Mathias Imbach, CEO Sygnum: „Die Tweets von Musk werden an Relevanz verlieren“

Schweizer Digital Assets Spezialist mit globalen Ambitionen

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Sygnum ist in der Schweiz von der Finma als weltweit erste Krypto-Bank lizensiert worden. Darüber hinaus besteht eine Asset-Management-Lizenz in Singapur. Beide Standorte bilden die globale Speerspitze in der Entwicklung des regulierten Krypto-Bankings. Erfahren Sie im Interview mit Mathias Imbach, dem CEO von Sygnum, wodurch sich Krypto-Banken von anderen unterscheiden, wie Digital Assets zur Demokratisierung der Anlagewelt beitragen und warum es unwahrscheinlich ist, dass Bitcoin & Co. verboten werden.

Herr Imbach, was genau kann sich der Anleger unter einer Krypto-Bank vorstellen, und wie sieht Ihr Geschäft aus?

Eine Kryptobank wie Sygnum zeichnet sich dadurch aus, dass sie eher eine Technologiefirma mit Fokus auf Digitale Vermögenswerte mit einer Banklizenz ist als eine Bank mit einer IT-Abteilung. Wir decken die gesamte Wertschöpfungskette für Digitale Vermögenswerte ab. Dazu gehört die Verwahrung sowohl für FIAT als auch Kryptowährungen, Stable Coins und Asset Token zum einen. Zum anderen ein 24/7-Trading, ein Lombard-Kredit-Geschäft mit Kryptowährungen als Sicherheit und eben die Tokenisierung, wo wir Vermögenswerte digitalisieren und effizient transferierbar machen. Dies sowohl für den Primärmarkt als auch für den Sekundärmarkt. Hier betreiben wir ein offenes Handelssystem für digitale Vermögenswerte, das von der FINMA genehmigt ist. Unser Ziel ist ein All-in-one-Account-Ansatz, durchgehend reguliert mit Fokus auf institutionelle, qualifizierte Privatinvestoren sowie auch Banken.

Mathias Imbach, Sygnum
Mathias Imbach ist Co-Gründer und CEO der Sygnum Bank. Bevor er Sygnum mit gründete, war Imbach General Manager bei RNT Associates, der persönlichen Investmentplattform von Ratan N. Tata. Er leitete mehrere Risikokapital- und Private-Equity-Investitionen und beteiligte sich an Blockchain/ DLT-bezogenen Aktientransaktionen auf der ganzen Welt. Seine Karriere startete Imbach bei Bain & Company, wo er Beratungsprojekte für Private Equity Fonds, Family Offices und Technologieunternehmen leitete. Studiert und doktoriert hat er an der Universität St. Gallen sowie der London School of Economics (LSE). Bild: schweizeraktien.net

Technologiefirma mit Banklizenz statt einer Bank mit IT-Abteilung … das hört sich an wie bei Tesla: Tesla sagt auch, sie haben um einen Computer ein Auto herum gebaut und kein Auto, das mit Software bestückt wurde …

Der Vergleich mit Tesla kann teilweise ins Feld geführt werden, ja. Auch wir hatten den Vorteil, keine Rücksicht auf bestehende Strukturen und im IT-Bereich auf viele veraltete Legacy-Systeme nehmen zu müssen und die Finanzinfrastruktur der Zukunft mit den heute zur Verfügung stehenden Technologien aufbauen zu können. So können wir in einer schlanken Struktur eine Bank für die digitale Zukunft bauen, ohne uns mit Altlasten beschäftigen zu müssen.

Sygnum ist ja weltweit eine der ersten mit einer Banklizenz ausgestattete Krypto-Bank. Wie hat sich der regulatorische Prozess gestaltet?

Für uns war von Anfang an klar, dass wir den regulierten Weg gehen wollen. Denn es war und bleibt wichtig, Vertrauen in diese noch junge und aufstrebende Industrie zu bringen. Gerade Leute, die Drittgelder entgegennehmen und verwalten, sollen sich mit uns als Gegenpartei wohlfühlen. In diesem Kontext ist ein regulatorischer Rahmen sehr wichtig. Es war auch wichtig, dies an einem starken Finanzplatz zu tun. Daher haben wir die Schweiz und Singapur gewählt. Die Schweiz ist heute weltweit absolut führend, wenn es um regulatorische Klarheit geht. Wir verkaufen Vertrauen, gebündelt mit schweizerischer Qualität und Bodenständigkeit.

Wie ist der Prozess verlaufen?

