Die Hypotherkarbank Lenzburg (Hypi) ist stets eine der ersten Schweizer Retailbanken, die ihre Geschäftszahlen kommunizieren. Am 7. Juli nach Börsenschluss rapportierte die Hypi ihr Semesterergebnis. Und das kann sich sehen lassen: Der Geschäftsertrag stieg um 6,6% auf 44.4 Mio. CHF. Auch der Halbjahresgewinn fiel mit 9.3 Mio. CHF um 8,0% höher als im 1. Semester 2020 aus. Die Regionalbank profitierte dabei von einem starken Rückgang des Zinsaufwandes sowie deutlich höheren Erträgen aus der Vermögensverwaltung und dem Handel. Ausserdem zogen die Erträge aus dem Softwaregeschäft mit Finstar kräftig an, ebenso wie die Zahl der Kontoeröffnungen bei der Smartphone-Bank Neon: 70’000 Kunden und Kundinnen nutzten im Juni 2021 Neon und besitzen daher eine Bankbeziehung zur Hypothekarbank Lenzburg.
Kerngeschäft mit Hypotheken wächst langsamer
Im Zinsengeschäft, das einen Anteil von rund zwei Drittel zum Gesamtertrag der Bank beisteuert, konnte die Bank mit einem Plus von 3,8% beim Netto-Erfolg aus dem Zinsengeschäft von 28.9 Mio. CHF nur noch leicht wachsen. Zurückzuführen sei dies vor allem darauf, dass Nachfolgegeschäfte für auslaufende Hypothekarkredite in der Regel tiefere Erträge abwerfen würden, schreibt die Bank in einer Medienmitteilung. Im ersten Halbjahr 2021 ist der Zins- und Diskontertrag daher um 4,3% auf 26.6 Mio. CHF gesunken. Auch das Wachstum bei den Hypothekarkrediten hat sich mit einem Plus von 1,3% auf 4.183 Mrd. CHF gegenüber Ende 2020 verlangsamt. Im Geschäftsjahr 2020 wuchsen die hypothekarisch besicherten Ausleihungen noch um 3,1%.
Hypi profitiert von Negativzinsen
Allerdings konnte die Hypi beim Zinsaufwand sogar von den niedrigen Zinsen profitieren. Der Ertragsrückgang sei mit einem noch stärkeren Rückgang beim Zinsaufwand kompensiert worden, heisst es weiter. Im Vorjahresvergleich sank der Zinsaufwand um rund 60% auf nur noch 1 Mio. CHF. Dies ist nach Angaben der Bank vor allem auf eine stärkere Dynamik im Geschäft mit Geldaufnahmen zu negativen Zinsen von anderen Banken und institutionellen Kunden zurückzuführen, was in der Bilanz der Bank mit einem deutlichen Anstieg der flüssigen Mittel um 35% auf 1.3 Mrd. CHF und auf der Passivseite mit einem Anstieg der Verpflichtungen gegenüber Banken und der Verpflichtungen aus Kundeneinlagen geführt hat. Die Bilanzsumme überschritt mit 6.3 Mrd. CHF erstmals in der Geschichte der Regionalbank die Grenze von 6 Mrd. CHF.
HBL Asset Management erfolgreich unterwegs
Im indifferenten Geschäft wirkte sich der Ausbau der Vermögensverwaltung unter der Marke HBL Asset Management in den vergangenen Jahren und die gute Entwicklung an den Finanzmärkten positiv aus. So stieg der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft um 10,9% auf 7.9 Mio. CHF. Im Handelsgeschäft legten die Erträge im ersten Halbjahr 2021 um 31,6% stark zu, was vor allem auf die Aufwertung des Euro und Erträge aus Geschäften mit Stillhalteroptionen auf Positionen in den langfristigen Finanzanlagen der Bank zurückzuführen ist.
Positive Entwicklung bei Finstar und Neon
Der übrige ordentliche Erfolg in Höhe von 5.6 Mio. CHF ist vor allem geprägt durch die Erträge aus dem Lizenz- und Services-Geschäft der Tochterfirma Finstar. Diese haben sich im Vergleich zum Vorjahr um 14% auf 3.4 Mio. CHF erhöht. Mit zwei Schweizer Banken wurden Vereinbarungen zur Nutzung der Open-Banking-Plattform Finstar eingegangen.
