Das Jahr 2021 ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Jahr für die Rigi Bahnen AG und wird auch als solches in die Annalen der Gesellschaft eingehen. Einerseits ist 2021 in der kurzen Sicht das «Jahr 1» nach Beginn der Corona-Krise, eine der grössten Herausforderungen der jüngeren Unternehmensgeschichte. Ob Lockdown, Shutdown, Quarantäne, PCR-Test, Inzidenz, Schutzkonzept, AHA-Formel oder Mutation: Wir alle haben viel gelernt in den zurückliegenden 14 Monaten und lernen immer noch jeden Tag dazu… Andererseits – und dies ist in einer längerfristigen Betrachtung sehr viel bedeutsamer als ein nur kurzer Ausschnitt im Fenster der Zeitgeschichte – darf die Rigi Bahnen AG im laufenden Jahr 2021 ihr 150-Jahre-Jubiläum seit Inbetriebnahme der Rigi-Bahn von Vitznau aus feiern.
Auch wenn sowohl die Zeiten als auch der Zeitgeist nicht ganz ideal sind für Feierlichkeiten aller Art, so darf dieses runde Jubiläum die Rigi Bahnen AG durchaus mit Stolz erfüllen. Der Erfolg war der längst fusionierten Gesellschaft zweier ursprünglich konkurrierender Bahnbetriebe trotz einer topografisch herausragenden Ausgangslage nicht in die Wiege gelegt und musste in 150 Jahren immer wieder neu erarbeitet, nicht selten sogar erkämpft, werden. Wir erlauben uns vor diesem geschichtsträchtigen Hintergrund einleitend – und ausnahmsweise – eine Zeitreise in die weit zurückreichende Gründerzeit der Gesellschaft (Auszug aus HistoriX vom 30. Oktober 2018).
1869: Zahnradbahnkonzession – bis zur Kantonsgrenze…
Mit dem ersten Eisenbahngesetz von 1852 wurde der Eisenbahnbau in der Schweiz privaten Unternehmern überlassen, wobei die Kantone allerdings die Konzessionen zu vergeben hatten. Alle Bahnprojekte mussten schliesslich durch den Bund genehmigt werden.
Die drei Ingenieure Riggenbach, Zschokke und Naeff mussten die Konzession für den Bau einer Zahnradbahn auf die Rigi aufgrund der politischen Situation vor Ort nacheinander gleich bei zwei Kantonen – Schwyz und Luzern – beantragen, deren Grenzen sich unterhalb des Rigi-Gipfels treffen.
Zunächst beantragten die Initianten um Riggenbach die Konzession für den Bau und Betrieb einer Zahnradbahn von Vitznau im Kanton Luzern nach Rigi Staffelhöhe an der Kantonsgrenze Luzern/Schwyz beim Kanton Luzern. Nur für diesen Abschnitt waren die Luzerner Behörden zuständig, denn alles, was «nach Staffelhöhe» kommt, liegt bereits auf Schwyzer Gebiet – und damit ausserhalb des Zuständigkeitsbereichs. Der Grosse Rat des Kantons Luzern erteilte den Gesuchstellern Riggenbach, Zschokke und Naeff am 9. Juni 1869 die beantragte Konzession – bis zur kantonalen Zuständigkeitsgrenze in Rigi Staffelhöhe. Am 24. Juli 1869 genehmigte auch der Bund das Projekt. Für die Initianten ein grosser Erfolg – allerdings zunächst mit einem nicht unbedeutenden Wermutstropfen. Denn das letzte und touristisch wichtigste «Filetstück» von Staffelhöhe nach Rigi Kulm war nicht Teil der kantonalen Konzession.
1869: Gründung der Rigi-Aktiengesellschaft
Zur Finanzierung der Rigibahn von Vitznau bis Staffelhöhe gründeten die «Gründerväter» Riggenbach, Zschokke und Naeff ein Komitee namhafter und vermögender Persönlichkeiten aus Basel und Luzern, das die Einzahlung des budgetierten Aktienkapitals gewährleistete. Die Baukosten wurden von den Initianten mit 1.18 Mio. CHF veranschlagt – kaum mehr vorstellbar angesichts der fast schon aberwitzigen Dimensionen, die zwischenzeitlich beim «Wettrüsten in den Alpen» aufgerufen werden. Hinzu kamen «Kosten für Unvorhergesehenes und allgemeine Kosten» in der Grössenordnung von 70’000 CHF, sodass ein Gründungskapital von 1.25 Mio. CHF berechnet und festgesetzt wurde. Das Aktienkapital der im September 1869 konstituierten Gesellschaft wurde dabei in 2’500 Aktien à 500 CHF eingeteilt. Die Gründer übernahmen die Hälfte dieser Summe fix, der andere Teil wurde zur Zeichnung im Publikum aufgelegt.