Er war sehr konstruktiv, geprägt von gegenseitigem Lernen – aber auch anstrengend und fordernd. Das Gesuch wurde im Oktober 2019 gestellt, nach monatelanger Vorarbeit und einem engen Austausch mit verschiedenen Stakeholdern. Die Banklizenz haben wir im August 2019 erhalten. Anschliessend begann ein stufenweises Aufschalten der Lösung. Während des gesamten Prozesses hat uns die Finma sehr eng begleitet, weil es ja auch um die Reputation des Finanzplatzes Schweiz ging. Sie tut dies auch weiterhin. Unsere Kunden können versichert sein, dass wir regelmässig revidiert und durch den Regulator eng begleitet werden.

Sprechen wir nun über den Bitcoin, mit dem ja alles begann. Dass die Preise gestiegen sind, hängt mit der wachsenden Nachfrage nach alternativen Anlageformen insbesondere seit der Finanzkrise 2008/2009 zusammen. Was ist Ihrer Ansicht nach der intrinsische Wert des Bitcoin?

Das ist natürlich die „Billion-Dollar-Question“. Die darunterliegende Blockchain-Technologie ist eine Erfindung, deren Tragweite aus meiner Sicht bis heute von vielen unterschätzt wird. Eine Erfindung, die zeigt, dass man Originale und nicht Kopien jederzeit zwischen Parteien überall auf der Welt nur mit Zugang zum Internet einfach und innerhalb von Sekunden ohne Zutun von weiteren Mittelsmännern übertragen kann. Dies ohne zentralen Knoten, komplett sicher und für immer nachvollziehbar und nicht veränderbar. Alleine dieses Netzwerk hat extrem viel Wert. Dies ist seit 2012 für mich persönlich die wichtigste Investmentthese für Bitcoin und bleibt es auch.

Ist der Bitcoin aus Ihrer Sicht eine Währung, ein Zahlungsmittel, ein Rohstoff, wie in den USA in der Regulierung eingestuft, oder ein Vermögenswert?

Sagen wir es so. Für die meisten Orte der Welt eignet sich Bitcoin nicht als Währung. Zumindest nicht dort, wo es Vertrauen in den Staat und die Fiskalpolitik gibt. Wo Vertrauen fehlt, kann aber auch die Währungsthese funktionieren. El Salvador lässt grüssen. Dies haben wir auch mit Frau Dr. Maechler am Branchentalk diskutiert. Daher ist ein Bitcoin ein „Store-of-value“, also ein Wertaufbewahrungsmittel. Ich vergleiche es eher mit Gold, also sozusagen „digitales Gold“. Wenn man es sich genau anschaut, sind die meisten Charakteristika von Gold gegeben. Sogar noch mehr, denn die Übertragbarkeit ist deutlich einfacher und effizienter als bei Gold. Und gerade für die jüngeren Generationen ist „digitales Gold“ der logische nächste Schritt.

Sie sagen auf Ihrer Website, dass geschätzte drei Mio. Bitcoin von den 18.7 Mio. ausstehenden Einheiten für immer verloren sind. Können Sie das bitte erklären?

Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass ca. 20% der zirkulierenden Bitcoins nicht mehr zugänglich sind. Gerade aus der Anfangszeit sind Private Keys oder Wallets verloren gegangen. Diese werden wohl auch nicht mehr auftauchen. Es gibt die Geschichte von einem Bitcoin-Eigner in England, der 200 Mio. US-Dollar Bitcoin Gegenwert auf einem Laptop in einer Wohnung liegengelassen hatte, die später abgerissen wurde. Deshalb wurden ganze Bauplätze für viel Geld umgepflügt, nur um den Laptop zu finden.

Wie könnte es mit den sogenannten Kryptowährungen weitergehen? China, Türkei und etliche Länder mehr sind restriktiv oder haben den Handel ganz verboten. In den USA weht unter der neuen Administration ebenfalls ein anderer Wind. Besteht das Risiko, dass die Kryptowährungen eines Tages ganz verboten werden?

Diese Sorge habe ich nicht. Im Gegenteil. Sie könnten in Ihrer Aufzählung auch noch die BIZ aufführen, die vergangene Woche eine höhere Eigenkapitalunterlegung für Kryptowährungen in der Bilanz einer Bank verlangt hat. Sygnums technische Infrastruktur segregiert die Kundeneinlagen bis auf die Blockchain, d.h. Kryptowährungen können so „off balance sheet“ und folglich ohne Kapitalhinterlegung gehalten werden. Dies reduziert auch das Gegenparteienrisiko der Kunden und entspricht dem Gedanken der Blockchain-Technologie. Insgesamt ist dieser Trend aber ein Zeichen für das Reifestadium des Marktes. Die Regierungen merken vermehrt, dass die Kryptowährungen nicht mehr weggehen werden. Daher beschäftigen sie sich mit diesem Thema, was auch zu stärkerer Regulierung führt. Dies war unsere These seit 2017. Es geht auch darum, die Kontrolle über die Bevölkerung zu behalten. Schauen Sie sich die Länder an, die den Handel mit Kryptowährungen verbieten. Es sind mehrheitlich autokratische Staaten. Aufhalten wird man diese Entwicklung langfristig kaum, aber die Adoptionsrate kann durch staatliche Interventionen und Verbote sicherlich verlangsamt und regional unterschiedlich ausfallen.

