In unserem nördlichen Nachbarland wurde ein neues Parlament gewählt. Schon der Wahlkampf, aber auch das vorläufige Ergebnis zeigen, dass die Energie- und Klimapolitik auch in der neu zu wählenden Regierung einen wichtigen Stellenwert einnehmen wird. Oder wie es FDP-Präsident Christian Lindner kurz nach der Wahl ausdrückte: «Die nächste Regierung wird sehr viel ökologischer sein». Wir sind jedenfalls gespannt, wie diese neue deutsche Regierung nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel aussehen wird.
In der Schweiz wird der Klimaschutz ebenfalls noch mehr politisches Gewicht erhalten, wie der Abstimmungssonntag zum Beispiel im Kanton Bern gezeigt hat, wo die Stimmbürger einem Klimaschutzartikel zugestimmt haben, der in die Kantonsverfassung aufgenommen werden soll. Und auch der Bundesrat macht nun einen weiteren Anlauf, um die Klimaziele doch noch zu erreichen. Bis zum Jahresende will er eine neue Vorlage für ein CO2-Gesetz in die Vernehmlassung schicken. Diese wird moderater als die erste ausfallen, damit sich dafür eine Mehrheit findet. Geplant sind mehr «Anreize statt Verbote», heisst es in den Medien.
Die politischen Bemühungen in Sachen Klimaschutz werden aktuell überschattet von einem in weiten Teilen Europas seit einiger Zeit beobachtbaren, zuletzt forcierten Preisanstieg an den Energiemärkten, insbesondere auch beim Strompreis. An der Leipziger Strombörse EEX wird beispielsweise der im kommenden Jahr zu liefernde Grundlast-Strom für Deutschland mit mittlerweile mehr als 105 EUR je Megawattstunde (MWh) gehandelt, ein Anstieg um mehr als 150% in nur einem Jahr. Erstmals überhaupt kletterte der Strompreis (Grundlast) im September über die Marke von 100 EUR je MWh. Marktteilnehmer, die sich kurzfristig mit Strom eindecken wollen, müssen zeitweise sogar knapp 200 EUR pro MWh bezahlen.
Noch stärker fällt der Strompreisanstieg in Grossbritannien aus. Dort schiesst der Gaspreis durch die Decke, Energieversorger stolpern in die Pleite. Die Ursachen für die aktuelle Strompreis-Rallye in Europa – und das vor Beginn der Wintersaison – sind vielfältig. Für die Sicherstellung der Stromversorgung müssen die Energieerzeuger jetzt Reserven bei Kohle- und Gaskraftwerken hochfahren, was aus klimapolitischer Sicht natürlich fragwürdig ist. Ebenso wird Kernenergie immer öfter wieder als günstige Alternative ins Spiel gebracht.
Der Strompreisanstieg hat auch eine soziale Dimension, treffen hohe Zuschläge beim Strom doch Haushalte mit tiefen Einkommen überproportional. Neben der sozialen Komponente ist auch die industriepolitische Dimension nicht zu vernachlässigen, ist der Strompreis doch für die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts von grosser Bedeutung. Insbesondere, wenn wir einen kalten Winter erleben, dürfte das Energie- und Versorgungsthema die Politik noch stärker beschäftigen und vielleicht sogar die aktuellen Corona-Neuinfektionszahlen von den Titelseiten verdrängen.
Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz ist es wichtig, dass die neue Regierung in Deutschland, ebenso wie der Schweizer Bundesrat, angebots- wie nachfrageseitig die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um einerseits die Energiewende weiter voranzutreiben und andererseits – genauso wichtig – für ein Höchstmass an Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu sorgen. Bei all dem muss die soziale und industriepolitische Dimension des Umbaus der Energielandschaft im Blick behalten werden.
Kürzlich sagte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Energieriesen RWE, Markus Krebber, in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», dass in den nächsten zwei Jahren alle wichtigen Beschlüsse in der Klima- und Energiepolitik gefällt werden müssen, um Veränderungen bis 2045 bewirken zu können. Danach sei es zu spät. Aussagen wie diese zeigen, dass ein Erfolg in der Klimapolitik nur in einem Miteinander zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft möglich sein wird.
