Und immer wieder schlägt sie zu, die Natur. 2019 die sichtbare Urgewalt von Lawinen, die das Hotel „Säntis“ auf der Schwägalp, das der Säntisbahn gehört, teilweise verschütteten und einen Stützpfeiler der Säntisbahn so schwer beschädigten, dass der Betrieb über Monate eingestellt werden musste. Und 2020 die unsichtbare Gewalt eines Virus, die wiederum zu monatelangen Betriebsausfällen führte.
Unter solchen Umständen wird es schwierig, die betriebswirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Vor allem für ein Unternehmen, das neben dem Schwebebahnbetrieb verstärkt auf die Umsätze im Kundensegment der Seminar- und Tagungsgäste auf der Schwägalp setzt. In der Vergangenheit gelang es damit dem Unternehmen, die Umsätze speziell in wettermässig schwächeren Monaten zu stabilisieren, wie Verwaltungsratspräsident Michael Auer im Geschäftsbericht schreibt. Aber die vom Bund und den Kantonen verordneten Massnahmen infolge der Pandemie hätten zu einem weitgehenden Stillstand des Seminar- und Tagungsgeschäfts im Hotel geführt.
Gastronomieerträge sinken, Verkehrserträge steigen
So sanken die Erträge aus der Gastronomie, die die Hotelerträge beinhalten, um über eine halbe Million CHF auf 10.1 Mio. CHF. Damit ist der Rückgang des gesamten Betriebsertrags auf 17.3 Mio. CHF zu erklären, der 2019 noch bei 18.2 Mio CHF gelegen hatte. Dennoch, so die Headline des Geschäftsberichts, wurde ein „schwieriges Geschäftsjahr gut gemeistert“.
Verstärkte Verkaufs- und Marketinganstrengungen sowie stabiles Wetter hätten dem Unternehmen einen guten Sommer beschert, so VRP Michael Auer. Besonders gefreut habe man sich über den verstärkten Besuch von Gästen aus anderen Landesteilen. Noch nie sei am und auf dem Säntis so viel Französisch gesprochen worden, heisst es. So stieg der Verkehrsertrag aus dem Transport von Gästen und Gütern sogar etwas an, von 4.75 Mio. CHF in 2019 auf 4.9 Mio. CHF im letzten Jahr.
Abschreibungen werden vollständig vorgenommen
Gleichzeitig konnte der Betriebsaufwand von 15.35 Mio. CHF (2019) auf 14.1 Mio. CHF vermindert werden. Dabei nahm insbesondere der Personalaufwand um fast 10% auf 8.65 Mo. CHF ab, wobei darin Kurzarbeitsentschädigungen von 900‘000 CHF enthalten sind.
Mit einem EBITDA von 3.2 Mio. CHF (Vorjahr 2.8 Mio.) kann das Unternehmen die betriebsnotwendigen Abschreibungen in Höhe von 2.8 Mio. CHF auch in dem schwierigen Geschäftsjahr 2020 vollständig vornehmen. Unter dem Strich verbleibt ein Jahresgewinn in niedriger vierstelliger Höhe.
Der Investitionsbedarf des Unternehmens bleibt hoch: Über 10 Mio. CHF flossen seit 2016 in den Ausbau auf dem Säntis-Gipfel und auf der Schwägalp, alleine 1.8 Mio. CHF in 2020.
Auf neuen Geschäftsführer warten die nächsten Grossprojekte
2022 wird der langjährige Geschäftsführer der Säntisbahn, Bruno Vattioni, pensioniert. Der Verwaltungsrat hat bereits die Suche eines Nachfolgers eingeleitet. Auf diesen warten die nächsten Grossprojekte: Zwar wurde nach dem Lawinenunglück die beschädigte Schwebebahnstütze wieder instandgesetzt, sie muss jedoch gemäss der aktuellen Seilbahnverordnung des Bundesamts für Verkehr BAV trotzdem ersetzt werden. Deshalb überlegen sich die Verantwortlichen jetzt, parallel zur Planung einer Ersatzstütze ein Projekt für eine neue Schwebebahn auszuarbeiten. Noch ist unklar, wohin die Reise geht. Die finanziellen Möglichkeiten der Säntisbahn in den nächsten Jahren seien dafür entscheidend, so der Geschäftsbericht.
Fazit
Bei allen Widrigkeiten hat die Säntisbahn einen befriedigenden Jahresabschluss hingelegt. Dem Unternehmen geht es besser als vielen Mitbewerbern. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass das Tourismusunternehmen seinen strategischen Fokus bereits in der Vergangenheit auf Individualtouristen aus der Region und den grenznahen Gebieten wie den Bodenseeanrainern gelegt hat. Jetzt will man die Anstrengungen noch verstärken, Gäste aus anderen Landesteilen der Schweiz neu zu gewinnen. In Pandemie-Zeiten, in denen touristische Anbieter wie Bergbahnen, Berghotels und Ausflugsgaststätten praktisch vollständig auf einheimische Gäste angewiesen sind, ist das sicher zielführend.
Die Eigenkapitalbasis konnte im Krisenjahr 2020 sogar von 60% auf 62% erweitert und gestärkt werden. Ein COVID-19-Kredit in Höhe von 500‘000 CHF, der im letzten Jahr aufgenommen wurde, wurde im Februar 2021 wieder zurückgezahlt.
Aufgrund des ausserordentlich anspruchsvollen Geschäftsjahrs verzichtet die Säntisbahn auf eine Gewinnausschüttung. Wie schon in den vorangegangen Jahren gehen die Aktionäre, zumindest was die Bardividende anbelangt, leer aus. Mit der Zustellung der Stimmrechtsunterlagen erhalten sie aber nach Aktienbesitz abgestuft 1 bis 10 Fahrkarten auf den Säntis.
Sehr gut gelungen ist die Aufarbeitung des Geschäftsberichts im Zeitungsformat. Auch digital gut leserlich und übersichtlich, entfaltet der Geschäftsbericht seinen vollen Nutzen aber erst gedruckt auf Zeitungspapier: „Versuchen Sie doch mal, Ihre feuchten Wanderschuhe mit einer digitalen Ausgabe auszustopfen…“, schreibt Peter Thoma im Editorial auf der Frontpage des Geschäftsberichts.
Die Aktien der Säntisbahn werden auf OTC-X der BEKB gehandelt. Zuletzt wurden 900 CHF für eine Aktie bezahlt.