Was ist davon zu halten, dass Persönlichkeiten wie Elon Musk mit einem Tweet starke Preisbewegungen z.B. bei dem als Witz gestarteten DogeCoin bewirken oder den Bitcoin erst pushen, dann abstürzen lassen?

Musk ist sowieso ein Phänomen, und ich bin teilweise überrascht, was er sich als Gewährsträger börsenkotierter Firmen erlaubt, respektive was bisher durch die Regulatoren unbeachtet blieb. Auch das ist ein Zeichen für das Reifestadium des Marktes. Es zeigt, dass der Markt für Kryptowährungen weiterhin in einem frühen Reifestadium ist. In vielen Märkten, die noch nicht reif sind, gibt es solche Kursbeeinflussungen und oft emotional geführten Diskussionen. Die Tweets von Musk werden über die Zeit an Relevanz verlieren.

Wie bewerten Sie die Umweltbedenken, die im energieintensiven „Schürfen“ von Coins begründet sind?

Der Energieverbrauch beim Mining von Bitcoins war schon 2017 im Rampenlicht, ist also nichts Neues. Er bleibt eine Herausforderung, die nicht ignoriert werden kann und soll. Es gibt daher neue Konzepte als Alternative zum „Proof-of-work“, wie „Proof-of-stake“, die genau an diesem Punkt ansetzen. Ausserdem nutzen immer mehr Miners überschüssige Energie, die sonst ungenutzt bleiben würde.

Wenn man Bitcoin als digitales Gold betrachtet, wäre auch eine saubere Analyse des Energie- und Ressourcenverbrauchs beim Herstellungsprozess von Gold sowie der Logistik danach notwendig, um hier einen sinnvollen Vergleich machen zu können. Am Ende schneidet der Bitcoin vielleicht besser ab, weil die energieintensive Logistik beim Bitcoin wegfällt. Aber grün ist der Bitcoin auf keinen Fall. Was es braucht, sind unabhängige, wissenschaftlich fundierte Analysen, Zahlen und Fakten. Diese fehlen heute noch weitestgehend.

Kommen wir zu den digitalen Assets. Bitte erläutern Sie unseren Lesern kurz, was alles tokenisiert werden kann und warum das dem Anleger neue Möglichkeiten erschliesst?

Grundsätzlich kann alles tokenisiert werden, was einen realen Wert darstellt. Bei Sygnum fokussieren wir uns aufgrund von empirischer Nachfrage auf vier Investitionsmodule: Venture Capital im Wachstumsstadium, mittelgrosse KMU oder Mid Caps, Real Estate und Arts & Collectibles. Seit im Februar die neue DLT-Gesetzgebung in der Schweiz in Kraft getreten ist, können wir sogenannte Registerwertrechte herausgeben. Persönlich finde ich Arts & Collectibles einen der spannendsten Anwendungsbereiche. Wir haben schon Weine tokenisiert oder Kunstwerke von namhaften Künstlern. Es ist eine effiziente Technologie zur Übertragung von emotionalen Investmentobjekten, die bisher nicht direkt haltbar und auch teilbar waren. Hier sind wir noch ganz früh in der Evolution, aber ich bin davon überzeugt, dass das Thema in den nächsten 5 bis 10 Jahren signifikant wachsen und weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Ist es denn angesichts der derzeit erreichten Mondpreise bei den meisten Anlageklassen überhaupt empfehlenswert, in exotische Vermögenswerte wie Wein oder Oldtimer zu diversifizieren? Würden diese Assets in einem Crash-Szenario nicht genauso auf den Markt geworfen werden wie Aktien oder Anleihen, eventuell sogar in gesteigertem Ausmass?

Wir machen bei Sygnum aktuell keine Portfolio-Beratung. Daher möchte ich mich zu einzelnen Anlageobjekten und deren potenzielle Wertsteigerung nicht äussern. Grundsätzlich sollten Anleger ihr entsprechendes Risikoprofil beachten. Wer nicht bereit ist, ein der Anlageklasse entsprechendes Risiko zu tragen, sollte auch nicht in digitale Vermögenswerte investieren.

