Die Fantasy in Basel lockte nach zwei Jahren Pause rund 45'000 Besucher in die Messehallen der MCH Group. Bild: zvg

Fans von Cosplay, Gaming und anderen Bereichen der Popkultur kamen Anfang Oktober am HeroFest in Bern und der Fantasy Basel auf ihre Kosten. Die beiden Messen gehörten zu den ersten ihrer Art, die nach der pandemiebedingten Abstinenz wieder Besucherinnen und Besucher zu Tausenden physisch in die Hallen der Bernexpo Groupe, respektive der MCH Group lockten. Verkleidet als Film- oder Spielcharakter an eine Messe zu gehen mag für viele Leute als Ausbruch aus der Normalität scheinen. Für die beiden Messegesellschaften stellten die Anlässe aber einen weiteren Schritt zurück zu ebendieser Normalität dar. Wie aber wird die Normalität nach der Krise für die beiden Unternehmen aussehen?

Aufkommende digitale Angebote

Das Zauberwort dürfte Digitalisierung heissen. Zwar bestanden vor der Pandemie bei den beiden Unternehmen erste Projekte in dieser Richtung, nichtsdestotrotz wurden sie von der Krise kalt erwischt. Schliesslich verfügten sie noch nicht über eine bewährte Methode, um die physischen Messen, Veranstaltungen und Kongresse rein digital anbieten zu können. Die Pandemie brachte aber Bewegung in die Thematik, erste Fortschritte können schon beobachtet werden. Beispielsweise bietet die Bernexpo mittlerweile Live Streaming-Lösungen an. So können Kongresse, Podiumsdiskussionen und weitere Veranstaltungen auch rein digital durchgeführt werden. Positiv für die Bernexpo ist zu werten, dass ein klares Pricing besteht und sich das Angebot somit auch entsprechend in den Umsätzen des Unternehmens widerspiegeln wird.

Hybrider Weg zeichnet sich ab

Hybride Durchführungsformate könnten künftig ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Anfang September führte die Bernexpo mit der Leitmesse für industrielle Automatisierung SINDEX einen solchen Anlass durch. Über eine digitale Plattform konnten die Ausstellenden ihre Präsenz auf Besuchende im virtuellen Raum ausweiten. Gemäss Angaben von Bernexpo wurden die Besucherzahlen durch die hybride Erweiterung um 21% erhöht. Eine reine Fokussierung auf digitale Angebote wird jedoch nicht stattfinden. Man wolle nicht verkrampft versuchen digital zu sein, meint der neue CEO Tom Winter auf Nachfrage. Vielmehr rechnet er in manchen Bereichen mit einer Rückkehr zum Altbewährten, wobei entlang der Wertschöpfungskette Regionalität und Herkunft an Bedeutung gewonnen hätten. Wie bald Anlässe wieder in altbekannter Form – ohne Zertifikats- oder Maskenpflicht und frei von weiteren Einschränkungen – wird sich in den kommenden Monaten zeigen. So hofft die Bernexpo beispielsweise auf eine ordentliche Durchführung der Frühlingsmesse BEA im April 2022.

Bernexpo beklagt Einbussen in Millionenhöhe wegen ausfallenden Events

Mit ihren jährlich 290’000 Besuchern hat die BEA eine hohe Bedeutung für das Geschäft und das Ergebnis der Bernexpo Groupe. Dementsprechend negativ wirkten sich auch die Absagen der Messe 2020 und 2021 auf das Unternehmen aus. 2020 gingen die Umsätze gegenüber dem Vorjahr um 25 Mio. CHF oder 51% zurück. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Differenz dürfte auf die BEA zurückzuführen sein. Mit einem Verlust von 17 Mio. CHF resultierte auch ein um 20 Mio. CHF schlechteres Gruppenergebnis als 2019. Für eine konkrete Prognose für das Geschäftsergebnis 2021 ist es gemäss CEO Winter noch zu früh. Mit den Besucherzahlen bei den ersten wieder durchgeführten Veranstaltungen sei das Unternehmen zufrieden, das Vor-Pandemie-Level wird aber natürlich noch nicht wieder erreicht werden. Dieses Jahr folgen mit dem Suisse Caravan Salon, der SwissDidac und der Transport.ch weitere wichtige Veranstaltungen für das Unternehmen. Dabei erwartet die Bernexpo Umsatzeinbussen von rund 20%.