Eine positive Dynamik verzeichnet auch das Partner-Unternehmen Neon. Der Anbieter von Smartphone-Konten entwickle sich erfreulich, schreibt die Hypi. 70’000 Kunden und Kundinnen nutzten im Juni 2021 Neon, nachdem es vor einem Jahr erst 26’000 waren. Der Kundenzuwachs bei Neon hat auch zu einem Wachstum der Privatkontoeinlagen im ersten Semester 2021 um 18% auf 1,6 Mrd. CHF geführt.
«Die Open-Banking-Strategie ist für uns auf der einen Seite ein Investitionsprogramm mit dem Ziel, unser Geschäftsmodell im Einklang mit den heutigen und künftigen Kundenbedürfnissen zu entwickeln. Auf der anderen Seite haben wir aber auch schon steigende Erträge, nicht zuletzt dank des Erfolgs unseres Fintech-Partnerunternehmens Neon», so Marianne Wildi, CEO der Hypothekarbank Lenzburg.
Digitalisierung führt zu höherem Geschäftsaufwand
Zugenommen hat im ersten Halbjahr 2021 auch der Geschäftsaufwand mit einem Plus von 3,7% auf 27.0 Mio. CHF. Begründet wird die Zunahme mit Abschreibungen auf Investitionen, darunter Aufwände für Finstar-Entwicklungen, Kosten für die Weiterentwicklung der Mobile-Banking-App und anderer Applikationen. Dennoch konnte der Geschäftserfolg im ersten Halbjahr 2021 um 9,6% auf 11.0 Mio. CHF zulegen, ebenso der Halbjahresgewinn mit 9.3 Mio. CHF (+8,0%). Die Cost/Income-Ratio verbesserte sich per Ende Juni 2021 leicht von 62,0 auf 61,4.
Weiterhin günstige Entwicklung erwartet
Für das zweite Halbjahr 2021 zeigt sich die Bank zuversichtlich, weist allerdings auf die Risiken wie die neuen Mutationen des Coronavirus und die Preisentwicklung bei den Liegenschaften hin. Auch im Zinsgeschäft sei weiterhin mit einer angespannten Situation zu rechnen. Im Anlagegeschäft geht die Hypi davon aus, dass dieses weiterhin von einem positiven konjunkturellen Umfeld profitieren sowie von einzelnen Produktlancierungen profitieren wird.
Marianne Wildi zeigt sich insgesamt zufrieden mit den Semesterzahlen: «Nach den verschiedenen Lockerungsschritten der Bundesbehörden konnte unsere Bank wieder auf einen normalen Betrieb umstellen. Dabei gelang es uns, den Geschäftsertrag zu steigern, was zeigt, dass wir mit unserem diversifizierten Ertragsmodell erfolgreich unterwegs sind».
Fazit
Angesichts der grossen Herausforderungen wie Zinsmargendruck, Digitalisierung, IT-Kosten und Regulation, vor denen Retailbanken heute stehen, überraschen die Semesterzahlen der Hypi Lenzburg positiv. Dies insbesondere, weil sich im Kerngeschäft mit den Hypotheken zwar ein Abflachen des Wachstums abzeichnet, die Erträge gesamthaft dennoch zulegen konnten. Die Geschäftsleitung hat frühzeitig mit Initiativen im Asset Management, der Ausweitung des Bankensoftwaregeschäfts mit Finstar sowie Kooperationen und Partnerschaften im Finanzökosystem begonnen, die Erträge zu diversifizieren. Diese Initiativen beginnen sich nun auszuzahlen und sollten auch das bisher vorwiegend in der Region Aargau tätige Finanzinstitut unabhängiger von den Einnahmen aus dem Zinsengeschäft werden lassen. Mit rund zwei Drittel am Gesamtertrag der Bank dominiert dieses allerdings nach wie vor.
Die Aktien der Hypi Lenzburg sind an der SIX Swiss Exchange kotiert. Zuletzt wurden 4’280 CHF für eine Aktie bezahlt. Angesichts der Gewinnentwicklung im 1. Semester 2021 ist davon auszugehen, dass die Bank weiterhin eine Dividende von mindestens 110 CHF pro Aktie auszahlt. Mit einer Dividendenrendite von 2,6% und einem KGV von rund 17 ist die Aktie nicht zu teuer. Zudem notiert sie unter dem Buchwert. Mittelfristig ist es nun wichtig, dass sich die Investitionen in die neuen Tätigkeitsfelder auszahlen. So könnte die Bank zu einem Gewinner der digitalen Transformation im Banking werden.