Wenn Philipp Buhofer über das weitläufige Firmenareal der Cham Group läuft, merkt man ihm seine langjährige Verbindung zur Papierproduktion an. Er kennt noch die genauen Standorte der grossen Papiermaschinen und erklärt im sogenannten «Kalandersaal» der ehemaligen Papierfabrik in Cham, wie das Papier durch das «Kalandrieren» unterschiedliche Oberflächen erhält: matt, glänzend oder satiniert.
Überhaupt ist auf dem gesamten «Papieri-Areal» entlang des Flüsschens Lorze die Vergangenheit der industriellen Papierproduktion noch sichtbar. Über 350 Jahre wurde an diesem Ort für die ganze Welt Papier produziert. Philipp Buhofer, dessen Familie heute über die BURU Holding rund 48% an dem Unternehmen hält, unternahm mehrfach den Versuch, den Turnaround für die ehemalige Cham Paper Group herbeizuführen. Doch der Einbruch des Euro machte eine rentable Papierproduktion an dem Standort unmöglich.
11 Hektar Industrieareal für Wohnen und Gewerbe
2017 schliesslich verkaufte das Schweizer Traditionsunternehmen die Papierproduktion an die südafrikanische Sappi-Gruppe. Bereits in den Vorjahren war die Produktion von Cham nach Italien verlagert worden. Ebenso wurden erste Weichen für eine Umnutzung des 11 Hektar grossen Industrieareals im Norden von Cham gestellt. «Wir mussten 2011 fast 300 Leute entlassen», sagt Buhofer, der in der Nähe aufgewachsen ist. Für ihn sei es daher immer wichtig gewesen, der Gemeinde und der Bevölkerung mit der Umnutzung des Areals etwas zurückzugeben. Philipp Buhofer betont dabei, dass er eigentlich kein Immobilienunternehmer sei. Sein Herz schlage weiterhin für die Industrie. Deshalb hat er wohl auch sein Büro am Rande des «Papieri-Areals» in der frisch renovierten «Lokremise», dem früheren Lokschuppen, aufgeschlagen. Dort ziert ein alter Prellbock seinen modernen Besprechungsraum.
Umnutzung nimmt 2017 Fahrt auf
Rein ums Geld ging es Philipp Buhofer bei dem Projekt nie. Sonst hätte er das Areal zu einem früheren Zeitpunkt einem Projektentwickler bestens verkaufen können. «Die standen bei uns Schlange», erinnert er sich. Auch verzichtete er bewusst auf eine Zusammenarbeit mit anderen Immobiliengesellschaften. Naheliegend wäre hier die Zug Estates AG gewesen, eine Abspaltung der Metall Zug-Gruppe, die ebenfalls mit der Familie Buhofer verbunden ist. Finanziell ist die Cham Group auf Mittel von aussen jedoch nicht angewiesen. Nach dem Verkauf der Papieraktivitäten verblieben rund 175 Mio. CHF in der Kasse der neu unter Cham Group firmierenden Gesellschaft.
75% Wohnen und 25% Gewerbe
Um den Aufwand zu reduzieren, entschloss sich die Cham Group Ende 2019 auch, von der Börse in den ausserbörslichen Markt zu wechseln. Rund 1’000 Aktionäre sind weiterhin mit dabei. Für sie soll sich das Investment langfristig auszahlen. Denn auf dem Areal entsteht in den nächsten 10 Jahren ein neues Stadtquartier. 2’000 Menschen sollen hier eines Tages wohnen und rund 1’000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Philipp Buhofer setzt bewusst auf einen Mix von 75% Wohnen und 25% Gewerbe. Gastronomische Angebote und vielleicht ein Hotel gehören ebenso dazu wie viele öffentliche Flächen und möglicherweise einmal eine Schule. Das Kompetenzzentrum für Spitzenathletik, OYM, hat bereits ganz in der Nähe seinen Sitz. Zu den Gewerbemietern gehört heute schon das E-Bike-Entwicklungszentrum der Velomarke «Specialized». Von den rund 1’000 Wohnungen sollen 100 preisgünstig, d.h. rund 25% unter der marktüblichen Miete, angeboten werden.
Stockwerkeigentum war schnell verkauft
In der ersten Bauetappe erstellt die Cham Group 105Wohnungen und Ateliers im Stockwerkeigentum: davon 52 Wohnungen und 7 Ateliers in den ehemaligen Maschinenhallen im Loft-Stil und 46 in einem neuen Hochhaus, den «Papieri-Suites». Innerhalb weniger Tage nach Verkaufsstart wurden die Wohnungen mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von rund 13’000 CHF reserviert. Mittlerweile sind fast alle verkauft. «Diese erste Etappe war für uns sehr wichtig», erklärt Buhofer. So habe man feststellen können, ob das Projekt bei den Kunden ankomme.
