Kursaal Bern: Was bringen Kapitalerhöhung und IPO an der BX Swiss?

Börsenkotierung 160 Jahre nach der Gründung

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Bisher wird die Aktie der Kursaal Bern ausserbörslich gehandelt. Seit 11. Juni läuft nun die Zeichnungsfrist für neue Aktien im Rahmen des IPOs an der BX Swiss. Erster Handelstag ist voraussichtlich der 29. Juni. Was ist von dem Zeichnungsangebot und den Perspektiven der in drei Geschäftsbereichen tätigen Kursaal Bern zu halten?

Zunächst verwundern das Timing und die Wahl der Börse, bei der es sich ja um die ehemalige „Berner Börse“ handelt. Die Wettbewerberin der SIX machte in den letzten Jahren eher Schlagzeilen, weil etliche Aktien dekotiert wurden, um dann an den ausserbörslichen Märkten wie OTC-X den Handel zu bereichern. Kursaal Bern geht den umgekehrten Weg, und das macht auch Sinn im Kontext der „Berner Allianz“, bei der Kursaal Bern eine treibende Kraft darstellt.

Ein Ort zum Verweilen: die idyllische Gartenanlage des Kursaal Bern. Bild: PD
Timing

Über das Timing lässt sich streiten. Einerseits hat die Gesellschaft eben einen Jahresverlust von 8.4 Mio. CHF für 2020 veröffentlicht und eingeräumt, dass alle drei Geschäftsbereiche schwer von der Pandemie betroffen waren, andererseits befinden sich die Aktienbörsen auf Rekordkurs, und die Aufnahmebereitschaft für Neuemissionen ist hoch.

Kapitalerhöhung und Aktionariat

Positiv hervorzuheben ist, dass es sich tatsächlich um eine Kapitalaufnahme handelt. Der Emissionsertrag fliesst vollständig der Gesellschaft zur Finanzierung des Wachstums zu. Abgaben von Altaktionären im Rahmen des IPOs gibt es nicht. Mitglieder von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung unterwerfen sich einer Lock-up-Verpflichtung von 12 Monaten, bestimmte Ankeraktionäre von 6 Monaten. Die neuen Aktien werden in der Bookbuilding-Spanne von 350 CHF bis 380 CHF zur Zeichnung angeboten. Zwei Aktien berechtigen zum Bezug einer neuen Aktie. Auf Basis der Mitte der Spanne, also 365 CHF, errechnet sich nach Abzug der IPO-Kosten ein Netto-Mittelzufluss an die Gesellschaft von 13.8 Mio. CHF. Die Bezugsrechte werden nicht gehandelt. Nicht bezogene Aktien werden bei bestehenden oder interessierten Investoren platziert. Die Gesellschaft hat rund 2’000 Aktionäre. Vor dem IPO halten eine Reihe von privaten und institutionellen Investoren insgesamt 40%, davon entfallen 34% auf Anteile über 3%, darunter sind Willy Michel mit 10,2% und Hansjörg Wyss mit 7,5% sowie die Patronale Fürsorgekasse der Securitas Gruppe mit 9,9%.

Schlüssel-Finanzzahlen Konzernrechnung. Datengrundlage: Konsolidierte Jahresrechnung der Kursaal Bern Gruppe in Mio. CHF. Quelle: Kursaal Bern
Mittelverwendung

Eine der Kernfragen betrifft die Mittelverwendung. Laut Prospekt soll in alle drei Geschäftsbereiche investiert werden. Diese sind Hotellerie und Gastronomie, Kongressgeschäft sowie der Betrieb von zwei terrestrischen Casinos und zwei Online-Casinos. Obwohl Zusammenhänge bestehen, ist es doch fraglich, ob die Synergien aus den drei, eigentlich vier, Geschäftsbereichen so gross sind, dass die neu formulierte „All-in-One“-Strategie plausibel ist und bleibt. Das Online-Casinogeschäft funktioniert doch anders als das der landbasierten Spielbanken. Während in den terrestrischen Casinos Standort und damit Erreichbarkeit, Flair und soziale Komponenten durchaus eine Rolle spielen, gilt dies im Cyberspace praktisch nicht.

1) Umfasst die Bereiche Kongresszentrum, Hotel&Gastronomie sowie Nebenleistungen; 2 ) GOP: Gross Operating Profit. Quelle: Kursaal Bern
Ausgangslage der Online-Casinos

Wie bei allen kommerziellen Online-Aktivtäten zeichnet sich auch im Glücksspielgeschäft ab, dass einige wenige Marktführer den Grossteil der Marktanteile auf sich vereinigen. Oft, wenn auch nicht immer, sind die First-Mover auch später diejenigen, die den Markt dominieren. Kursaal Bern kam mit dem Online-Angebot „7melons.ch“ erst im September 2020 an den Markt. In den ersten drei Monaten wurden im Onlinecasino der Berner nur gerade einmal 1.2 Mio. CHF erspielt, wie dem Geschäftsbericht der Spielbankenkommission zu entnehmen ist. Kursaal Bern ist wie an der terrestrischen Casino-Gesellschaft auch zu 55% an der Online-Tochter beteiligt. Die Online-Konzession für „hurrah.casino-neuchatel.ch“ ist bewilligt, der Markteintritt steht kurzfristig bevor. Hier liegt die Beteiligungsquote bei 98%.

