Mit einer Performance von 200% in den letzten zwölf Monaten ragt die Aktie der Online-Apotheke Zur Rose an der Schweizer Börse einmal mehr heraus. Vergangene Woche löste eine Research-Studie der Bank of America einen Kursschub aus, der die Aktie aus dem Stand um 20% höher hievte. Ist es Zeit für Gewinnmitnahmen oder handelt es sich um eine Bestätigung der Investment-These?
Mitte Januar 2020 pendelte die Zur-Rose-Aktie um die 120 CHF, erst ab April folgte der erste Kursschub im Rahmen der Portfolioanpassungen im Lichte der heraufdämmernden Pandemie. Das Hoch wurde Mitte Juli bei 304.50 CHF erreicht. In den Sommermonaten war dann die Hoffnung aufgekeimt, dass es so schlimm mit Blick auf neuerliche Lockdown-Massnahmen wohl nicht mehr kommen würde. Zunehmend setzten nun die Anleger auf den sogenannten „Reflation Trade“. Vor allem Versorger, Banken, Industrie sollten von den Stimulierungsmassnahmen der Regierungen und der Notenbanken profitieren.
Korrektur und neuerliche Initialzündung
Die Zur-Rose-Aktie fiel in diesem Börsenumfeld im September und Oktober zweimal bis auf fast 200 CHF zurück. Doch ab Ende November – im Gleichschritt mit den steigenden Infektionszahlen – begab sich die Aktie auf einen neuerlichen Höhenflug. Das historische Juli-Hoch von 304.50 CHF wurde am 11. Januar 2021 erstmals überboten. Die Bank-of-America-Studie erschien am 12. Januar und löste einen Kurssprung bis auf 367 CHF in der Spitze aus. Dieser wurde wohl noch verstärkt durch das bereitwillige Aufgreifen der Einschätzungen der Bank of America durch die Finanzmedien in der Schweiz und in Deutschland.
Buy-Rating löst Kursrallye aus
Die Studie des Analysten Benjamin Lacaille betrachtet den europäischen Markt im Apotheken-Versandhandel, namentlich die in Frankfurt gehandelte Shop-Apotheke sowie die Zur Rose Group. Hohes Wachstum, Konsolidierungsgewinne, die Einführung des E-Rezeptes in Deutschland 2022 sowie die immer noch sehr geringe Online-Penetration im Apothekengeschäft in ganz Europa bilden den Hintergrund der „bullishen“ Einschätzung – alles Punkte, die den Lesern von schweizeraktien.net schon lange bekannt sind, beispielsweise aus der Evaluierung der Halbjahreszahlen 2020. Bei BofA handelt es sich um eine Ersteinschätzung, oder Aufnahme der „Coverage“, durch BofA mit dem Rating „Buy“. Das Kursziel für Zur Rose liegt bei 500 CHF.
Kooperation mit Novo Nordisk
Fast untergegangen sind zwei fast zeitgleiche Veröffentlichungen, die für Zur Rose und die Aktionäre relevant sind. Am 11. Januar machten Zur Rose und der dänische Weltmarktführer Novo Nordisk ihre Zusammenarbeit im Bereich Adipositas bekannt. Ziel ist das Bewusstsein für die Erkrankung zu schärfen und Zugang zu Informationen, Diagnose und Versorgung zu schaffen. Der Start erfolgt in Deutschland. Zukünftig soll die Zusammenarbeit auf weitere europäische Länder ausgeweitet werden. Weltweit sind 650 Mio. Menschen betroffen oder 13% der Weltbevölkerung. In Europa liegt die Quote bei 20%, in Deutschland bei 25%. Novo Nordisk ist seit Jahrzehnten Innovations- und Marktführer in den Indikationsgebieten Diabetes, Adipositas und Hormonstörungen. Die Marktkapitalisierung liegt bei 140 Mrd. Euro. Allein in Deutschland werden die Kosten für die Behandlung von Adipositas durch die Gesundheitssysteme auf 13 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Tendenz: stark steigend.
Der Freispruch
Die zweite Meldung stammt vom 13. Januar und betrifft den Freispruch des Angeklagten, Zur-Rose-CEO Walter Oberhänsli, vor dem Bezirksgericht Frauenfeld. Der Branchenverband der Apothekerinnen und Apotheker, PharmaSuisse, hatte gegen den Versand von rezeptfreien Arzneimitteln und Entschädigungen für elektronisch rezeptierende Ärzte geklagt. Nach der Urteilsverkündung kommentierte CEO Oberhänsli: „Das faktische Versandverbot von rezeptfreien Medikamenten wird mehr und mehr zu einem Relikt, welches im gegenwärtigen Umfeld als anachronistisch und in Corona-Zeiten sogar als gesundheitsschädigend zu beurteilen ist.“
Zahlen für 2020
Am 21. Januar gibt Zur Rose die vorläufigen Zahlen für das abgeschlossene Geschäftsjahr 2020 bekannt. Aufgrund der zahlreichen Akquisitionen und Erweiterungsinvestitionen sowie dem zunehmenden Ineinandergreifen der verschiedenen Segmente des Öko-Systems von Zur Rose ist mit deutlich gesteigerten Umsätzen zu rechnen. Die spannende Frage ist, ob es, wie angekündigt, gelungen ist, nunmehr wieder in der Gewinnzone zu operieren.
Fazit
Angesichts der europaweiten Expansion, der Einführung des E-Rezeptes im EU-Leitmarkt Deutschland 2022 sowie dem nachhaltigen Rückenwind für Online-Geschäftsmodelle durch die Pandemie scheint Zur Rose bestens positioniert, um den Wachstumsschub sogar beschleunigen zu können. Die entscheidende Kenngrösse für das weitere Wachstumspotenzial ist die Online-Penetrationsquote des Online-Versandhandels im Apothekenmarkt. Diese liegt mit 2% immer noch auf einem Niveau, das extrem steigerbar ist. Die Einführung des E-Rezeptes wird die Quote kräftig beflügeln, da die Digitalisierung der Prozesse der allgemeinen Kosteninflation im Gesundheitswesen entgegenwirkt. Mit dieser Perspektive vor Augen braucht es nicht viel Fantasie, um die Aktie bei 500 CHF zu sehen. Für längerfristige Investoren sind auch Kurse im vierstelligen Bereich nicht unmöglich. Allerdings sind nach 200% Jahresperformance auch zeitweilige Korrekturen durchaus wahrscheinlich.