Erfolgreiche Unternehmen schaffen Lösungen für Probleme, und dieser Mehrwert bringt ihnen einen Wettbewerbsvorteil und lässt sie prosperieren. Das schlägt sich auch in der Aktienkursentwicklung nieder. Der weltweit führende Kakao-Verarbeiter Barry Callebaut ist ein Vertreter dieser seltenen „Gattung“ von Aktien. Deshalb bietet jeder Kurs-Rücksetzer eine Einstiegsgelegenheit.
„Der Chart erzählt die Geschichte“, so lautet ein bekanntes Börsen Bonmot. Den Rückschlag von Februar und März letzten Jahres hatte die Aktie mit einer Erholungsbewegung weitgehend wettgemacht. Dann folgte Ende April 2021 die Meldung, dass der Grossaktionär Jacobs Holding sich durch ein Private Placement von 10% des Aktienkapitals getrennt hat. Deren Anteil fällt somit auf 30%. Das erhöht zwar Free-Float und Liquidität, hat die Aktie aber auch um rund 8% fallen lassen. Bei vielen Aktien, die eine Korrektur durchlaufen haben, ist das oft gehörte „buy-the-dips“-Argument wahrscheinlich nicht angebracht oder verfrüht, doch bei Barry Callebaut dürfte es so wie bereits im Frühjahr 2020 ins Schwarze treffen.
Halbjahreszahlen zeigen Erholung
Die Zahlen zum ersten Geschäftshalbjahr 2020/2021 per 28. Februar zeigen eine deutliche Erholung, wenn auch die Umrechnung in CHF durch Wechselkurseffekte ein weniger gutes Bild abgibt. So legte das EBIT in Lokalwährungen um 6,5% zu, fiel jedoch in CHF um 2,2%. Der Halbjahresgewinn stieg in Lokalwährungen um 11,1%, in CHF jedoch nur um 1% auf 205.7 Mio. CHF. Dazu trugen auch tiefere Steuerzahlungen sowie günstigere Finanzierungskosten bei. Die Netto-Verschuldung wurde um mehr als 200 Mio. CHF reduziert. Die verarbeiteten Tonnagen erholten sich, liegen aber um 2,9% unter dem Vorjahreswert.
Expansionsschritte
In Norderstedt, Deutschland, wurde im Februar 2021 die erste Fertigung von Schokolade gestartet, die völlig frei von Molkereiprodukten ist. Damit soll dem Nachfragetrend zu veganen Nahrungsmitteln entsprochen werden. Die Fabrik wird den gesamten EU-Raum bedienen. In Indien, einem der am schnellsten wachsenden Schokolademärkte, wird eine neue Schokoladenfabrik die Produktion aufnehmen und industrielle Kunden, Konfiserien, Bäckereien und Patisserien beliefern.
Net Positivity bis 2025
Barry Callebaut hat sich im Rahmen des „Forever Chocolate“-Programms ambitionierte Klima- und Nachhaltigkeitsziele gesetzt – und ist auf gutem Weg, diese auch zu erreichen. Bis 2025 will das Unternehmen net-positive sein, d.h. keine Treibhausgase mehr produzieren, sondern durch das bewusste Wirtschaften sogar Emissionen binden. Abgesehen von offensichtlichen Zielsetzungen wie der Reduzierung des Energieverbrauchs und der vollständigen Substitution durch erneuerbare Energiequellen soll die Zielmarke 2025 vor allem dadurch erreicht werden, dass das Unternehmen neue Wege bei Anbau und Produktion des Rohstoffs Kakao geht.
Nachhaltige Aufforstung
Die wichtigsten Anbauländer sind Elfenbeinküste und Ghana in Westafrika. Rund 75% der globalen Erntemengen stammen aus diesen beiden Ländern. Auf buchstäblich Hunderttausenden von kleinen Farmen wird der Kakao produziert, der dann am Ende zu unserer Schokolade wird. Intensiver Anbau, Einsatz von Düngemitteln und Monokulturen bestimmen das Bild. Eine Folge davon ist ein hoher Verlust von Waldflächen. Zwischen 2002 und 2019 verlor die Elfenbeinküste 25% ihrer Primärwälder und Ghana 8%. Dieser Prozess soll nun umgekehrt werden. Die Kakao-Pflanze gedeiht ohnehin nicht besonders gut in Monokulturen, sondern benötigt den Schatten hoher Bäume. Im Amazonasbecken sowie Zentralamerika war die Kakao-Pflanze über Jahrtausende in den Primärwäldern kultiviert worden. Die Ureinwohner verwendeten als nachhaltigen Dünger die sogenannte Terra preta, die in den letzten Jahren verstärkt wiederentdeckt wurde. Es ist nichts anderes, als Bio-Kohle, die hauptsächlich aus Pflanzenresten hergestellt wird.