Der Erfolg dieser Aktienzeichnung zur Gründung der Vitznauer Rigibahn-Gesellschaft dürfte die kühnsten Erwartungen von Riggenbach und seinen Freunden dabei deutlich überstiegen haben. Historische Quellen belegen, dass statt der für die öffentliche Zeichnung vorgesehenen 1’250 Rigi-Aktien 2’398 Aktien im Publikum gezeichnet wurden. Es gab offenbar viele Zeichner, die zwischen 10 und 50 Aktien der jungen Rigibahn gezeichnet hatten – ein erheblicher Vertrauensvorschuss an das Initiativkomitee. Fast die Hälfte des Aktienkapitals wurde von 46 Interessenten mit über 1’100 Aktien gezeichnet (Quelle: Vitznau-Rigi – Erste Bergbahn Europas, Hans Staffelbach, 1984). Der Sitz der jungen Rigibahn-Gesellschaft lag in Luzern.
1871: Eröffnung der ersten Bergbahn Europas – bis zur Kantonsgrenze…
Im September 1869 wurde mit dem Bau der Rigibahn von Vitznau aus bis zur Kantonsgrenze Staffelhöhe begonnen. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/1871 und dadurch bedingte, ausbleibende oder verspätete Material- und Teilelieferungen führten zu einer Verzögerung beim Baufortschritt gegenüber den ursprünglichen Plänen, die den Bau und die Inbetriebnahme innerhalb von nur 8 Monaten vorsahen. Die Vitznau-Rigi-Bahn konnte schliesslich am 21. Mai 1871, nicht einmal zwei Jahre nach Baubeginn, im Beisein vieler geladener Gäste aus Politik und Wirtschaft feierlich als erste Bergbahn Europas eröffnet werden. Nicht nur mit Blick auf Verkehrs- und Infrastrukturprojekte unserer Zeit war dies eine fast unglaubliche Leistung der beteiligten Ingenieure und Arbeiter.
1873: Vitznau-Rigi-Bahn übernimmt Strecke bis Rigi-Kulm pachtweise
Bereits 1870 hatte der Kanton Schwyz der jungen Rigibahn-Gesellschaft dem Konzessionsbegehren für eine Verlängerung bis zum eigentlichen Gipfel Rigi-Kulm eine Absage und einem lokalem Bürgerkomitee die Konzession zum Betrieb des letzten Streckenabschnitts bis Rigi-Kulm erteilt. So kam es ab 1873 zur kuriosen Situation, dass zwar zwei Bahngesellschaften die Rigi erschlossen haben: die eine von der Luzerner Seite, die andere von der Schwyzer Seite. Allerdings musste die Luzerner Vitznau-Rigi-Bahn (VRB) für das letzte Wegstück einen Pachtzins an die Arther Rigibahn Gesellschaft (ARB) aus dem Kanton Schwyz bezahlen. Bis zur Fusion der ARB („blaue Bahn“) mit der VRB („rote Bahn“) im Jahr 1992 mussten die Luzerner für die Benützung der touristisch besonders wertvollen Strecke Staffelhöhe-Rigi Kulm für mehr als hundert Jahre einen Pachtzins nach Schwyz überweisen. Für die VRB waren diese Pachtzahlungen für den obersten Streckenabschnitt bis Kulm eine erhebliche finanzielle Belastung, während sie für die ARB umgekehrt eine sichere Einnahme darstellten.
Soviel zur Vergangenheit. Denjenigen Lesern, die sich vertieft für die Geschichte der Rigi Bahnen AG interessieren und bis hierhin in der Lektüre gekommen sind, sei an dieser Stelle explizit unser erster HistoriX-Beitrag vom Oktober 2018 empfohlen.
