Nachhaltigkeit bei Bergbahnen: Symptom- statt Ursachenbekämpfung

Kleinere Bergbahnen gehen als Vorbild voran

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Einmal mehr mussten Schweizer Skigebiete 2020 um die wichtigste Woche ihres Jahres bangen. Rund einen Viertel des Geschäfts einer Wintersaison generieren Schweizer Bergbahnen jeweils über die Festtage. Mit der Covid-19-Pandemie und einer möglichen Schliessung der Skigebiete richtete sich das Hauptaugenmerk diese Saison für einmal auf die Politik und mögliche epidemiologische Massnahmen. Dass der Skibetrieb in vielen tiefer gelegenen Gebieten im Dezember durch steigende Temperaturen und ausbleibende Schneefälle jedoch schon seit längerem zunehmend in Gefahr gerät, rückte dabei in den Hintergrund.

2018 hat das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz in Zusammenarbeit mit Kräften aus der Wissenschaft neue Klimaszenarien für die Schweiz (CH2018) definiert. Die CH2018 gehen bis 2060 von einer Mitteltemperaturerhöhung im Winter von +2 bis +3.5 Grad Celsius aus, sofern keine umfassenden Bemühungen zum Klimaschutz umgesetzt werden. Dies hätte einen Anstieg der Nullgradgrenze um 400 bis 650 Meter zur Folge. Im Negativszenario entspräche dies konkret einem Anstieg der Nullgradgrenze von aktuell 850 auf knapp 1’500 Meter über Meer. Durch umfassende, global stattfindende Massnahmen und baldiger CO2-Neutralität könnten die Auswirkungen auf die Schweiz laut den CH2018 zwar halbiert, die Klimaerwärmung jedoch nicht gänzlich gestoppt werden. Was also unternehmen Schweizer Bergbahnunternehmen, um ihr Geschäft und Fortbestehen nachhaltig zu sichern?

Solarenergie im Trend

Viele Bergbahnen haben mittlerweile die Dringlichkeit von Nachhaltigkeitsbemühungen erkannt. Die Brunni-Bahnen Engelberg wurden 2018 von der Klimaschutzstiftung myclimate als erstes Schweizer Bergbahnunternehmen als klimaneutral ausgezeichnet. So bezieht das Unternehmen unter anderem seit der Installation von Solarziegeln auf dem Dach des Berglodge-Restaurants Ristis rund 15% des ganzjährigen Strombedarfs aus eigenen Solarkraftwerken.

Solarenergie erfreut sich aktuell generell grosser Beliebtheit in den Schweizer Bergen. So verfügen beispielsweise auch die Zermatt Bergbahnen, die Stanserhorn-Bahn oder die Luftseilbahn Jakobsbad-Kronberg über eigene Photovoltaik-Anlagen. Letztere geht dabei mit ihrem Solarfaltdach einen eigenen Weg. Bei schönem Wetter überdacht die weltweit einmalige Anlage den Parkplatz und produziert Solarstrom; bei Wind, Regen oder Schneefall wird das Solardach automatisch eingefahren. Die Hälfte der 1’320 Solarpanels wird von der Luftseilbahn und dem Energieversorgungsunternehmen SAK genutzt, für die andere Hälfte können interessierte Gäste Nutzungsrechte kaufen.

Das weltweit einmalige Solarfaltdach der LSB Jakobsbad-Kronberg produziert Solarstrom für durchschnittlich 70 Haushalte. Bild: LSB Jakobsbad-Kronberg

Auch die Niesenbahn bietet ihren Kunden die Möglichkeit, Klimaschutz lokal und global zu fördern. Im Rahmen der Initiative «cause we care» von myclimate können sich Niesenbesucher mit einem freiwilligen Beitrag von einem Prozent beim Kauf einer Dienstleistung oder eines Produkts für nachhaltige Projekte engagieren. Die Niesenbahn verdoppelt anschliessend die Beiträge der Kunden.

«Grüner» Pistenbully senkt Kosten

Nebst der Umwelt können Investitionen in die Nachhaltigkeit auch das finanzielle Resultat eines Unternehmens positiv beeinflussen. Im Gebiet Arosa/Lenzerheide kommt seit Beginn der Wintersaison 2020/21 der «grüne» Pistenbully 600 E+ der Firma Kässbohrer zum Einsatz. Gemäss Herstellerangaben soll es sich dabei um das sauberste und leiseste Pistenfahrzeug auf dem Markt handeln. Durch seinen dieselelektrischen Antrieb und intelligentes Energiemanagement verspricht der Pistenbully 600 E+ eine Reduktion des Kraftstoffverbrauches und des CO2-Ausstosses um jeweils 20%. Der geringere Verbrauch schlägt sich positiv in den Betriebskosten nieder und könnte künftig noch an Bedeutung gewinnen, sollte eine Erhöhung der CO2-Abgabe auf Brennstoffen Tatsache werden. Trotz dieser auch finanziellen Anreize kommt der Pistenbully 600 E+ schweizweit erst in drei Skigebieten zum Einsatz.

