Der SaraSelect der VV Vermögensverwaltung AG ist ein reiner Aktienfonds und gehört zur Flagship-Palette der Bank J. Safra Sarasin AG. Der Anlagefonds wurde im Jahr 1996 aufgelegt und investiert in Schweizer Nebenwerte, mit Fokus auf Qualität und Stabilität, und hat deshalb einen hohen Bezug zum Small-Cap-Segment. Mit rund 1 Mrd. CHF gehört der Fonds zu den Schwergewichten in diesem Bereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Small-&-Mid-Cap-Fonds wird ein von der Benchmark unabhängiger Ansatz verfolgt.
Marc E. Possa verantwortet seit Mitte 2011 das Portfoliomanagement des Fonds SaraSelect und ist Geschäftsführer der VV Vermögensverwaltung AG in Zug. Im Videoausschnitt oben wirft Possa einen Blick auf den weiteren Verlauf des Anlagejahrs.
Wie schätzen Sie zurzeit die Situation auf den Finanzmärkten ein?
Die Situation ist natürlich zuallererst von der Zinslandschaft beeinflusst. Wir haben die ersten Anstiege um 100 Basispunkte in den USA gesehen, bei denen die Anleger schon etwas nervös wurden. Die Tragbarkeit von höheren Zinsen ist aber nicht gegeben und wird auch weiterhin nicht gegeben sein mit den Budgetdefiziten, die sich anhäufen – dies auch schon vor der Covid Krise.
Sie gehen also weiterhin von Tiefstzinsen aus?
Ja, vor allem in der Schweiz, die sozusagen ein Derivat der Zinslandschaften im Euroraum und in den USA ist. Wenn wir den Negativzins hierzulande anheben wollten, würde das bedeuten, dass im Euro und im Dollar viel höhere Zinsen vorherrschen. Also bleiben wir vorerst im Negativbereich, was die relative Attraktivität von Aktienanlagen weiterhin steigert.
Wie sah Ihre Fonds-Performance im von Corona geprägten 2020 aus?
Ich möchte hier unterscheiden zwischen absoluter und relativer Performance. Im absoluten Kontext hatten wir ein sehr volatiles Jahr, wir waren im März-Tief bei -30% und haben das Jahr bei 26% im Plus beendet. Wahnsinnige Schwingungen also, ohne dass wir gross etwas geändert hätten. Im Gegenteil: Wir haben fast nichts gemacht. Wir haben nur wenig dazugekauft in den ganz schwachen, düsteren Tagen im März letzten Jahres.
Ich habe immer noch überdurchschnittlich viel Cash, vom Reglement her kann ich 10% halten, aktuell bin ich bei 7%. Ich glaube, die V-Kurven-Erholung ist zu schnell gegangen. Die Volatilität wird anhalten, das System benötigt sie auch. Deshalb brauche ich etwas Pulver an der Seitenlinie.
Im relativen Kontext waren wir deutlich über der Benchmark, die 8% gemacht hat – wir haben also 18 Prozentpunkte in einem Kalenderjahr outperformt. Das zeigt, dass sich die Qualität unserer Anlagen auszahlt, dass Marktführerschaft einschenkt. Viele Gesellschaften unseres Portfolios konnten im vergangen Jahr organisch Marktanteile hinzugewinnen. Die billige Konkurrenz Asiens und insbesondere Chinas hat es mit den Volumenrückgängen weggeblasen; die Gewinner sind die Qualitätsführer, insbesondere im Industriebereich.
Wenn wir einen Blick vorauswerfen auf die Zeit nach der Pandemie – müssten Sie dann nicht Ihr Portfolio anpassen?
Ich bin kein Pandemiegewinner per se, da ich weder überdurchschnittlich in Technologie noch in Healthcare investiert bin. Mein strukturelles Übergewicht, das ich immer schon hatte, liegt in einem substanziellen Mass in Industriewerten. Natürlich ist der eine oder andere Wert tech- oder healthcare-lastig, aber den ganz puren Healtcare- oder Tech-Profiteur spiele ich nicht.
Ich bin aber überzeugt, dass es eine Übersetzung der Bits and Bytes in ein industrielles Korsett braucht. Und im Bereich der Mechatronics ist die Schweiz sehr stark.
Bachem ist eine Ihrer grössten Positionen. Warum?
Bachem hatte schon immer ein grosses Übergewicht im Fonds, vor allem im relativen Kontext. Ich war im letzten Jahr immer wieder dazu gezwungen zu verkaufen, weil ich im Fonds nicht mehr als 10% in eine einzelne Position investieren darf, und bei Bachem lag ich wiederholt darüber.
Obwohl die Aktie teuer geworden ist und irgendwann bei 70 CHF notierte, glaube ich, dass gut positionierte Gesellschaften teuer sein müssen, wenn sie Marktführer sind und strukturelles Wachstum in der Zukunft ausweisen. Und beides ist bei Bachem der Fall. Die kürzlich veröffentlichten Geschäftszahlen 2020 haben die sehr hohe Erwartungen nochmals übertroffen und zeigen, dass die Nachfrage nach Wirkstoffen auf Basis von Peptiden oder Oligonucleotiden weiterhin gross ist.
