Im letzten Jahr entwickelte sich gefühlt die halbe Weltbevölkerung zu selbsternannten Experten in Themen wie Hygiene, Virenübertragung über die Luft oder schlicht guter Durchlüftung von Räumen. Von dieser plötzlichen Präsenz des Themas Luftqualität in der breiten Bevölkerung profitierte die Plaston-Gruppe durch ihre Tochtergesellschaft Boneco AG. Diese ist auf Luftbehandlungsgeräte spezialisiert, und insbesondere die Geräte der 2019 akquirierten Envion, welche unter anderem Viren durch UV-Licht vernichten, werden Boneco förmlich aus den Händen gerissen. Dementsprechend positiv verlief auch die Umsatzentwicklung der Boneco im ersten Semester des Geschäftsjahres 2020/21 (1. April – 31. März) mit einem Anstieg um 82% gegenüber der Vorjahresperiode auf 15.2 Mio. CHF. Wie die Plaston-Gruppe auf Nachfrage von schweizeraktien.net bekannt gab, ging das Wachstum bei Boneco im zweiten Semester etwas zurück, bleibt aber für das Gesamtjahr unverändert positiv.
Ventilatoren-Linie entschärft saisonale Abhängigkeit
Der Anstieg im Boneco-Geschäft ist aber nicht nur auf das erhöhte Hygienebedürfnis durch Covid-19 zurückzuführen. Das Thema Luftqualität ist in urbanen Regionen schon seit längerem ein Thema. Wie ein von der OECD veröffentlichter Bericht zur Urbanisierung zeigt, sind bloss 63% der in Grossstädten lebenden Bevölkerung zufrieden mit der Luftqualität, während der Anteil in ländlichen Gebieten bei knapp 80% liegt. Dieses Defizit sorgt zusammen mit einer prognostizierten Zunahme der Bevölkerung in Grossstädten um 1 Mrd. für eine solide Basis für Wachstum bei den Luftbehandlungsgeräten von Boneco.
Als weiterer Faktor stärkt die 2019 neu ins Sortiment aufgenommene Ventilatoren-Linie die Umsätze von Boneco. Bereits im letzten Sommer konnte die verkaufte Stückzahl gegenüber dem Einführungsjahr verdreifacht werden. Die Ventilatoren stellen ausserdem einen Ausgleich zur saisonalen Abhängigkeit von Boneco’s Luftbehandlungsgeräten dar, welche im Winter stärker nachgefragt werden. Mit dem neu aufgenommenen Sommergeschäft gelang es Boneco überdies, erstmals im südeuropäischen Raum relevante Umsätze zu erzielen.
Plaston AG schafft Turnaround während Geschäftsjahr
Bei Boneco scheinen also alle Weichen auf eine Weiterführung des Wachstumstrends gestellt zu sein. Eher als Sorgenkind der Plaston-Gruppe präsentierte sich in jüngerer Vergangenheit dafür die zweite Tochtergesellschaft Plaston AG, welche Industrie-Koffer, technische Kunststoffteile und Baugruppen produziert. So gingen die Umsätze der Plaston AG im Geschäftsjahr 2019/20 um 12% auf 55.6 Mio. CHF zurück, obschon da noch kein signifikanter Covid-Einfluss zu verzeichnen war.
Vielmehr führte Plaston den Umsatzrückgang auf die schwierige Wirtschaftslage durch den Brexit, den Handelskrieg zwischen den USA und China und den Strukturwandel in der Automobilindustrie zurück. Ganz im Gegensatz zur Boneco belastete im Geschäftsjahr 2020/21 auch noch die Covid-Krise das Geschäft der Plaston AG. Insbesondere die Monate April, Mai und Juni litten unter den Einschränkungen, ab Juli kehrte eine langsame Erholung zurück zur Normalität ein. Dennoch resultierte fürs erste Semester ein neuerlicher Umsatzrückgang von 4.7 Mio. CHF oder 16%. Wie Plaston auf Nachfrage jedoch bekannt gab, konnte dieses Minus im zweiten Semester dank einer erfreulichen Geschäftsentwicklung kompensiert und gesamthaft ebenfalls eine Steigerung verzeichnet werden.
Dies ist ein erstes Zeichen für eine positive Zukunft der Plaston AG, genauso wie die steigenden Umsätze aus der Elektromobilität. Wirkte sich in der Vergangenheit der Strukturwandel der Automobilindustrie noch negativ auf das Plaston-Resultat aus, könnte die Gesellschaft künftig zu den Profiteuren zählen. Plaston beliefert im Bereich Elektromobilität Hersteller von Ladestationen mit Kunststoffteilen, namentlich Handgriffen und Wandstationen. Das Plaston-Geschäft in der Elektromobilität beschränkt sich momentan noch auf China, das Unternehmen erhofft sich aber globale Expansionsmöglichkeiten. So beliefert der wichtigste Kunde in China derzeit Unternehmen wie Mercedes Benz, Lexus oder Volkswagen, was Plaston auch für andere Märkte eine hervorragende Referenz bietet.
