Umständliche Administration, Papiertiger und unklare Prozesse: Medizinische Notfälle, Behandlungen und Langzeittherapien können aus Kundensicht aufreibenden Irrwegen gleichen. Die App «heyPatient» will diesem Umstand Abhilfe schaffen.
«Sie hatten einen Röntgentermin vor 10 Tagen? Das sehen wir hier nicht, rufen Sie beim Empfang an.» «Guten Tag, diese Auskunft liegt uns nicht vor, fragen Sie am besten den behandelnden Facharzt.» «Herr Theiler ist derzeit nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es später nochmals.» Das Beispiel ist echt, der Name geändert. So hoch die Qualität im Schweizer Gesundheitswesen ist, so holprig gestaltet sich oft die sogenannte «Patientenreise», also der Prozess vom Leidensdruck über die Meldung beim Hausarzt und den Weg zu Spezialisten, Labors, Allergiezentren etc. Persönliche Daten müssen gefühlt immer wieder aufs Neue erfasst werden – auf Papier – die eigene Krankheitsgeschichte läuft in der Wiederholungsschlaufe, Zuständigkeiten und Auskünfte ändern sich je nach Institution.
«Der Armbruch unseres Sohnes brachte uns auf die Idee für eine Patienten-App, die all das vereinfachen sollte», sagt Matthias Spühler, CEO von heyPatient. «Die medizinische Behandlung war zwar top, doch die Formalitäten der Notfallaufnahme, die Infos beim Austritt, die Kommunikation während der Genesung waren unklar und umständlich.» 2019 gründeten Matthias Spühler und Regula Spühler eine Firma und entwickelten die heyPatient-App.
Prototyp findet Anklang, Kantonsspital Baden investiert
«heyPatient ist eine digitale Plattform, die den papierlosen Austausch zwischen Spital und Patient ermöglicht», sagt Matthias Spühler. «Sämtliche Informationen sind direkt auf dem Smartphone ersichtlich und als Timeline visualisiert.» Ist ein Arzt- oder Spitaltermin festgelegt, bekommt der Patient laufend Infos zur Vorbereitung, zur Behandlung und Nachsorge. Und das medizinische Personal bereitet sämtliche Inhalte zu einem Gesundheitstermin digital auf. «Alle Infos stammen aus einer Quelle, welcher der Patient vertraut. Das macht stundenlanges Telefonieren oder Googeln überflüssig.» Bei einem Anschlusstermin sollen Patientendaten, Dokumente wie Röntgenbilder und Krankheitsverläufe für alle Beteiligten bereits vor der Behandlung verfügbar sein.
Die heyPatient-App lässt sich zudem auf die ganze Familie erweitern. So sorgt «heyFamily» dafür, dass auch auf Gesundheitstermine und ärztliche Anweisungen für Kinder oder Betagte jederzeit Zugriff besteht. Die Datensicherheit garantiert ein bekannter Dienstleister: «Wir nutzen das sichere Login mit der SwissID. Sämtliche Daten sind verschlüsselt und auf Servern in der Schweiz gespeichert», so Spühler. SwissID biete ein mehrstufiges Prozedere. Der Zugriff auf die App mag über einen Benutzernamen und ein persönliches Passwort erfolgen. Für die Verbindung mit einem Spital wird aber innerhalb der App eine Zwei-Faktor-Authentisierung (2FA) nötig, welche die Patientin oder den Patienten eindeutig identifiziert.
Zu den heyPatient-Teilhabern der ersten Stunde gehörte das Kantonsspital Baden (KSB), im Rahmen des «KSB Health Innovation Hub». Dieser ermöglicht es Start-ups, ihre Ideen im klinischen Umfeld weiterzuentwickeln – und im Idealfall zur Marktreife zu bringen. Dazu KSB CEO Adrian Schmitter: «Wir sind überzeugt, dass heyPatient als digitale und integrierte Lösung das Potenzial hat, im Gesundheitswesen neue Massstäbe zu setzen. Deshalb haben wir uns für eine Beteiligung entschieden.» Auch das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil oder die Basler Klinik Merian Iselin sind bereits auf den heyPatient-Zug aufgesprungen.
Weitere Finanzierungsrunden & Aktienbuch über daura AG
Seit der Gründung 2019 weist die heyPatient AG einen Umsatz von 900‘000 CHF aus. 2021 konnte ein Umsatzwachstum von 125% im Vergleich zum Vorjahr erzielt werden. Insgesamt rechnet Spühler mit nötigen Investitionen von 3 Mio. CHF bis 2025, pro Monat fallen laufende Kosten von etwa 80’000 CHF an. Im Q1/25 will das Unternehmen die berühmte «schwarze Null» schreiben.
«Den Schweizer Digital-Health-Markt schätzen wir bis dann auf 720 Mio. CHF», sagt Spühler. In der EU sollen es gar 27 Milliarden Franken sein. Grund für den Optimismus ist die Kostenexplosion im Gesundheitswesen, verbunden mit den bekannten «Pain Points» wie Ineffizienz und fehlende Daten, Prozesse ohne Patienten-Einbezug, Medienbrüche und kommunikative Einbahnstrassen. Apps wie «heyPatient» setzen an diesen Schwachpunkten an, was Kosten sparen soll – und die Kundenzufriedenheit bzw. Kundentreue steigert.
«Als Partner für unser digitales Aktienregister haben wir die Plattform daura gewählt», so Spühler. Gerade für nicht kotierte Schweizer KMU sei die Blockchain-basierte Lösung einfach und sicher. Investoren können Aktien und Partizipationsscheine dort ohne Intermediäre – also Peer-to-Peer – transferieren. Auch ausländische Investoren lassen sich direkt beteiligen. «Für eine erste Scale-Up-Phase 1 ist im April 2022 eine Kapitalerhöhung von 824‘000 CHF und im August 2022 eine weitere für 2.9 Mio. CHF über daura geplant. Später dürften die heyPatient-Aktien auch über die SME|X handelbar sein, die Schweizer Handelsplattform der BEKB für Digital Assets.