Marketing kostet

Der Online-Marktführer in der Schweiz, Kursaal-Casino Luzern, publizierte für 2020 einen mehr als verdreifachten Marketingaufwand von 15.7 Mio. CHF, der zweifellos hauptsächlich im Online-Segment angefallen ist. Zwischenzeitlich sind in der Schweiz neun Online-Konzessionen erteilt, es dürften noch einige mehr werden. Diese Grössenordnung der Luzerner relativíert, was Kursaal Bern mit dem Emissionsertrag im Online-Bereich bewegen kann.

Investitionen zur Steigerung der Attraktivität

Für die landbasierten Casinos ist zu erwarten, dass sich die Besucherzahlen nach dem Abklingen der Pandemie schrittweise erholen werden. Ein Teil des Emissionsertrags soll daher in den Umbau der beiden Restaurants fliessen. Im Hotelbereich soll der Markenaufbau gestärkt werden, im Kongresszentrum wird in neue digitale Technologie investiert. In allen Bereichen sollen die Investitionen die Attraktivität in den sowohl wettbewerbsintensiven als auch von der Pandemie betroffenen Geschäftsbereichen steigern und ausbauen.

Die Vision von Bern als Kongress-Stadt

Dahinter steht die Vision, dass Bern sowohl als Hauptstadt als auch aufgrund der zentralen Lage in der Schweiz als Kongress-Stadt noch viel Potenzial aufweist. Nicht nur mit Blick auf Politiker, Regierungen und supranationale Institutionen ist der Standort entwicklungsfähig, sondern auch mit Blick auf Forscher, Wissenschaftler, Ärzte und andere Professionen, die den Austausch von Wissen mit Kollegen suchen und schätzen. Ja, es muss nicht immer Boston, Paris, Zürich oder Wien sein; für Bern bestehen berechtige Perspektiven, Marktanteile hinzuzugewinnen. Auf der anderen Seite dürfte die Pandemie einen nachhaltigen Knick in den Präsenzzahlen ausgelöst haben. Auch nach dem Abklingen werden viele Teilnehmer von Kongressen die kostengünstigere Online-Variante wählen. Ob eine vielleicht insgesamt gesteigerte Teilnehmerzahl die Umsatzrückgänge der physischen Teilnehmer auffangen kann, wird sich erst zeigen.

Faktoren für die Hotellerie

Das Kongressgeschäft führt auch zur Hotellerie. Gesamtpakete beinhalten Kongress + Hotel. Belebt sich das kompetitive Hotelgeschäft nicht schnell und nachhaltig, leidet auch die Profitabilität. Der Tourismus war für Bern in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, doch eine vollständige Erholung auf das Niveau von 2019 ist zumindest kurzfristig nicht zu erwarten. Explizit weist der Prospekt auch auf die Abhängigkeit vom Wetter hin, da sich Urlaubsreisende daran orientieren. Eine gewisse Stabilität bringt jedoch die Einbindung des neu positionierten Swissôtel Kursaal Bern in das Reservierungssystem des französischen Hotel-Multis Accor.

Neuland Online-Casinos

Die Synergien zum Glücksspielgeschäft sind dagegen nicht so offensichtlich. Mag es bei den landbasierten Casinos auch Besucher geben, die im Hotel übernachten und die Restaurants besuchen, so funktioniert das Online-Casino doch unter anderen Bedingungen. Was beide jedoch gemein haben, ist, dass die Konzessionen nur bis Ende 2024 laufen und zuvor für die nachfolgende Periode erneut beantragt und erteilt werden müssen. Nichts spricht heute gegen eine Verlängerung der Spielkonzessionen, doch drei Jahre sind eine lange Zeit, in der sich auch Änderungen im Spielverhalten oder von regulatorischer Seite nicht ausschliessen lassen. Zudem betritt die Gesellschaft nach ihren eigenen Worten „weitgehend Neuland“ im Online-Casinogeschäft, sodass sich eine gewisse Unsicherheit nicht ignorieren lässt.

