Immobilienmarkt schlägt sich wacker in Corona-Zeiten

Kein nennenswerter Einbruch im Immobilienmarkt

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Für viele Menschen war die Corona-Pandemie ein wichtiger Wendepunkt in ihrem privaten oder beruflichen Leben. Es gibt in der neuen Zeitrechnung ein Vor-Corona, das bereits ein bisschen verklärt ist und wo alles noch ordentlich ablief. Dann kommt die Zwischenzeit mit vielen Regeln und Einschränkungen. Und schliesslich erleben wir derzeit die Post-Corona-Zeit, wo langsam wieder eine Normalisierung eintreten dürfte. Holz berühren! Jeder dürfte wohl der Aussage zustimmen, dass es der Wirtschaft in der Vor-Corona-Zeit gut ging. Ein nettes Beispiel zur Verdeutlichung: Im Oktober 2019 erhielt der Autor von einer Konjunkturforschungsstelle eine Einladung mit der rhetorischen Frage «Kommt jetzt eine Rezession?». Tatsächlich ist die Rezession eingetreten, viele Betriebe gingen in den Lockdown, und einige Branchen wie beispielweise die Tourismusbranche erlitten starke Umsatzeinbussen. Von daher wären Reperkussionen auf den Schweizer Immobilienmarkt auch zu erwarten gewesen. Denn der Immobilienmarkt gilt ja generell als wichtiger Vorlaufindikator in der Wirtschaft. Einfacher formuliert: Wenn der Immobilienmarkt brummt, geht es mit der Wirtschaft bald aufwärts. Und umgekehrt.

Heute sind sich alle Branchenexperten einig: Der Schweizer Immobilienmarkt hat sich als krisenresistent erwiesen. «Insgesamt ist der Immobilienmarkt durch die Corona-Pandemie nicht wesentlich tangiert worden», sagt beispielsweise Christian Fröhlicher, Geschäftsleitungsmitglied von Espace Real Estate AG. Und im Segment des privaten Wohneigentums hat der Markt die Erwartungen sogar weit überflügelt. Die aktuellen Zahlen der SWX IAZI Preisindizes für privates Wohneigentum deuten dieses Jahr auf einen regelrechten Boom im Segment der Preise für Einfamilienhäuser hin: Im 2. Quartal dieses Jahres beträgt das Jahreswachstum 4.5%. Ein ähnlich hohes Wachstum ist zuletzt im Frühjahr 2013 registriert worden.

Nutzung von öV um 80 Prozent eingebrochen
Das klassische Wohnidyll hat eine starke Nachfrage erlebt. Bild: Shutterstock

Dieser Häuserboom seit Krisenbeginn deutet auf eine Veränderung der Wohnpräferenzen hin. Das klassische Wohnidyll – alleinstehendes Häuschen im Grünen – hat eine starke Nachfrage erlebt. Vor der Krise drohte dieses Wunschobjekt zu einem Auslaufmodell zu werden. Doch die Pandemie hat neue Tatsachen geschaffen. Ein grosser Teil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor hat die tägliche Arbeit im Homeoffice erledigt und ist im Prinzip nicht mehr gezwungen, täglich vom Wohnort zum Arbeitsort zu pendeln. In der Vor-Corona-Zeit machten viele ihre Standortwahl von der Nähe zum Arbeitsort abhängig, oder sie wählten Gemeinden mit einer guten Verkehrsanschliessung (Autobahn, öV). Weisen die aktuellen Zahlen jetzt auf einen Gegentrend hin?

Homeoffice hat an Bedeutung gewonnen. Bild: Adobe Stock

Von einem Trend zur Stadtflucht ähnlich den 1980er-Jahren zu sprechen, wäre noch zu früh. Zwar äussern viele Angestellte des tertiären Sektors derzeit den Wunsch, weiterhin im Homeoffice zu arbeiten. Doch schliesslich wird es auch von den Arbeitgebern abhängen, ob sie diesem Wunsch auch entsprechen möchten. Bei den Grossbanken des Zürcher Finanzplatzes herrscht darüber momentan noch Unstimmigkeit. Mit einer globalen Initiative hat die Credit Suisse Anfang Juli unternehmensweit die Weichen für flexible und agile Arbeitsformen gestellt und führt ein zukunftsweisendes Arbeitsmodell ein. Davon möchte die Zürcher Kantonalbank derzeit nichts wissen. Homeoffice sei in der gegenwärtigen Ausprägung sicher kein Konzept für die Zukunft, liess Martin Scholl, CEO der Zürcher Kantonalbank, die «Finanz und Wirtschaft» im Mai dieses Jahres wissen.