Bei Arts & Collectibles gibt es die emotionale Komponente. Wer schon immer einmal im Besitz eines Picassos sein wollte, kann sich so an einem Kunstwerk oder an anderen Gegenständen, die er gerne (mit)besitzen möchte, beteiligen. Die Tokenisierung ist auch eine Art Demokratisierung der Anlagewelt.

In den Webinaren und der Präsenzveranstaltung zu digitalen Assets von schweizeraktien.net wurde deutlich, dass die meisten Anleger gar nicht oder nur im Prozentbereich in Krypto-Assets engagiert sind. Das Interesse der institutionellen Investoren hat mit dem vertikalen Preisanstieg des letzten Jahres zwar zugenommen, um jedoch wirklich einen Diversifikationseffekt zu haben, müsste doch der Anteil bei wenigstens 5% oder 10% liegen. Wie sehen Sie das?

Unser Head Asset Management verfolgt hier andere Modelle, die rational und faktenbasiert sind. Schon bei 2 bis 3% in der Asset Allokation wird ein signifikanter positiver Diversifikationseffekt erreicht. Empirisch zeigt sich, dass wir uns mitten in der Professionalisierung dieser Industrie befinden. Manche Banken würden sich vielleicht wundern, wenn sie die Details kennen würden, welche ihrer Kunden ein Krypto-Exposure haben und wo sie diese Vermögenswerte verwahren.

Wie sieht es bei den digitalen Vermögenswerten mit der Regulierung aus? Können Pensionskassen, Versicherungen oder Investment-Fonds einfach so ihr Anlage-Universum erweitern?

Wir sind hier immer noch am Anfang einer Entwicklung. Am ehesten gehören Kryptowährungen zu den alternativen Anlagen. Es braucht aber sicherlich noch einen Kulturwandel in den Institutionen, um das Thema breiter abstützen zu können. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass auch Nationalbanken eines Tages aus Diversifikationsgründen Bitcoin halten werden.

Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit der SIX, und was sind die Ziele?

Gemeinsam mit der SIX Gruppe sind wir an den Joint Ventures „Daura“ und „Custodigit“ beteiligt. Daura fokussiert dabei auf Schweizer KMU und zählt auch Retailinvestoren zu seinen Kunden. Sygnum ist neben der Schweiz und Singapur auch international ausgerichtet und richtet sich mit seinem Angebot vor allem an institutionelle Investoren. In der Zukunft wird es sicherlich Überlappungen geben.

Arbeiten Sie auch mit der SDX, der Swiss Digital Exchange, zusammen?

Wir freuen uns darauf, wenn die SDX live geht, und arbeiten daran, Mitglied der SDX zu werden.

Beim Stichwort Börse drängt sich auch die Frage nach Ihren IPO-Plänen auf? Vielleicht erwägen Sie auch ein Direct Listing wie Coinbase oder eine Übernahme durch eine SPAC-Gesellschaft? Was können Sie unseren Lesern dazu verraten?

Unsere Aktien sind schon vollständig tokenisiert. Daher sollte ein IPO schon digital, also über Tokenemission, stattfinden. Aus Gründen des Interessenskonflikts vielleicht besser nicht auf unserer eigenen Plattform. Eine Publikumsöffnung ist aber kein kurzfristiges Ziel, und es ist noch zu früh, einen solchen Schritt konkret ins Auge zu fassen. Derzeit sind wir sehr stabil finanziert und haben in den letzten Monaten auch schwarze Zahlen geschrieben. Gleichzeitig haben wir letzte Woche nochmals eine neue Finanzierungsrunde lanciert, bei der wir Kapital von bestehenden und neuen Investoren, strategischen Partnern aufnehmen möchten, um unser Eigenkapital zu stärken und signifikant weiter in unsere Technologieinfrastruktur zu investieren.

Geben Sie uns bitte zum Abschluss noch Ihren Ausblick auf die Krypto-Märkte für die Zeit bis 2025. Was wird sich ändern, warum und wie?

In fünf Jahren sind wir bestimmt an einen Punkt, an dem Kryptowährungen den Weg in jedes diversifizierte Portfolio gefunden haben werden. Elemente von „centralized finance“ werden mit „decentralized finance“ viel stärker verwoben sein. Und auch in 5 Jahren werden Vertrauen und schweizer Tugenden weiterhin wichtige Pfeiler unserer Finanzindustrie sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mitarbeit: Karim Serrar

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