Dass nicht nur Politiker, sondern auch Investoren ein Umdenken von den Unternehmen fordern, zeigt das rasante Wachstum von Nachhaltigen Anlagen in den letzten Jahren. Allein in der Schweiz sind die nachhaltig investierten Gelder im letzten Jahr weiter um 31% auf 1.52 Bio. CHF gestiegen. Das starke Wachstum des Sustainable-Finance-Sektors ruft nun schon die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) auf den Plan. Von «Blasenbildung» ist hier die Rede.
Gut möglich, dass der eine oder andere Titel aus dem ESG-Universum der vielen Fondsanbieter heute schon mit einer Prämie gegenüber weniger nachhaltigen Unternehmen bewertet wird. Doch genau dieser Effekt ist es ja, der die anderen Unternehmen motivieren sollte, Verbesserungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance vorzunehmen, selbst wenn dies zu temporären Bewertungsunterschieden führt.
Das Thema bleibt wichtig. Daher werden wir uns weiterhin mit Nachhaltigem Investieren beschäftigen. In der kommenden Woche lesen Sie unsere Einschätzung zum IPO von Medmix sowie Updates zu einigen Bergbahnabschlüssen.
Wir wünschen einen erfolgreichen Start in die Woche.
Aktuelle Artikel vom schweizeraktien.net-Team
Johan Utterman, Lombard Odier: «Logitech ist das Opfer seines eigenen Erfolgs»
Schweizer Small- und Mid Cap-Aktien gehören in diesem Jahr zu den grossen Gewinnern. Im Portfoliotalk mit unserem Autor Tobias Wolff erläutert Johan Utterman, Head of Swiss Equities bei Lombard Odier Investment Managers, wo er Markt- und Wachstumschancen sieht. Und er nimmt konkret Stellung zur Entwicklung von Einzeltiteln, darunter auch Logitech, Polypeptide, Siegfried und Zur Rose…
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Im Brennpunkt: Portfolio Reset – Warum Healthcare-Aktien weiter steigen
Zu den besten Aktien seit Beginn der Covid-Zäsur zählen Vertreter der Healthcare-Industrie – ob Biotech, Big Pharma, Medtech oder Contract Manufacturing. Eine kritische Zwischenbilanz mit Blick auf Pandemie und Perspektiven im Healthcare-Universum von unserem Autor Karim Serrar…
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Holdigaz: Übertroffene Erwartungen in allen Sparten
Dem Westschweizer Gasversoger Holdigaz geht es wie derzeit allen Energieunternehmen in der Branche: Das Geschäft läuft nach den coronabedingten Rückgängen wieder auf Hochtouren. Wie das Unternehmen aus Vevey im Geschäftsbericht 2020/21 mitteilte, wurden die Erwartungen in allen Sparten übertroffen. Unser Autor Tobias Wolff schreibt in seinem Beitrag über das ausserordentlich gute Geschäftsjahr und analysiert die Perspektiven…
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Eniwa: Starker Semestergewinn dank kälterer Witterung und gutem Finanzergebnis
Das Aargauer Versorgungsunternehmen Eniwa AG verzeichnete einen sehr erfolgreichen Start ins laufende Geschäftsjahr. Der Umsatz stieg um 6,2%, und der Gewinn vervielfachte sich gegenüber dem Vorjahr. Auch an der Erreichung der Klimaziele arbeitet das Unternehmen mit vielen Projekten, u.a. auch bei den Erneuerbaren Energien, wie wir in unserem Beitrag schreiben…
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Weleda: Neue Nahrungsergänzungsmittel für den deutschen Markt
Das Naturkosmetikunternehmen Weleda baut sein Produktportfolio im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel aus. Nachdem vor zwei Jahren die ersten City Spas eröffnet wurden, ist dies ein weiterer Schritt in der Diversifikationsstrategie des Unternehmens. Damit kann Weleda auch die Bedeutung des defizitären Arzneimittelgeschäfts am Gesamtumsatz weiter reduzieren…
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Was uns im Netz sonst noch aufgefallen ist…
Grossbritannien: Erdgaskrise stürzt Stromanbieter in die Pleite
In einem lesenswerten Bericht analysiert die Neue Zürcher Zeitung die aktuell angespannte Situation auf dem britischen Energiemarkt. nzz.ch (Log In notwendig) beschreibt dabei auch die fast schon paradoxe Entwicklung, dass bei den stark gestiegenen Strom- und Gaspreisen nicht den Konsumenten das Geld ausgeht, sondern den Stromversorgern. Nun liegt es an der britischen Regierung, Hilfspakete für die Stromwirtschaft zu schnüren…
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Steigende Strompreise: Verbrauchern droht weiterer Aufschlag
Der deutsche Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geht nach einem Bericht von tagesschau.de davon aus, dass die Strompreise weiter kräftig anziehen – zum Missfallen von Verbrauchern und Industrie. Der BDEW mahnt dabei auch an, dass ein Grossteil des Preisanstiegs durch höhere staatliche Abgaben verursacht sei, die jetzt – mit einem steigenden Strompreis – den Erfolg der Energiewende gefährden könnten. Der industrienahe Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert über ihren Hauptgeschäftsführer gar, dass die nächste deutsche Bundesregierung angesichts der starken Preissteigerungen als eine ihrer ersten Aufgaben die hohen Strompreise angehen müsse…
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Gastkommentar Eric Heymann, Deutsche Bank Research – Strompreise runter!