Verknappung des Angebots an Einfamilienhäusern

Was auch gegen eine neue Stadtflucht spricht: Die Zahlen (inserierte Preise) des IAZI Swiss Offer Index zeigen, dass die Wachstumswerte für privates Wohneigentum schon wieder leicht zurückgehen. Die Angebotspreise dieses Index sind ein wichtiger Vorlaufindikator für die Entwicklung der Transaktionspreise im Immobilienmarkt. Hat das Preiswachstum (im Vorquartalsvergleich) noch im 1. Quartal dieses Jahres 2.6% betragen, hat sich dieser Wert im 2. Quartal bereits um 1.5% reduziert und beträgt jetzt 1.1%.

Für eine allmähliche Rückkehr zur Normalität spricht auch, dass der Häuserboom aufgrund einer Verknappung des Angebotes an bezugsbereiten Einfamilienhäusern entstanden ist. Das schrumpfende Angebot beruht auf zwei Gründen. Ersten bleiben ältere Menschen länger in ihren Häusern und Wohnungen und würden einen Umzug ins Altersheim so lange wie möglich hinauszögern. Das ist angesichts der vielen Todesfälle in Alters- und Pflegeheimen während der ersten und zweiten Corona-Welle nicht verwunderlich. Laut einer Umfrage des Bundesamtes für Gesundheit verzeichneten 60% der Heime eine Abnahme von Neueintritten im letzten Jahr. Zweitens werden immer weniger Einfamilienhäuser gebaut. Die Anzahl der Baubewilligungen ist seit Jahren rückläufig. In Zeiten von Verdichtung und knappen Bodenreserven hat das freistehende Einfamilienhaus mit Umschwung offenbar nur eine zeitlich begrenze Renaissance erlebt.

Durchzogene Bilanz für Geschäftsliegenschaften

Während sich das Segment Privates Wohneigentum über die Erwartungen hinaus entwickelt hat, ist die Bilanz für die Geschäftsliegenschaften eher durchmischt. Bereits vor der Pandemie haben sich im Markt für Büroliegenschaften grössere Leerstände aufgebaut. Laut Stefan Lüthi, Asset Manager der Zürcher Kantonalbank, blieb allerdings die Büroflächennachfrage im letzten Jahr erstaunlich solide. Im Portfolio von Swisscanto Invest habe es wenig Mietzinsausfälle gehabt, und er erwarte auch keine übereifrigen Rückgaben grösserer Flächen. Das liege ausser an der robusten Unternehmenslandschaft auch an der langen Laufzeit der Verträge von bis zu fünfzehn Jahren, bestätigte Stefan Lüthi diesen Juni gegenüber der «Finanz und Wirtschaft».

Die Credit Suisse hingegen teilt diesen Optimismus nicht. Sie geht in ihrem Büroflächenreport 2021 davon aus, dass in diesem Jahr eine gedämpfte Nachfrage zu einem Anstieg des Angebots führen würde. Die Angebotsquote, welche die Verfügbarkeit von Flächen im Verhältnis zum gesamten Flächenbestand beschreibt, betrage damit 5.5%. Dank einer guten Flächenaufnahme in den Zentren haben sich die Unterschiede verstärkt. Insbesondere in den fünf Grosszentren herrscht ein deutliches Gefälle zwischen den Innenstadtlagen und den Rändern der Büromärkte. Die grössere Nachfrage nach zentralen Büroflächen an attraktiven Lagen zeigt sich an den tieferen Angebotsquoten in den inneren und teilweise auch mittleren Büromärkten (vor allem in Zürich, Genf und Lausanne), wohingegen die äusseren Büromärkte aller Grosszentren mit einem Überangebot zu kämpfen haben. Diese Schere dürfte sich künftig weiter öffnen.