160 Mietwohnungen im Bau
Auch finanziell ist der Verkauf der Eigentumswohnungen und Lofts ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung der gesamten Überbauung. Mit den Verkaufserträgen will die Cham Group sukzessive die nächsten Bauphasen finanzieren. Mittlerweile sind auch die ersten 160 Mietwohnungen im Bau. Ende 2022 können dort die ersten Mieter einziehen, so der Plan. Nach Fertigstellung sollen 80% der Liegenschaften vermietet werden und so für nachhaltige Cashflows sorgen. Nachhaltigkeit ist auch sonst für das gesamte Areal ein wichtiger Aspekt. Allein in die Energiezentrale werden in den kommenden Jahren 35 Mio. CHF investiert. Die Wärme- und Kälteversorgung erfolgt zu 100% aus erneuerbarer Energie und orientiert sich an der 2’000-Watt-Gesellschaft. «In der Energieversorgung werden wir vollständig autark sein», sagt Buhofer etwas stolz. Zum Einsatz kommt neben Photovoltaikanlagen auch ein früheres Wasserkraftwerk der Papierfabrik an der Lorze.
Hohe Neubewertungsgewinne mit Baufortschritt
Dass sich das gesamte Projekt für Investoren auch rechnen wird, zeigen die Zahlen für das Geschäftsjahr 2020. Zwar ist der Ertrag aus der Vermietung noch sehr gering, und auch die Erträge aus den Verkäufen zeigen sich noch nicht im Cashflow. Dafür spiegelt sich der Baufortschritt vor allem in den Neubewertungsgewinnen der Liegenschaften wider. 2020 nahm der Wert der Liegenschaften um 48.2 Mio. CHF zu und liegt neu bei 270.3 Mio. CHF. Auch in den kommenden Jahren können die Aktionäre mit Neubewertungsgewinnen in ähnlicher Grössenordnung rechnen. «Der innere Wert unsere Aktie dürfte pro Jahr um 40 bis 50 CHF zulegen», schätzt Philipp Buhofer. Er macht aber auch deutlich, dass die Entwicklung des gesamten «Papieri-Areals» sechs Etappen umfasst und noch rund 10 Jahre dauern wird. Insgesamt werden bis dahin 750 Mio. CHF in das neue Stadtquartier fliessen. Der Soll-Mietertrag nach Fertigstellung wird auf 32 Mio. CHF pro Jahr geschätzt.
Weitere Landreserven gesichert
Damit ist allerdings noch lange nicht Schluss. Denn 2018 konnte sich die Cham Group das angrenzende Pavatex-Areal sichern. Mit 35’000 m2 und einer direkten Anbindung an das Energiesystem bietet es ausreichend Raum für eine 7., 8. und 9. Bauetappe. Philipp Buhofer schliesst zudem auch nicht aus, dass sich die Cham Group eines Tages ausserhalb der Gemeinde Cham engagiert. «Wenn sich auf der Achse Zürich-Luzern Opportunitäten bieten, schauen wir diese natürlich an». Mit einer Eigenkapitalquote von 80,8% per Ende 2020 verfügt die Gesellschaft jedenfalls über ausreichend Spielraum, um auch weitere Wachstumsschritte anpacken zu können.
Fazit
Die Cham Group ist noch ein kleines Pflänzchen unter den Schweizer Immobiliengesellschaften, das aber auf solidem Grund und Boden wächst, und auf eine jahrhundertealte unternehmerische Tradition bauen kann.
Gemessen an den prognostizierten Zahlen lässt sich heute schon abschätzen, dass der Net Asset Value (NAV) bis zur Fertigstellung des «Papieri-Areals» weiter kräftig anwachsen wird. Zusätzliches Potenzial könnte sich aus der Nutzung des Pavatex-Areals ergeben. Derzeit schüttet die Cham Group aufgrund ihrer Position an vorhandenen flüssigen Mitteln und Wertschriften von 73 Mio. CHF (per Ende 2020) jährlich eine Substanzdividende von 6 CHF je Aktie aus. Mit den ersten Miteinnahmen ab 2023 wird sich die Ausschüttung dann sukzessive erhöhen. Denn die Gesellschaft plant, bis zu 75% des operativ erwirtschafteten Reingewinns, also ohne Neubewertungsgewinne, als Dividende auszuschütten. Dies, sobald aus der Arealentwicklung regelmässig Erträge generiert werden.
Die grössten Risiken für die Cham Group bestehen bei der Belegung der geplanten rund 46‘000 m2 Gewerbefläche, einer rückläufigen Nachfrage nach Wohnraum in der Region sowie Verzögerungen im Baufortschritt. Dank der soliden Bilanz und dem (bisherigen) Verzicht auf den Einsatz von Fremdkapital dürften solche allfälligen Herausforderungen gut überstanden werden.
Bei Aktienkursen von 505 CHF, die zuletzt auf OTC-X für eine Aktie gezahlt wurden, liegt die Dividendenrendite auf dem aktuellen Niveau bei 1,2%, und der Titel wird mit einem Agio von knapp 30% auf den aktuellen NAV gehandelt. Allerdings dürfte allein der Baufortschritt in diesem und im kommenden Jahr das Agio egalisieren. Die Aktie der Cham Group ist ein Titel für langfristig denkende Anleger. Für kurzfristige Engagements ist das Aufwärtspotenzial gering. Deutliche Kursrückschläge können allerdings gut für einen Einstieg genutzt werden.