Der AMG-Fonds Substanzwerte Schweiz wurde 2004 mit dem Ziel aufgelegt, den Investoren gute Anlagen im Schweizer Aktienmarkt zu vernünftigen Konditionen zu ermöglichen. Er zielt darauf ab, vorsichtig und unternehmerisch in erprobte, solide Schweizer Firmen zu investieren und damit eine ansprechende Rendite zu erwirtschaften. Das Portfolio besteht sowohl aus Bluechips als auch aus Mid- und Smallcaps bis hin zu einem OTC-Wert wie Holdigaz.
Mit Erhard Lee, Inhaber der AMG, spricht schweizeraktien.net über die Achterbahnfahrt an den Börsen im vergangenen Jahr, über Neuzugänge im Portfolio wie Sulzer und den Ausbau der Position IVF Hartmann sowie über das Investment in Holdigaz.
Herr Lee, wie viele Nerven hat Sie das vergangene Jahr gekostet?
Erhard Lee: Unnötig viele, wenn man den Jahresausgang betrachtet. 2020 war schon sehr belastend. Im Frühling konnten wir nicht abschätzen, wie Corona die Wirtschaft beeinträchtigt, wie viel wirklich stillsteht. Was mich vor allem enttäuscht hat, war, wie uneinig Europa gehandelt hat. Dass plötzlich wieder Grenzen errichtet wurden, hat mich in Geschichten zurückversetzt, die mir einst mein Grossvater erzählt hat.
Zum Glück hat sich die Belastung der Unternehmen stark in Grenzen gehalten, ausser natürlich bei den direkt von Corona betroffenen Firmen. Ich habe das noch nie erlebt, dass gewisse Unternehmen sozusagen zum Tode verurteilt wurden, während andere wie Zur Rose in den Himmel hochgejubelt wurden.
Wie sind Sie in dieser Zeit mit Ihrem Fonds umgegangen?
Es gab deutlich mehr Bewegung im Fonds. Wir hatten Absicherungen aufgebaut, aber dann leider zu lange mit der Auflösung gewartet. Ich hatte damit gerechnet, dass es nach der ersten Erholung nochmals bergab geht. Es gab allerdings keine Systemfehler wie in den Jahren 2002 oder 2008, sondern ein exogenes Intermezzo, dessen Einfluss man nicht abschätzen konnte.
Ich gehe davon aus, dass im Frühling die Problematik Corona zurückgehen wird. Dass wir z.B. wieder Tourismus haben werden, zunächst inländischen und europäischen.
Sie haben Sulzer neu in Ihr Portfolio aufgenommen. Warum?
Sulzer wird falsch verstanden. Die Aktie ist stark unterbewertet. Sulzer wurde in der Vergangenheit immer in Verbindung mit dem Erdöl- und Erdgasgeschäft gesehen. Das ist heute aber nur noch ein kleiner Teil des Geschäfts. Sulzer ist heute z.B. mit Pumpen für die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung gross im Geschäft. Darüber hinaus halte ich grosse Stücke auf das Management. Und nicht nur auf den CEO und die Finanzverantwortliche, sondern auch auf die Ebene darunter.
Sulzer ist exzellent rund um den Globus aufgestellt; ein Grossteil des Gewinns kommt aus dem Service- und Ersatzteilgeschäft. Das ist historisch so gewachsen, weil das Unternehmen rund um den Kraftwerksbau weltweit Niederlassungen gegründet hat. Das zahlt sich heute voll aus.
Die Aktie bewegt sich derzeit um 100 CHF, was meines Erachtens aber viel zu billig ist. Mein Ziel ist eine Verdopplung des Kurses in den nächsten fünf Jahren.
Eines der grössten Investments des Fonds ist IVF Hartmann. Was überzeugt Sie von diesem Unternehmen?
Wir sind seit Auflegung des Fonds in dieser Position investiert und haben sie über die Jahre immer weiter ausgebaut. Der Grund dafür liegt in der demografischen Entwicklung der Bevölkerung, in der Überalterung. Das führt dazu, dass die Produkte von IVF Hartmann immer mehr gebraucht werden. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie stark das Unternehmen positioniert ist. IVF Hartmann profitiert vom gewachsenen Hygiene-Bewusstsein als grösster Hersteller von Desinfektionsmitteln in Europa. Stets konnten sie zu normalen Preisen ihre Marke Sterillium liefern; die Umsätze dürften sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt haben.
Hinzu kommt, dass IVF Hartmann stark in die Digitalisierung investiert hat, insbesondere in die Automatisierung der Vertriebsketten, also auch des Bestellsystems. Mit dem neuen Bestellsystem HARTMANN easy kann jedes Produkt per Handy bestellt werden, die Umsätze hier sind doppelt so hoch als wie ursprünglich geplant.
Mit dem Engagement wollen wie jährlich eine Rendite von 10 bis 12% erzielen.
Kommen wir noch zu einem Nebenwert, den Sie wie IVF Hartmann schon lange in Ihrem Portfolio halten, nämlich zu dem Energieunternehmen Holdigaz. Gerade wurde bekannt, dass die beiden Versorger Romande Energie und Holdigaz ihre Überkreuzbeteiligung aufgegeben haben. Was halten Sie von diesem Schritt?
Das zeigt, dass diese Zusammenarbeit nie gefruchtet hat. Wir hofften, dass es gewisse Synergieeffekte gäbe, aber von Seiten Romande Energie ist da nie was gekommen. Mit dem Ende der Beteiligung werden 30 Mio. CHF in die Kassen von Holdigaz gespült, was natürlich sehr positiv ist. Wir hätten natürlich gerne, wenn davon etwas ausgeschüttet werden würde; daran werden wir arbeiten.
Aber natürlich gehen wir auch den Weg des Unternehmens in ein neues Zeitalter mit, wie Investitionen in Windparks als alternative Energiequelle zum Gas. Holdigaz verfolgt darüber hinaus ganz neue Projekte wie eine gasbetriebene Wärmepumpe, die im Vergleich zu einer elektrischen extrem effizient ist.
Der CEO Philippe Petitpierre hat erkannt, dass man in erneuerbare Energien investieren muss. Er macht das geschickt, deshalb werden die Resultate für 2020 bzw. 2021 sehr gut ausfallen.
Für uns ist interessant, dass bei diesem Substanzwert die Bewertung sehr tief ist. Ich setze da nicht auf grosses Wachstum, sondern weiterhin auf eine jährliche Gewinnrendite.
Wie sind Ihre Aussichten für 2021?
Die Börse sagt uns, dass es gut kommt. Das glaube ich auch. Die Bürger sind klug und haben aus der Vergangenheit gelernt. Sie wissen, wie sie sich schützen müssen. Mehr Privatwirtschaft und mehr Eigenverantwortung sind jetzt gefragt und nicht der Staat, der meines Erachtens in vielerlei Hinsicht versagt hat. Grosse Teile der Wirtschaft funktionieren, jetzt wurden sogar die Coiffeure und Physiotherapeuten vom Lockdown verschont.