat“, schreibt WWZ. Ziel sei es, im Endausbau um 2040 pro Jahr 25’000 Tonnen CO2 einzusparen. Bis dahin werden über 100 Mio. CHF in das Projekt investiert.
Wärme und Kälte aus dem Zugersee
Die Energie für Circulago stammt aus dem Zugersee. Über eine unterirdische Leitung gelangt das Seewasser in einem geschlossenen Kreislauf zur Seewasserzentrale. Dort übergibt ein Wärmetauscher die erzeugte Energie an einen zweiten Kreislauf. Gleichzeitig gelangt das Seewasser wieder zurück in den Zugersee, es zirkuliert. Ein unterirdisches Verteilnetz erstreckt sich über die gesamte Stadt Zug und leitet die Energie an «Quartierzentralen» weiter. An diese Zentralen sind wiederum kleinere und grössere Wärmenetze angeschlossen, die Endverbraucher mittels Wärmeübergabestation mit Energie versorgen. WWZ-CEO Andreas Widmer: «WWZ engagiert sich seit ihren Anfängen vor mehr als 125 Jahren für visionäre Versorgungsprojekte in der Region. Mehr denn je erachten wir es heute als unserer Mitverantwortung, eine proaktive, tragende Rolle bei der Umsetzung von Energielösungen für die kommenden Generationen zu übernehmen.»
Weitere Bauetappen
Das Projekt kommt trotz Corona planmässig voran. Aktuell sei die Quartierzentrale Lüssi in Bau (Inbetriebnahme Sommer 2021), die Quartierzentrale Grafenau zur Versorgung des gleichnamigen Businessparks in der Ausführungsphase (Einbau der Wärmepumpe), und die Quartierzentrale Unterfeld, wo ein neues Wohnquartier zwischen Zug und Baar entsteht, in Planung. Für diverse weitere Quartierzentralen wie Neustadt und Guthirt liefen Machbarkeitsstudien, so Robert Watts, Leiter Kommunikation bei WWZ gegenüber schweizeraktien.net.
Metalli macht den Anfang
Als erstes wurde im April das Geviert Metalli des in der Region tätigen Immobilienunternehmens Zug Estates an den Seewasserverbund Circulago angehängt. In den kommenden Jahren und bis spätestens 2025 sollen auch die anderen Gebäude des Zentrumsareals angeschlossen werden, so Peter Wicki, Leiter Entwicklung und Bauprojekte bei Zug Estates.
Das Unternehmen habe sich das Ziel gesteckt, das gesamte Immobilienportfolio ohne CO2-Emissionen zu betreiben. Nicht nur neu realisierte Gebäude, sondern alle Liegenschaften im Bestand sollten hinsichtlich dieses Ziels optimiert werden. «Dabei verfolgen wir den Ansatz Zero-Zero. Betrieb des Portfolios ohne CO2-Emissionen und möglichst ohne zusätzliche Energiezufuhr von aussen», so Wicki.
Das Portfolio der Zug Estates werde somit in ein paar Jahren mit dem Anschluss aller Gebäude im Zentrumsareal an Circulago praktisch bei null CO2 Ausstoss sein. «Voraussetzung für eine vollständige Null ist es, dass die Spitzen nicht mit fossilen Brennstoffen abgedeckt werden. Es steht eine Gasheizung im Einsatz, welche die Wärme-Bedarfsspitzen deckt. Eine Möglichkeit wäre es, diese Gasheizung mit Biogas zu betreiben», sagt Wicki gegenüber schweizeraktien.net.
Spitzenabdeckung durch Erdgas
Für die Spitzenabdeckung an sehr kalten Tagen oder für die Überbrückung und Versorgungssicherheit bei Wartungsarbeiten oder Betriebsunterbrechungen setzt WWZ derzeit noch auf Erdgas. WWZ habe noch keine langjährige Erfahrung mit dem Betrieb des Energieverbunds Circulago, sagt Kommunikationschef Watts. «Auf Basis der sehr konservativen Kalkulationen werden im Jahresdurchschnitt mindestens 70 Prozent der Wärmeenergie mittels Wärmepumpen CO2-frei generiert, wir gehen aber davon aus, dass die Erneuerbarkeit in der Praxis bei über 80 Prozent liegen wird.»
Wie viele Gebäude im Endausbau 2040 dann angeschlossen sein werden, hänge von der effektiven Leistungsnachfrage der versorgten Liegenschaften ab – ausgelegt sei der Verbund auf rund 70 GWh/Jahr, was konservativ gerechnet einer Fläche von 600’000 bis 900’000 Quadratmetern entspricht, aber schliesslich abhängig vom energetischen Zustand der angeschlossenen Gebäude sei, so Watts. «Wir gehen im Endausbau von rund 450 Gebäuden aus.»
Grosses internationales Interesse
Das Wärme- und Kälteprojekte Circulago erzeugt auch überregional grosses Interesse. «Wir haben etliche Führungen für Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz sowie aus dem umliegenden Ausland durchgeführt. Meist waren dies Fachleute und politische Gremien, Businessclubs usw., aber auch Private zeigten ein grosses Interesse an unseren Circulago-Baustellenführungen. 2019 besuchte gar eine Delegation aus Japan den Energieverbund Circulago», freut sich Watts.
Fazit
Die Arbeiten am Generationenprojekt laufen nach Plan. Circulago übertrifft die gängigen gebäudeenergetischen Anforderungen, insbesondere jene der MuKEn 2014 (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich) und ist damit eine zukunftssichere Versorgungslösung für Wärme und Kälte im Raum Zug.
Noch ist man allerdings vom Ziel einer Null-CO2-Emission ein Stück entfernt. Kältespitzen müssen mit Erdgas abgefangen werden. Wenn hier dereinst Biogas zum Einsatz kommt, wird das Ziel weitgehend erreicht sein.
Circulago ist ein Modell für Gemeinden mit Seeanstoss. Flusswasser kann (und wird bereits) für die Erzeugung von Heiz- oder Kühlenergie bei kleineren Energieverbünden eingesetzt. In den Sommermonaten ist die Kühlleistung jedoch nur eingeschränkt möglich, da Flüssen nicht unbegrenzt Kälte entzogen werden darf. Auch stehen Flüsse aufgrund wechselnder Wasserpegel nicht immer zuverlässig als Energiequelle zur Verfügung.
Der Mensch hat schon immer die Energie des Wasser genutzt. Wasser treibt Mühlen an, erzeugt Elektrizität, das Abwasser von Kläranlagen wird zur Wärmegewinnung genutzt – jetzt kommt mit der Energiegewinnung aus Seewasser eine weitere, umweltfreundliche Nutzung dazu.
Die Aktien der WWZ AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 13’680 CHF für eine Aktie bezahlt. Auch die Namenaktien Serie A der Zug Estates werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt notierten sie zu 199 CHF. Die Namenaktien Serie B zu nominal 25 CHF sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt stand die Aktie bei 2’010 CHF.