2020: In schwierigen Zeiten operativ auf Kurs
Man darf es nicht beschönigen: 2020 war im Sog der «Corona-Krise» auch für die Rigi Bahnen AG ein sehr herausforderndes Jahr, wie sich aus dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Geschäftsbericht 2020 ergibt. Unter dem Strich sind die Rigi Bahnen AG jedoch mit einem «blauen Auge» aus der Situation herausgekommen. Der schweizweite Lockdown und weltweite Reisebeschränkungen sorgten für einen massiven Einbruch insbesondere bei den internationalen Gästen aus den Fernmärkten, die in den letzten Jahren für die Rigi Bahnen AG bekanntlich zu einer wichtigen Klientel geworden sind. Insgesamt nahmen die Frequenzen im Jahr 2020 um 44% auf 1.05 Mio. ab, der Nettoertrag war um 34% auf 19.04 Mio. CHF rückläufig. Allerdings hat es sich dabei bewährt, dass die Rigi Bahnen AG – anders als andere Tourismusanbieter auch im lokalen Umfeld – den einheimischen Gast und die Gäste aus den Nachbarmärkten nie aus den Augen verloren haben. Die Rigi lebt von ihrer Vielseitigkeit und der – auf engstem Raum – kulturellen wie topografischen Vielfalt. Gerade dies macht sich auch im einheimischen Markt bezahlt. Jede «Seite» des Rigi-Massivs hat dabei ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter – und diese Vielfalt wird von den einheimischen Gästen, und nicht nur von diesen, sehr geschätzt.
Der Betriebsaufwand ermässigte sich um knapp 21% auf 17.35 Mio. CHF. Hier halfen insbesondere rasch eingeleitete Kostensenkungsmassnahmen des Managements und Kurzarbeitsentschädigungen (+1.5 Mio. CHF), die Kosten bei wegbrechenden Erträgen zu begrenzen. Der Material-, Waren- und Dienstleistungsaufwand konnte in einem zumindest zeitweise von «Lockdowns» geprägten Umfeld von -2.7 Mio. CHF auf -1.3 Mio. CHF (-51.8%) begrenzt werden. Der Personalaufwand verbesserte sich von -13.7 Mio. CHF auf -11.2 Mio. CHF (-18.3%). Auch der übrige betriebliche Aufwand verbesserte sich um 11.3% auf -4.8 Mio. CHF nach -5.5 Mio. CHF im Vorjahr, was für ein effektives, zielgerichtetes Kostenmanagement spricht.
Nichtsdestotrotz reduzierte sich das EBITDA mit den massiv rückläufigen Erträgen auf 1.69 Mio. CHF nach 7.1 Mio. CHF (-76.2%) im Vorjahr – ein herber Schlag für die in den letzten Jahren erfolgsverwöhnte Rigi Bahnen AG!
Die in der Branche in «normalen Zeiten» vielbeachtete EBITDA-Marge ermässigte sich von zuvor 24.5% (2019) auf 9%. Aber was sind schon «normale Zeiten»? Ein positives EBITDA in dieser Branche und in diesem Umfeld dürfte bereits ein «Erfolgskriterium» sein.
Nach ordentlichen Abschreibungen in Höhe von 3.8 Mio. CHF und dem Finanzaufwand (-0.2 Mio. CHF) stellte sich bei den Rigi Bahnen AG 2020 ein negatives Betriebsergebnis (EBT) von -2.4 Mio. CHF ein.
Allerdings, und dies ist in diesem Kontext durchaus bemerkenswert, führen «ausserordentliche Erträge» in der Grössenordnung von +2.85 Mio. CHF trotz Covid-19-Pandemie immerhin zu einem positiven Jahresergebnis von +0.35 Mio. CHF (Vj. +3.4 Mio. CHF; -89.5%) und verhindern ein Abrutschen in die Verlustzone. Von diesen knapp 2.9 Mio. CHF ausserordentlichen Erträgen entfallen alleine 1.75 Mio. CHF auf die Auflösung stiller Reserven im Anlagevermögen, weitere 0.72 Mio. CHF auf nicht länger notwendige Rückstellungen für die Pensionskasse.
Wohl dem, der solche «stillen Reserven» in Notzeiten erfolgswirksam auflösen kann. Das kann nicht jeder. Allerdings dürfte die Auflösung stiller Reserven nicht ganz freiwillig erfolgt, sondern den äusseren Umständen geschuldet gewesen sein: Wie die Rigi Bahnen AG im Geschäftsbericht 2020 mitteilen, wurde die Auflösung der stillen Reserven vom Bundesamt für Verkehr für alle abgeltungsberechtigten Transportunternehmungen verordnet, «weil die Jahresrechnung neu die tatsächlichen Verhältnisse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ausweisen muss.»