Camping und Caravaning gewannen während der Covid-Pandemie an Beliebtheit. Dies nachdem schon zuvor eine regelrechter Boom geherrscht hatte. Dementsprechend begehrt sind auch die Ausstellenden-Plätze am Ende Oktober startenden Suisse Caravan Salon auf dem Bernexpo Areal. Bild: Bernexpo Groupe
MCH verfolgt Transformationsprozess auch in der Krise

Ähnlich präsentierte sich das Resultat 2020 auch bei der in Basel ansässigen MCH Group. Der erwirtschaftete Umsatz von 188 Mio. CHF entspricht einem Rückgang von 58% und es resultierte ein hoher Verlust von 72 Mio. (Vorjahr 10 Mio.). Auch im ersten Halbjahr 2021 resultierte bereits wieder ein Verlust von 29 Mio., wodurch auch fürs laufende Geschäftsjahr mit einem Jahresverlust in zweistelliger Millionenhöhe gerechnet werden muss. Ein harter Brocken für das Unternehmen, welches bereits vor Pandemieausbruch in der Krise steckte und einen Transformationsprozess eingeläutet hat. Um diesen voranzutreiben stieg im Rahmen einer Kapitalerhöhung die Investmentfirma Lupa Systems von James Murdoch als neuer Ankeraktionär bei MCH ein. Ein Teil der dadurch aufgebrachten Mittel musste zwar in die Bekämpfung der unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie auf das operative Geschäft des Unternehmens investiert werden, jedoch arbeitet auch die MCH an einer Digitalisierung ihres Angebots.

Entwicklung eines Art Basel Marketplace läuft

Im März 2020 kamen erstmals „Online Viewing Rooms“ (OVR) des Flaggschiffs der MCH, der Kunstmesse Art Basel, zum Einsatz. Ursprünglich sah das Konzept der OVR digitale Plattformen mit kuratierten Präsentationen von nicht an der Messe gezeigten Werken parallel zur physischen Art Basel vor. Durch die Absage der physischen Events der normalerweise in Basel, Miami und Hong Kong stattfindenden Messe mussten die OVR als eigenständiges Angebot für die Kunst-Community starten. Die erste Ausgabe der OVR im März 2020 beinhaltete Präsentationen von 235 Galerien und lockte über 250’000 digitale Besucher an. Nach der rein digitalen Durchführung 2020 konnten dieses Jahr die beiden Messen in Hong Kong und zuletzt Ende September in Basel in hybrider Form stattfinden, jene in Miami soll im Dezember folgen. Aufbauend auf den Erfahrungen mit den OVR soll in naher Zukunft auch ein Art Basel Marketplace eingeführt werden um den Kunden personifizierte Angebote und sichere Zahlungsmethoden zu ermöglichen.

MCH strebt Break-Even für 2022 an

Die durchgeführten Messen machen Hoffnung auf ein besseres 2022, in welchem die MCH das Erreichen des Break-Even anstrebt. Unterstützt wird diese Aspiration von den unabhängigen Analysten von Research Partners, welche von einem Gewinn von rund 7 Mio. CHF im 2022 ausgehen. Eine Chance sehen genannte Analysten auch im neuen Konzept der ehemaligen Baselworld. Nach dem Absprung wichtiger Marken transformiert die MCH die Messe für die Uhren-, Schmuck- und Edelsteinindustrie zu einer ganzjährigen Plattform für die Community. Ergänzt wird dieser digitale Treffpunkt durch physische Live-Events, namentlich an der Baselworld im Frühling. Diese findet im selben Zeitraum wie die in Genf stattfindenden Messen statt um internationalen Interessenten eine Teilnahme an beiden Events zu vereinfachen. Dies zeigt, wie der Stellenwert der Baselworld in den letzten Jahren gelitten hat.