Sie haben neu den Photovoltaik-Produzenten Meyer Burger in Ihren Fonds aufgenommen und damit zur Rettung des kurz vor dem Konkurs stehenden Unternehmens beigetragen. Wie kam es dazu?
Das war eine sehr spannende Ausgangslage. Die Kapitalerhöhung an der letzten GV war vital für das Unternehmen, die Gesellschaft wäre sonst in den Konkurs gegangen. Das eine Szenario war, die Bilanz zu deponieren, das andere, das glücklicherweise auch realisiert wurde, die benötigten 165 Mio. CHF aufzutreiben, um den strategischen Umschwung begleiten und finanzieren zu können. Es sah dann so aus, als ob es knapp werden könnte, und da sind wir eingesprungen.
Dieses Investment entspricht eher nicht Ihren sonstigen Engagements. Warum sind Sie so überzeugt von der Trendwende bei Meyer Burger?
Das war eine unübliche Transaktion von uns. Normalerweise haben wie gerne stabile, solide Weltmarktführer in unserem Portfolio. Bei Meyer Burger ist die Solidität insofern gegeben, als dass das Unternehmen als Pionier die ganze Solarindustrie entwickelt und mit hervorragenden Maschinen China ausgerüstet hat, das dann quasi den Markt kaputt gemacht hat. Jetzt wurde die Strategie dahingehend geändert, dass man sagt, wir sind Innovationsführer und behalten die Innovationen für uns. Somit wird Meyer Burger die besten Module und Zellen mit den höchsten Effizienzgraden anbieten und damit eine gewisse Prämie einstreichen können. Das ist ein ganz anderes Geschäftsmodell. Jetzt kontrolliert man die Innovation, die Maschinen, und damit das Angebot und wird der Verlockung mit China, der man vor 15 Jahren erlegen ist, nicht wieder nachgeben.
Dazu kommt der politische Rückenwind, Stichwort Energiewende. Solar- und Windenergie sind in aller Munde, Klimaziele müssen erreicht werden, und in den USA ist mit der Wahl von Biden zum US-Präsidenten ein zusätzliches letztes Element dazugekommen. Der Rückenwind ist extrem stark, Meyer Burger kann eigentlich nur an sich selbst scheitern – aber das werden sie nicht.
Im Small-Cap-Bereich halten Sie die Position Klingelnberg. Warum investieren Sie in diesen Automobilzulieferer?
Auch hier sprechen wir über einen Weltmarktführer in einem Bereich, der in den letzten Jahren stark negativ geprägt war. Schon bevor Covid ausgebrochen ist, befand sich die Automobilindustrie in einer schweren Krise. Viele Konsumenten waren sich in den Auswahlmöglichkeiten nicht sicher. Was ist jetzt das richtige System, was ist zukunftsträchtig, was wird politisch wie gefördert? Deshalb ist die Nachfrage nach Fahrzeugen z.B. in Deutschland, die durchschnittlich bei 5,5 Mio. Fahrzeugen pro Jahr lag, massiv eingebrochen. Jetzt kommt der Nachholbedarf, den man schon nach der Finanzkrise sah. Es wird evident, wohin die Reise geht, welche Subventionen gewährt werden – z.B. 7‘500 EUR für ein Elektroauto.
Trotzdem wird es weiter konventionellen Antrieb geben. Bei den Hybrid-Fahrzeugen, die im Moment noch en vogue sind, hat man sogar beide Welten in einem. Das schafft viele Opportunitäten für die Zulieferer, auch aus der Schweiz heraus.
Klingelnberg hat ein System entwickelt, das einen intelligenten Autokorrektur-Mechanismus beinhaltet. Damit wird die Maschine in Bruchteilen einer Sekunde lernfähig und kann Abweichungen über einen closed-loop korrigieren. Damit können präzisere Schliffe und in der Folge effizientere Getriebe produziert werden, die weniger Strom oder Benzin verbrauchen. Man ist mit Lösungen für die Windturbinen zudem auch in einem stark wachsenden Bereich.
Von welcher Performance der Märkte und Ihres Fonds gehen Sie in 2021 aus?
Es wird sicher das eine oder andere IPO oder SPAC kommen, mit dem wir uns auseinandersetzen dürfen. Das wird eine der Herausforderungen in diesem Jahr. Fondsseitig werden wir nicht viel ändern müssen. Wir sind gar nicht in Turnaround-Kandidaten wie Dufry, Valora oder Flughafen Zürich investiert, die massivst abgeschlachtet wurden, bei denen man aber auch sagen kann, dass sie wieder aufstehen, zumindest partiell, wenn sich die Covid-Krise legt. Deshalb könnten wir im relativen Kontext etwas zurückkommen. Wenn wir im letzten Jahr also die Benchmark um 18 Prozentpunkte geschlagen haben, könnten wir dieses Jahr eine Underperformance gegenüber der Benchmark von ein paar Prozent sehen. Langfristig aber sollten die Gewinner von gestern auch die Gewinner von morgen sein. Eine durchschnittliche Performance von ca. 8% ist erwartbar.
Herr Possa, herzlichen Dank für dieses Gespräch.