In einem lesenswerten Gastbeitrag für die Wiener Zeitung fordert Eric Heymann, Volkswirt bei Deutsche Bank Research, die Politik auf, für tiefere Stromkosten zu sorgen – damit die Energiewende in Deutschland und Europa gelingt! Dabei sollen insbesondere die staatlichen Komponenten am Strompreis sinken und der Einsatz moderner, stromsparender Technologien ausgebaut werden…
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Kernenergie: Italien debattiert über Atom-Wiedereinstieg
Bemerkenswerte Dinge passieren in diesen Tagen in Italien. Der parteilose italienische Umweltminister Roberto Cingolani, politisch dem linksliberalen Lager zuzurechnen und von Haus aus Physiker, denkt laut – und bisher nur theoretisch – über einen Wiedereinstieg Italiens in die Atomkraft nach. Italien ist 1987 als erstes europäisches Land aus der Kernkraft ausgestiegen. Pikant: Cingolani, ganz offiziell «Minister für den ökologischen Umbau», präsentierte seine Gedankenspiele ausgerechnet in einer Konferenz über Italiens Strategie gegen den Klimawandel. Seither diskutiert Italien kontrovers, ob auch Atomkraftwerke Teil dieser Strategie im Kampf gegen den Klimawandel sein könnten. tagesschau.de berichtet…
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BIZ: Basel warnt vor der grünen Blase
Nachhaltige Anlagen boomen. Denn immer mehr private und institutionelle Investoren möchten mit ihrem Kapital nicht nur eine Rendite erzielen, sondern auch etwas bewirken. Kein Wunder, wächst der Markt für Nachhaltige Anlagen «ungebremst», wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) schreibt. Angesichts von 2’000 Mrd. USD, die in ESG-Fonds im engeren Sinne verwaltet werden, warnt die BIZ laut einem Bericht auf finews.ch vor einer «grünen Blase»…
Gefahr hinter Evergrande-Debakel: Die grösste Blase aller Zeiten
Niklaus Vontobel analysiert für luzernerzeitung.ch die Gefahr hinter dem Evergrande-Desaster. Die Gefahr droht von einem völlig überhitzten chinesischen Immobilienmarkt mit steigenden Leerstandsraten. In China hat sich längst eine gigantische Immobilienblase gebildet. Der Tenor: Endet der Immobilienboom, ist es vorbei mit Chinas «wundersamen Wachstumsraten». Ein Platzen dieser Immobilienblase – Vontobel beschreibt sie als «grösste Blase aller Zeiten» – wird kräftige Spuren an den Finanzmärkten hinterlassen, nicht nur in den Bankbilanzen…
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Projekt 20XX kommt: Baubewilligung und Konzession erteilt
Die Schweizer Bergbahnen denken schon wieder an die Zeiten nach Corona. Frohe Kunde gab es für die Aktionäre der Schilthornbahn am diesjährigen Aktionärstag, der anstelle der Generalversammlung durchgeführt wurde. CEO Christoph Egger konnte bekannt geben, dass die Plangenehmigung für das 90-Mio.-CHF-Projekt Schilthornbahn 20XX erteilt wurde, wie jungfrauzeitung.ch berichtet…
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