Eingeschränkte Flexibilität der MCH

Für die MCH ist der baldige Erfolg der neuen Formate von grosser Bedeutung. Auch nach der Kapitalerhöhung liegt die Eigenkapitalquote der MCH Group per Ende Juni 2021 unter 10%. Dies schränkt die Flexibilität des Unternehmens ein. Zudem ist das Unternehmen trotz internationaler Ausrichtung an die Standorte Basel und Zürich gebunden, zum einen durch den Besitz der Messehallen, zum anderen auch durch die Aktionärsstruktur. Rund ein Drittel der Aktien wird von der öffentlichen Hand der Kantone Basel Stadt und Zürich gehalten.

Digitalisierung birgt Gefahr von Cyber-Attacken

Die Digitalisierung der Angebote und Eintritt in die virtuelle Welt birgt auch Gefahren für die Messeunternehmen. So war die MCH Group diesen Mittwoch von einem Cyber-Angriff mittels Schadsoftware betroffen. Momentan untersuche das Unternehmen, ob Daten abgezogen worden seien. Die laufenden und bevorstehenden Veranstaltungen können aber wie geplant durchgeführt werden. Genauere Angaben zu den vom Angriff betroffenen Bereichen macht das Unternehmen vorerst nicht.

Fazit
Der Aktienkurs der SIX-kotierten MCH Group (blau) brach bereits vor der Pandemie massiv ein und liegt knapp 80% unter dem Niveau von vor 5 Jahren. Weniger drastisch ist der Einbruch bei der ausserbörslich gehandelten Bernexpo Groupe (schwarz) mit einem Minus von knapp 40% seit Pandemiebeginn. Chart: money-net.ch

Die Messebranche befindet sich im Wandel. Sowohl MCH als auch Bernexpo arbeiten zwar auf eine Rückkehr der physischen Live-Veranstaltungen hin, eine vollumfängliche Rückkehr zur alten Normalität wird es aber nicht geben. Zu stark hat sich das Gästeverhalten während der Pandemie verändert. Hybride und digitale Formate werden zusehends an Bedeutung gewinnen. Den Start der digitalen Transformation hat die Branche etwas verschlafen, lange Zeit wurde lieber auf die altbewährten Kräfte vertraut. Wie gut die Mischung aus physisch und digital für die MCH und die Bernexpo funktioniert, wird das kommende Jahr zeigen.

Gerade die MCH ist dabei aufgrund der tiefen Eigenkapitalausstattung auf baldige Erfolge angewiesen. Bleibt zu hoffen, dass der Cyber-Angriff keine tiefergehenden Zweifel an den digitalen Angeboten des Unternehmens schürt. Dank einer stärkeren Eigenkapitalbasis verfügt die Bernexpo über mehr finanziellen Spielraum als die MCH, wobei auch das Berner Unternehmen vergangenes Jahr durch die Reduzierung der Beteiligung an der Immobilientochter Messepark Bern AG eine kräftige finanzielle Spritze erhalten hat. Dadurch nahm auch die Unabhängigkeit des Unternehmens vom Standort Bern ab. Vermehrte Events an anderen nationalen Locations könnten deshalb folgen, der Standort Bern wird aber im Fokus bleiben. Nichtsdestotrotz geben diese Faktoren der Bernexpo eine gewisse Flexibilität, die der MCH fehlt.

Die Aktienkurse der beiden Unternehmen haben in den letzten Jahren klar geschwächelt. Bei der MCH Group begann die Kurskrise aufgrund der Schwierigkeiten im Geschäft bereits vor der Pandemie, bei der Bernexpo kann die Schwäche zu grossen Teilen der Pandemie zugeschrieben werden.

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