Regionaler Fokus bei Grossprojekten

Obschon erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit bei vielen Bergbahnen Aufnahme in die Unternehmensphilosophie gefunden haben, werden sie häufig nicht konsequent umgesetzt. Gerade bei Grossprojekten spielen erneuerbare Energien oft noch eine Nebenrolle, Nachhaltigkeitsbemühungen finden in diesem Zusammenhang oftmals auf rein regionaler Ebene statt. Im Rahmen des rund 470 Mio. CHF teuren V-Bahn-Projektes in Grindelwald wurde zwar durch Berücksichtigung der Brutzeit von Schneehühnern oder dem Anlegen von Tümpeln für Geburtshelferkröten aktiv an einer möglichst guten Erhaltung der lokalen Biodiversität gearbeitet, weitergehende und über die selbst verursachten Probleme hinausgehende Investitionen wurden aber nicht unternommen. Der Fokus auf Regionalität spiegelt sich auch in der Auftragsvergabe wider. So wurden Aufträgen im Wert von rund 100 Mio. CHF an Unternehmen aus dem Berner Oberland vergeben und die regionale Wirtschaft gestärkt.

Vorbildlicher engagieren sich da die Titlis Bergbahnen im Rahmen ihres rund 100 Mio. CHF kostenden Grossprojektes «Titlis 3020». Mit dem Umbau der Bergstation sollen die CO2- und Feinstaubemissionen um 95%, der Strombedarf um 80% und der Wärmebedarf um 53% gesenkt werden.

Wie ein flach wachsender Kristall soll die Bergstation der Titlis Bergbahnen künftig aussehen. Die grössflächige Glasfassade verhilft durch passive Sonnenbeheizung zu einem umweltfreundlicheren Betrieb. Bild: Titlis Bergbahnen
Intensivierung des Sommergeschäfts

Vorreiter in Umweltaspekten sind aber häufig kleinere Bergbahnen. Die grossen Bahnbetriebe verfügen meist über besser ausgebaute Beschneiungsanlagen und können so die sinkende Naturschneesicherheit optimaler kompensieren. Bei kontinuierlich steigenden Temperaturen wird jedoch auch die technische Beschneiung irgendwann nicht mehr möglich sein. Viele Unternehmen haben deshalb begonnen, vermehrt ins Sommergeschäft zu investieren. Familienangebote, Themenwanderwege oder Mountainbike-Trails sind neu Trumpf. Dieser Trend zeigt aber auch auf, dass vielerorts hauptsächlich die Symptome anstelle der Ursache des Klimawandels bekämpft werden. Eine gleichmässigere Verteilung der Umsätze über das gesamte Jahr verbessert zwar die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Unternehmen, trägt jedoch wenig zur Erhaltung der Schneelandschaften und Gletscher bei. Dazu wären konsequentere Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Emissionsvermeidung vonnöten, gerade auch von den grossen Bergbahnen.

28’000 Mal um die Welt

Wie viel Potenzial zur Ursachenbekämpfung des Klimawandels bei Schweizer Bergbahnen bestehen würde, zeigt ein kurzes Zahlenspiel zum Skitourismus. Gemäss Angaben der Engadin St. Moritz Mountains AG verursacht ein Skitag im Engadin im Schnitt eine CO2-Emission von rund 7.5 Kilogramm pro Gast. Dies wiederum entspricht einem durchschnittlichen PKW (Diesel/Benzin-Mix, 8.8l/100km, Personenbelegung 1.6), welcher 56 Kilometer zurücklegt. Für die gesamte Schweiz wurden in der Wintersaison 2019/20 20.2 Mio. Skier-Days verzeichnet, also Ersteintritte an Liftanlagen pro Person und Tag, wobei Einzelfahrten von Fussgängern grundsätzlich nicht gezählt werden. Unter Annahme, dass die CO2-Emissionen pro Gast des Engadins nicht stark vom Schweizer Durchschnitt abweichen, resultiert für die ganze Schweiz ein durch Ski- und Snowboardsport verursachter CO2-Ausstoss von 151’500 Tonnen, äquivalent zu 1.1 Mrd. zurückgelegten Kilometern eines durchschnittlichen PKWs. Dies entspricht 28’280 Umrundungen der Erde am Äquator, 7.5 Mal der Distanz zwischen Erde und Sonne oder ungefähr der Strecke, die das Licht in einer Stunde zurücklegt.

Fazit

Die Anziehungskraft der Schweizer Berge stammt zu einem grossen Teil aus der intakten Natur. Dementsprechend haben auch die Bergbahnunternehmen hohe Anreize, sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einzusetzen. Umso erstaunlicher ist deshalb, dass zwar viele Unternehmen Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensphilosophie aufgenommen haben, eine konsequente Umsetzung aber häufig ausbleibt. Die Bergbahnen müssen und können die Klimaerwärmung nicht alleine bremsen, sollten als Hauptbetroffenen aber zumindest mit gutem Beispiel vorangehen. Aktuell kann dies nur von einigen meist kleineren Betrieben behauptet werden.

Um das Schweizer Klimaziel der Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 und Netto-Null bis 2050 zu erreichen, bräuchte es Massnahmen in grösserem Umfang. Vielerorts werden anstelle der Ursache bloss die Symptome des Problems bekämpft und aufgrund von fehlender Schneesicherheit vermehrt in den Ausbau des Sommergeschäfts investiert. Das verbessert zwar die wirtschaftliche Stabilität der Unternehmen, löst aber den Kern des Problems nicht. Durch geschickte Investitionen in die Nachhaltigkeit könnten Unternehmen durch Einsparungen von Treibstoffausgaben oder der Einspeisung von überschüssig produzierter Energie ins Stromnetz sogar noch finanzielle Vorteile erzielen.

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