Der Retail-Flächenmarkt war bisher schon durch den laufenden Strukturwandel geschwächt. «Die Konsolidierung im Detailhandel hat sich durch Corona beschleunigt, was sich auch entsprechend negativ auf die Flächen ausgewirkt hat», sagt Christian Fröhlicher. Immer mehr Kunden verzichten auf die lange Einkaufstour und bestellen lieber bequem online. Wer kein überzeugendes Online-Verkaufsmodell hatte, war im Hintertreffen. In Grossstädten der Schweiz ist das Ladensterben vorangeschritten und hat auch vor traditionellen Namen nicht Halt gemacht. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise ist die Situation besonders anspruchsvoll für Mieter von Verkaufsflächen. Sie erleiden Ertragsausfälle durch fehlende Kunden, müssen aber gleichzeitig ihre Fixkosten bezahlen. So ist es vorauszusehen, dass es zu weiteren Geschäftsaufgaben und Liquidationen kommen wird, sobald der Bund seine Finanzhilfen einstellen wird.

Wirklich empfindliche Einbussen müssen Investoren hinnehmen, bei denen ein Teil des Geschäftsimmobilienportfolios im Segment Hotel & Gastronomie investiert ist. Vom gesamten Immobilienportfolio von Zug Estates beträgt der Anteil dieses Segments 9 Prozent. Das nahezu vollständige Erliegen des internationalen Geschäftsreiseverkehrs führte zu erheblichen Umsatzeinbussen in diesem Bereich, schreibt Zug Estates in ihrem Geschäftsbericht.

Doch es gibt auf der anderen Seite des Spektrums die eigentlichen «Krisengewinner», nämlich die sogennannten Logistikimmobilien als Unterkategorie der Geschäftsimmobilien. «Die Bereiche Logistik und IT haben sicherlich kurzfristig von der Krise profitiert», sagt Christian Fröhlicher. Der Boom beim Onlinehandel gilt als Haupttreiber der Logistikbranche. Die Schweizerische Post hat im vergangenen Jahr rund 20 Prozent mehr Pakete befördert und ist dabei an ihre Kapazitätsgrenzen gestossen. Ebenso müssen die Online-Händler ihre Lagerkapazitäten vergrössern. «Es wird wirtschaftlich weitere Krisengewinner geben in verschiedenen anderen Bereichen wie Energieversorgung, Mobilität, Gesundheit, Ernährung und Bildung», meint Fröhlicher. Indirekt wird sich dies auch auf den Geschäftsimmobilienmarkt auswirken.

Fazit: Trotz der unsicheren Situation Anfang 2020 erlebte der Schweizer Immobilienmarkt keinen nennenswerten Einbruch. Dies spiegelt auch die Resistenz der Wirtschaft wieder. Mit den Lockerungen der Corona-Massnahmen hat in der Binnenwirtschaft eine kräftige Aufholbewegung eingesetzt. Die Expertengruppe des Bundes erhöht ihre BIP-Prognose für 2021 auf +3,6 %. 2022 sollte die Schweizer Wirtschaft ebenfalls deutlich überdurchschnittlich wachsen. Den einzigen Wermutstropfen bilden die aktuellen Marktgerüchte über eine mögliche, rasche Zinswende. Dazu sagt Christian Fröhlicher: «Aufgrund der rekordhohen Staatsverschuldungen und expansiven Geldpolitik werden sich die Zentralbanken, insbesondere die Europäische Zentralbank, hüten, die Zinsen kurzfristig stark anzuheben.» Die Schweizerische Nationalbank werde dieser Politik aufgrund der Abhängigkeit zum europäischen Umfeld weitgehend folgen müssen. «Es ist jedoch zu erwarten, dass das Zinsniveau langfristig wieder kontinuierlich ansteigen wird.»

Die Aktien von Zug Estates und die Aktien der Espace Real Estate AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt.

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