Kryptowährungen: Der Phönix, der aus der Asche kam

Immer mehr Investoren setzen auf Bitcoin & Co. als neue Anlageklasse

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Ersetzen Bitcoin oder andere Kryptowährungen unser Zentralbankengeld? Derzeit scheint das Vertrauen in diese neuen Währungen grösser als in Fiat-Geld. Bild: stock.adobe.com

Neue Rekordstände bei Bitcoin und Co. sind immer für eine euphorische Schlagzeile gut. Ebenso wie hohe Tagesverluste oft die Untergangspropheten auf den Plan rufen. Jenseits dieser Schwarzweiss-Malerei wird indes zunehmend klar: Die Kryptos sind die Antwort auf eine Vertrauenskrise.

Steingeld als Urvater des Bitcoin

Steinscheiben mit einem Durchmesser von bis zu vier Metern und einem Loch in der Mitte: Kaum etwas könnte weiter entfernt sein von digitalem Geld im Internet möchte man meinen. Doch der Schein trügt. Der „Rai“, ein Steingeld der mikronesischen Insel Yap, lässt sich durchaus als Urvater des heutigen Bitcoin bezeichnen. Rai-Steine mussten mühsam abgebaut werden. Die ganze Gemeinschaft konnte nachvollziehen, wieviel Arbeit für einen Rai nötig war. Wechselte ein Stein den Besitzer, wurde er dafür nicht bewegt. Stattdessen kommunizierte man die neuen Eigentümer öffentlich – und hielt sie damit im Gedächtnis der Gemeinschaft fest. Aufwendig erwirtschaftetes Geld, das sich nicht physisch isoliert einstecken lässt und ohne Banken transparent gehandelt wird: Diese Eigenschaften treffen auch auf Kryptowährungen wie den Bitcoin, Ethereum und Co. zu. Und sie verraten, was ganz am Anfang des Kryptobooms stand: Eine Vertrauenskrise in das Fiatgeld also die uns bekannten, aus dem Nichts erschaffenen Dollars und Euros der Zentralbanken.

Ein System gerät ins Wanken, eine Alternative startet durch
500 Milliarden Reichsmark
Knapp 100 Jahre ist es her, da gab es in unserem Nachbarland Deutschland eine Hyperinflation. Geld war praktisch nichts mehr wert. Banknote über 500 Mrd. Reichsmark aus dem Jahr 1923. Bild: Thorsten Grimm, schweizeraktien.net

Für komplexe, inderdependente Wirtschaftssysteme ist Vertrauen der Leim, der alles zusammenhält. Was geschieht, wenn Vertrauen plötzlich fehlt – etwa das Vertrauen in die eigene Landeswährung, zeigte z.B. die Hyperinflation in Deutschland. Ein Liter Milch in Berlin, 1923? 360 Milliarden Mark, der Herr. Viel näher liegt uns die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008: Misstrauen machte sich unter den Geschäftsbanken breit wie ein Krebsgeschwür. Politiker misstrauten den Bankvorständen. Und eine platzende Immobilienblase weitete sich zur globalen Finanzkrise aus. Im selben Jahr wurde ein White Paper mit dem Namen „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ ins Netz gestellt. Von einer bis heute unbekannten Autorenschaft mit dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto“. Das Paper beschrieb ein Zahlungsmittel, das von Computer zu Computer transferiert werden kann ohne die Zwischenschaltung von Banken. Das Ganze wäre vielleicht unbemerkt geblieben, hätten die Notenbanken fortan nicht Abermilliarden an Liquidität in die globalen Finanzmärkte gepumpt. Erst nur als Nothilfe für ein strauchelndes System gedacht, wurde globales Billiggeld zum Status quo. Gekommen, um zu bleiben. Doch es schuf nur begrenzt Vertrauen in das gerettete Finanzsystem. Denn Sparzinsen sind nun ein Relikt aus guten alten Zeiten. Bankkunden müssen heute gar mit Minuszinsen dafür büssen, ihr Geld „sicher“ auf einem Konto zu parken. Derweil scheint die Teuerung ausser Kontrolle zu geraten: Um satte 6,2% stieg der Konsumentenpreisindex in den USA im Oktober 2021. So hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und der Bitcoin? Die erste Einheit der klar auf 21 Millionen Stück begrenzten Kryptowährung kostete 0,07 US-Dollar. Heute sind rund 60’000 Dollar für einen Bitcoin fällig. Geld muss aus Sicht des Ökonomen drei Funktionen erfüllen: die Tauschmittelfunktion, die Funktion als Recheneinheit und die Funktion als Wertspeicher. Kryptowährungen erfüllen alle diese Anforderungen. Doch sie legen noch eine Schippe drauf.