Kapitalbedarf und Dividendenperspektiven

Braucht die Gesellschaft das frische Kapital? Ja, zumindest wenn sie unternehmerisch handlungsfähig sein will. Der Umsatz hat sich 2020 halbiert, die flüssigen Mittel haben um über 20 Mio. CHF abgenommen. Während der Pandemie wurden 3.6 Mio. CHF an Covid-Krediten aufgenommen. Weiterhin flossen sogenannte Härtefallgelder an Kursaal Bern oder die Töchter. Die finanzielle Ausgangslage diktiert auch die Dividendenperspektiven. Ausschüttungen sind erst erlaubt, wenn alle Covid-Kredite getilgt sind. Ausserdem gilt ein Dividendenverbot für drei Jahre, wenn à-fonds-perdu-Beiträge des Kantons Bern gewährt wurden, wie bei Kursaal Bern. Die Dividendenfähigkeit kann somit frühestens 2024 erreicht werden. Danach soll eine angemessene Dividende bezahlt werden. Die Pay-out-Ratio soll wie in der Vergangenheit bei 10% bis 15% des Jahresgewinns liegen. An der diesjährigen GV wurde die Vinkulierung der Aktien aufgehoben, um kapitalmarktfähig zu werden.

Akquisitionen im Visier

Dezidiert will die Gesellschaft sowohl organisch als auch anorganisch wachsen. Das heisst im Klartext, dass auch Akquisitionen gesucht werden. Allerdings dürfte der überschaubare Emissionsertrag keine grosse Sprünge zulassen. Viel mehr als kleinere Arrondierungszukäufe sind schwer vorstellbar, bedenkt man die Kosten der Positionierung der Online-Angebote und die sonstigen geplanten Investitionen.

Bewertung und Profitabilität

Das Geschäftsjahr 2020 verlief nicht gerade überzeugend. Der Verlust je Aktie belief sich auf 120.73 CHF. Noch im Vorjahr lag der Gewinn je Aktie bei 52.99 CHF. Dennoch stellt sich die Eigenkapitalquote zum Bilanzstichtag 31.12.2020 auf 59,79%, nur 1% unter dem Vorjahreswert. Interessant ist auch der hohe Buchwert von 845 CHF (exkl. Minderheiten) gegenüber dem letztbezahlten OTC-X-Kursen um 400 CHF. Das KBV beträgt somit 0.48! Die Bewertung liegt damit aktuell bei gerade 33 Mio. CHF, vor dem IPO. Nach erfolgter Platzierung dürfte die Marktkapitalisierung in etwa bei 45 Mio. CHF liegen. Der Enterprise Value, also inklusive Fremdkapital, bewegt sich vor dem IPO bei rund 55 Mio. CHF.

Der „andere“ Investment Case

Über die Perspektiven der drei oder vier Geschäftsbereiche und der „All-in-One“-Strategie kann man zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, immerhin ist der wirtschaftliche Ausblick noch von vielen Unwägbarkeiten behaftet. Und Bern als Kongress-Stadt sichtbarer auf die nationale und globale Landkarte zu bringen, kann nicht von der Gesellschaft allein bewerkstelligt werden. Ob die Online-Expansion im Casino-Bereich letztlich profitabel sein wird, bleibt abzuwarten. Was aber für langfristig denkende Investoren trotzdem interessant ist und bleibt, ist der enorme Vermögenswert, der im Immobilienvermögen im Herzen Berns versteckt ist.

Fazit

Wenn auch die Pandemie einen hohen Tribut forderte, so konnte die Gesellschaft doch die negativen Auswirkungen auf die Finanzposition und damit die unternehmerische Handlungsfähigkeit stark begrenzen. Das spricht für Disziplin und Umsicht. Der Zeitpunkt für das IPO und die Kapitalerhöhung erscheint opportunistisch und damit gut gewählt. Ob allerdings die „All-in-One“-Strategie schlagkräftig sein wird und zur Erreichung der Unternehmensziele – Stärkung der Marktposition in allen Bereichen – führen wird, muss sich in den kommenden Jahren erweisen. Während die terrestrischen Casinos wohl absehbar eine Erholung erfahren, sind Kongress- Hotel- und Online-Casinogeschäft auch von Faktoren wie Tourismus, Wetter, Regulierung und vor allem intensivem Wettbewerb geprägt.

Es ist der traditionsreichen Kursaal Bern zu wünschen, dass konjunkturelle und sonstige Aufwinde die Erreichung der Ziele begünstigen. Im „worst case“ droht jedoch nicht das Ende der Gesellschaft. Mit etwas Fantasie ist auch vorstellbar, den Exit aus unwirtschaftlichen Aktivitäten zu suchen und im Gegenzug die Immobilien in allerbester Lage so zu rentabilisieren, sodass deren tatsächlicher Marktwert sichtbar wird. Das Immobilienvermögen dürfte deutlich über der aktuellen Marktkapitalisierung liegen. Die Zeichnung der Aktie ist den Investoren zu empfehlen, die einen langfristigen Anlagehorizont haben und geduldig die nächsten drei dividendenlosen Jahre abwarten können. Sie können entweder die Vision des Verwaltungsrats teilen oder die Realisierung des Immobilienvermögens im Blick haben.

Im Interview mit schweizeraktien.net verrät Verwaltungsratspräsident Dr. Daniel Buser, wo er grosses Potenzial für nationale und internationale Kongresse in Bern sieht, wo er genau ansetzen will und warum die anderen Schweizer Kongressstandorte nun zittern müssen.

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