Effizienzprogramm soll tiefe Margen aufbessern
Wachstum und Umsätze sind aber nur eine Seite der Medaille, Margen und Profitabilität sind die andere. Hier hat die Plaston-Gruppe Verbesserungsbedarf, lag doch die EBIT-Marge 2019/20 gerade einmal bei 0,6% und die Nettogewinnmarge bei -0,8%. Um dem entgegenzuwirken, hat die Plaston AG an ihren drei Standorten China, Tschechien und Schweiz Effizienzprogramme beispielsweise zur Verbesserung von Zykluszeiten oder Materialauswahl umgesetzt. Eine zentrale Massnahme war aber auch die Reduktion des Personalbestandes in der Schweiz um 25 Mitarbeitende. Durch die unsichere Weltwirtschaftslage und die Covid-Krise sind die genauen Auswirkungen der Massnahmen auf die Wirtschaftlichkeit der Plaston-Gruppe noch nicht abschliessend zu beziffern. Im ersten Semester 2020/21 stieg die EBIT-Marge aber deutlich auf 5,5% und die Nettogewinnmarge auf 2,5%. Der Effekt kann aber nicht gänzlich dem Effizienzprogramm zugeschrieben werden, da auch Covid-spezifische Massnahmen wie Kurzarbeit einfliessen. Im zweiten Semester habe die Profitabilität aber nochmals gesteigert werden können, sowohl bei Plaston als auch bei Boneco.
Wiederaufnahme der Dividendenausschüttung?
Für das Gesamtjahr 2020/21 rechnet die Unternehmensführung mit einem sehr guten Ergebnis klar über Vorjahresniveau; die genauen Zahlen werden aber erst im Sommer bekannt werden. Somit könnte auch die Wiederaufnahme einer Dividendenzahlung zum Thema werden, welche im vergangenen Jahr aufgrund der Unsicherheiten und zur Sicherstellung der Liquidität ausgesetzt worden war. Dadurch konnte Plaston auf die Aufnahme eines Covid-Notkredites verzichten und die unternehmerische Flexibilität erhalten. Die Dividendenpolitik der Plaston-Gruppe sieht eine Ausschüttung von einem Drittel des Nettoergebnisses vor. Um die in der Vergangenheit ausbezahlte Dividende von 100 CHF je Aktie zu erreichen, müsste somit bei den 10’000 Aktien ein Nettoergebnis von 3 Mio. CHF resultieren. Mit 0.9 Mio. nach dem ersten Semester befindet sich Plaston nicht ganz auf Kurs. Bleibt abzuwarten, in welchem Umfang das gute zweite Semester die Differenz zu tilgen vermochte. In der Vergangenheit wurde jedoch die Dividende teilweise auch bei schlechteren Resultaten auf die 100 CHF ergänzt.
Fazit
Nach dem enttäuschenden Geschäftsjahr 2019/20 scheinen die Weichen der Plaston-Gruppe auf eine erfolgreiche Zukunft gestellt zu sein. Nach dem schwierigen Start ins Geschäftsjahr dürfte das Resultat 2020/21 positiv überraschen, getragen vom starken Boneco-Wachstum im ersten Semester und einer erfreulichen Erholung der Plaston AG im zweiten Semester sowie gesteigerter Profitabilität. Längerfristig dürften auch die steigenden Umsätze in der Elektromobilität vermehrt zum Wachstum beitragen. Wenn die Effizienzmassnahmen die erwarteten Früchte tragen, sollte bei normalem Geschäftsverlauf konstant positiven Ergebnissen und Cash Flows nichts im Wege stehen. Durch die globale Tätigkeit und Kunden sowohl aus dem Privatbereich als auch aus der Industrie besteht jedoch eine gewisse Abhängigkeit von externen Faktoren wie beispielsweise intakten Lieferketten.
Investoren haben bereits positiv auf die verbesserten Aussichten reagiert. So liegt der letztbezahlte Kurs auf der ausserbörslichen Handelsplattform OTC-X der BEKB derzeit bei 5’100 CHF und somit um 11,8% über Jahresbeginn. Zu diesem Kurs würde die Wiederaufnahme einer Dividendenzahlung von 100 CHF einer Rendite von nicht unattraktiven 2,0% entsprechen. Grund zu Optimismus besteht somit nicht nur für Plaston selbst, sondern auch für Aktionärinnen und Aktionäre.