Vertrauen ist gut, die Blockchain wohl besser
Während Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether um mehrere tausend Prozent gewonnen haben, treten Gold und auch der US-Dollar auf der Stelle. Abb.: coindesk.com

Fiat-Währungen werden von (Zentral-)Banken und Regierungen beliebig gedruckt und kontrolliert. Das muss nicht besonders werterhaltend sein. 1 Franken 80 kostete der US-Dollar, die globale Leitwährung, um die Jahrtausendwende. Gut 90 Rappen sind es heute. Kryptowährungen obliegen der Kontrolle durch die Blockchain. Ein gewaltiges digitales „Kassenbuch“, das chronologisch aktualisiert wird und Transferaktivitäten aller Teilnehmer archiviert. Jede Transaktion innerhalb der Blockchain ist für jeden Netzwerkteilnehmenden öffentlich einsehbar. Ungültige Transaktionen werden durch dieses Mehraugenprinzip innerhalb kurzer Zeit als solche abgelehnt. Um zu verhindern, dass das offene Kassenbuch manipuliert werden kann, wird es komplett dezentralisiert. Die Informationen werden nicht nur auf einem Computer, sondern auf einem ganzen Netzwerk von Geräten gespeichert, weltweit. Jeder Kryptowährungs-Inhaber kann theoretisch eine Kopie dieses Kassenbuches führen. Das Transaktionsregister ist zudem strikt additiv – nichts daran lässt sich rückwirkend verändern, frisieren oder entfernen. Das Register wächst also, indem kontrolliert neue Datensätze hinzugefügt werden, wie Perlen in einer Kette. Dieser aufwendige – weil kryptografisch versiegelte – Prozess ist jedoch enorm stromintensiv. Inzwischen dürfte allein der Bitcoin pro Jahr mehr Terawattstunden verschlingen als die Niederlande. Effizienzgewinne bei der Verschlüsselung sollen künftig Abhilfe schaffen.

Die Währung für die nächste Generation?

Laut dem Datenportal CoinGecko knackte die Marktkapitalisierung aller über 10’000 aufgeführten Kryptowährungen im November 2021 erstmals die Marke von 3’000 Milliarden US-Dollar. Und der „Millennial Disruption Index“ – eine dreijährige Studie mit 10’000 zwischen 1981 und 1996 Geborenen – zeugt von einem grossen Misstrauen gegenüber dem aktuellen Bankensystem. 71% der befragten Probanden sagten aus, dass sie lieber zum Zahnarzt gehen würden, als auf alles zu hören, was Banken raten. Eine fatale Aussage, denn das US-Zensusbüro sieht die Millennials als die kommende reichste Generation der Geschichte. Ein Viertel der amerikanischen Millennials, die 100’000 Dollar an individuellem oder gemeinsamem Einkommen verdienen, halten und verwenden bereits Krypto-Währungen. Die fortschreitende digitale Transformation dürfte diesen Trend weiter verstärken. Denn die Blockchain-Technologie hinter Bitcoin und Co. lässt sich für weit mehr als „nur“ das Finanzsystem nutzen.

Mehr über das „Who-is-who der Kryptowährungen – und wozu das alles gut ist“ lesen Sie in den kommenden Wochen bei schweizeraktien.net.

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