Altes Wissen und neue Technologien
Die CO2-speichernde Bio-Kohle stellt einen Schwerpunkt für Barry Callebaut dar. In den letzten Jahren wurden 400’000 Farmer geschult und Millionen Setzlinge gepflanzt, darunter auch weitere Kulturpflanzen wie Kokospalmen, Bananenstauden, Mahagoni und Mandarinen, die gut mit Kakao harmonieren und die Einkommensmöglichkeiten der Farmer erweitern. Durch die Pflanzungsinitiativen sollen die Primärwälder nachhaltig aufgeforstet werden. Abgesehen von der CO2-Speicherung durch Bäume und Bio-Kohle geht es auch mit Priorität darum, gesunde Habitate für Bestäuber wie Vögel, Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten zu schaffen.
Space Technologies und Kakaoanbau
Neben dem vergessenen alten Wissen, wie zur Bio-Kohle, wird auch modernste Technologie eingesetzt, etwa ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Monitoring-Verfahren, das mit der ETH Zürich erarbeitet wurde. Hierbei werden Daten von NASA und ESA dazu verwendet, um ein möglichst genaues Bild von Ausdehnung, Qualität und Zustand von Farmen und Wäldern zu erhalten. Die innovative Methodik soll Barry Callebaut bei der Erreichung des Ziels unterstützen „forest-positive“ zu werden.
Beispiel Elfenbeinküste
In der Elfenbeinküste wird seit Mai 2021 ein 300 Hektar umfassendes zerstörtes Waldgebiet mit 35 verschiedenen Pflanzen wieder aufgeforstet. Das ist nachhaltig. Es gibt viele Beispiele, wo abgeholzter Regenwald durch z.B. schnell wachsende Eukalyptus-Monokulturen wiederaufgeforstet wird, wie von BHP vor einigen Jahren in Brasilien. Eukalyptus kommt aber in Brasilien gar nicht vor und bietet als Monokultur weder Bienen noch Kolibris Lebensraum. Das ist „Greenwashing“.
Investment Case
Der Investment Case für Barry Callebaut liegt primär in der führenden Rolle in der kakaoverarbeitenden Industrie, die mit einer hohen Profitabilität sowie soliden Wachstumsraten einhergeht. Um jedoch die führende Rolle auch in Zukunft zu spielen, gibt das Unternehmen in der Industrie den Takt vor. Gerade weil die wichtigsten Anbauländer in Westafrika, Lateinamerika und Südost-Asien in den stark geschrumpften „grünen Lungen“ der Welt liegen und weite Teile der Bevölkerung in Armut und Unbildung leben, kommt den diversen Initiativen von Barry Callebaut sowie Industrievereinigungen zur Umsetzung der 17 SDGs eine wichtige Rolle zu, um die negativen Entwicklungen in positive mit nachhaltigen Auswirkungen umzuwandeln. Bessere Ernteerträge, bessere sowie rückstands- und sklavenfreie Schokolade, mehr Einkommen für die Farmer, Aufforstung und emissionsfreies Wirtschaften.
Fazit
Die institutionellen Anleger suchen intensiv nach wirklichen und nachhaltigen ESG-Aktien. In Schweden wurden bereits zertifizierte „grüne“ Aktien emittiert. Die Methodik ist von den inzwischen boomenden „Greenbonds“ abgeleitet, aber noch nicht abschliessend definiert – wie so vieles in der ESG-Rating Thematik. Sicher aber ist, dass wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen, die klare ESG-Leader sind, wie SIG Combibloc, Belimo oder Barry Callebaut, weiterhin an der Börse gesucht sein werden. Sei es, weil die Wachstumsraten über denen vergleichbarer Unternehmen liegen, sei es, weil die institutionellen Investoren die CO2-Intensität ihrer Portfolien absenken wollen, um auch für ESG-orientierte Anleger attraktiv zu sein.