Zur Finanzierung anstehender Investitionen haben die Rigi Bahnen AG 2020 1.5 Mio. CHF als sogenannte «Covid-19-Überbrückungskredite» in Anspruch genommen. Diese Inanspruchnahme von Covid-19-Krediten führt in der Konsequenz dazu, dass die Ausschüttung einer Sach- und Bardividende von Gesetzes wegen untersagt ist. Deshalb schütten die Rigi Bahnen AG in diesem Jahr für das abgelaufene Geschäftsjahr 2020 abweichend zu den Vorjahren auch keine Bar- oder Sachdividende aus.
Mit einer ausgewiesenen Eigenkapitalquote von 54% (Vj. 55%) – die tatsächliche Eigenkapitalquote dürfte aufgrund der «stillen Reserven» deutlich höher liegen – ist und bleibt die Rigi Bahnen AG sehr solide finanziert.
2021: Jubiläumsjahr – Rigi Bahnen AG setzen auf einheimische Gäste.
Der 21. Mai 2021 markiert – siehe unsere vorgängigen Ausführungen zur Historie der Gesellschaft – das tatsächliche und denkwürdige Jubiläum „150 Jahre Rigi Bahnen“. Dieses 150-Jahre-Jubiläum feiern die Rigi Bahnen AG während des gesamten Jahres 2021 unter dem Motto «Gestern.Heute.Morgen» mit ihren Partnern am Berg. Zahlreiche Veranstaltungen und Attraktionen rund um das Jubiläum sollen dabei bereits ab dem Frühling zu einer deutlich höheren Binnennachfrage aus dem Schweizer Markt führen, was sich 2021 im Grundsatz positiv auf den Geschäftsgang auswirken sollte. Allerdings rechnen die Verantwortlichen der Rigi Bahnen AG nicht vor dem 1. Quartal 2022 mit einer Rückkehr der internationalen Gäste. Insofern bleibt für das laufende Jahr 2021 vor allem auch das «Prinzip Hoffnung» (auf 2022) – und die Zuversicht auf wieder bessere Zeiten. Die Schweizer Gäste alleine – oftmals mit Halbtax oder GA unterwegs – dürften die fehlenden internationalen Gäste aus einer rein betriebswirtschaftlichen Perspektive weiterhin nicht kompensieren können, doch leisten sie einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Destination Rigi.
Die Rigi Bahnen AG haben nicht zuletzt mit Blick auf ihre mehr als 150-jährige Geschichte und die guten Ergebnisse der letzten Jahren die Fähigkeit, auch schwache Phasen wie 2020/2021 – aus eigener Kraft – zu überbrücken.
Fazit
Aus Sicht des Verfassers bleibt die «Königin der Berge» eines der attraktivsten und vielseitigsten Tourismusziele der Zentralschweiz. «Kurzfristig» hat die seit mehr als einem Jahr anhaltende Covid-19-Situation den «Gästemix» erkennbar verändert. In dieser Konstellation liegen – wirtschaftlich betrachtet – Risiken, aber auch Chancen begründet. Die Rigi Bahnen AG als eine der wichtigsten Leistungserbringer am Berg geht hier im Angesicht der neuen Lage mit Augenmass und Realismus vor, um gerade auch Schweizer Gäste etwa aus anderen Landesteilen, aber auch solche aus den grenzüberschreitenden Nachbarmärkten, zu einem Ausflug auf die Rigi zu bewegen. Ein «Disneyland am Berg» ist heute weit und breit nicht erkennbar. Gerade die Rigi steht für naturnahe Erlebnisse abseits ausgetrampelter Tourismuspfade!
Die Aktie der Rigi Bahnen AG wird aktuell zu 9.55 CHF gesucht und zu 10.70 CHF angeboten (Stand: 21.04.2021). Auf Basis des zuletzt bezahlten Kurses von 9.60 CHF beträgt die Marktkapitalisierung bei 3.6 Mio. ausstehenden Aktien knapp 35 Mio. CHF. Aufgrund der aktuell tiefen Visibilität im Geschäftsmodell bei schwer prognostizierbaren, pandemiebedingten (Reise-)Risiken verzichten wir auf eine konkrete Empfehlung.
Die kommende Generalversammlung vom 12. Mai 2021 findet – natürlich – ohne physische Präsenz der Aktionärinnen und Aktionäre auf dem schriftlichen Wege statt.
Transparenzhinweis: Der Verfasser ist Aktionär der Rigi Bahnen AG.