Nie waren die Ergebnisse spannender und von ähnlich gravierenden Änderungen geprägt wie in der vorliegenden Umfrage bei den regional tätigen Banken der Schweiz. Und das will etwas bedeuten, immerhin handelt es sich um die neunte Umfrage, die seit 2014 von der Zern & Partner GmbH durchgeführt wird. Mit 21 Teilnehmenden und einem Rücklauf von 30,8% ist die diesjährige Umfrage wiederum repräsentativ.
Die Inlandbanken sind in guter Verfassung, das bescheinigt auch die SNB in ihrem «Bericht zur Finanzstabilität 2022». Die Lage des eigenen Instituts wird auf der bis 10 reichenden Skala mit durchschnittlich 7.9 bewertet. Nur 2018 war mit 7.95 ein höherer Wert erreicht worden. Die Lage der Industrie wird mit 7.43 eingestuft, dem höchsten je verzeichneten Wert.
Die Zinswende
Der Grossteil der Antworten wurde vor dem überraschenden Zinsentscheid der SNB erteilt, dennoch ist ein grosses Aufatmen spürbar, das sich in einer ausserordentlichen Änderung der Einschätzung zur Zinslandschaft niederschlägt. Während der vergangenen Jahre hat kein einziger Teilnehmer der Umfrage mit einer Ausweitung der Zinsmarge gerechnet, dieses Jahr sind es 61,9%! Letztes Jahr erwarteten sogar 80,8% der Teilnehmer eine weitere Verengung der Marge, dieses Jahr nur 14,3%. Auch die langfristige Einschätzung hat sich deutlich verbessert. Nur noch 15% erwarten auf 10-Jahressicht eine Verschlechterung des Umfeldes für Regionalbanken, vor zwei Jahren waren es noch 63%!
Gefahr der nachlassenden Bestrebungen
Die Aussicht auf eine endlich wieder grosszügigere Zinsmarge führt scheinbar automatisch dazu, dass alle Anpassungsmassnahmen an das sich verändernde Umfeld nun weniger dringlich als noch im Vorjahr eingeschätzt werden, egal ob Entwicklung der soft Skills von Management und Mitarbeitenden, Kostensenkung oder Downsizing. Das zeigt sich besonders deutlich in der separat gestellten Frage: «Um das Beratungsgeschäft (zinsindifferentes Geschäft) zu expandieren, setzen Sie vor allem auf …» War das Beratungs- und Anlagegeschäft in den Vorjahren stets ein Schwerpunkt, um ausserhalb des Zinsengeschäfts zu expandieren, so fielen die Ergebnisse dieses Jahr markant. Initiative des Managements rutschte von 76% im Vorjahr auf 50%, die der Mitarbeitenden von 72% auf 60%.
Krypto-Indifferenz verschont Kunden
Jedes Jahr ist die Umfrage von anderen Schwerpunkten gekennzeichnet. Letztes Jahr war es das Krypto-Thema. Die Berührungspunkte waren noch gering, was sich nun angesichts des Bärenmarktes bei Bitcoin & Co. als Segen erweist. Auf die Frage «Sind Kryptowährungen ein wiederkehrendes Thema bei Beratungsgesprächen von Anlagekunden geworden?» antworten fast unverändert zum Vorjahr 85% mit Nein und 15% mit Ja.
Mitarbeitende und Nachhaltigkeit
Dieses Jahr waren Nachhaltigkeit der Bankdienstleistungen sowie Mitarbeitergewinnung und -bindung Schwerpunkte der Umfrage. Auf die Frage: «Achten Sie bei der Kreditvergabe an Kunden auf die Nachhaltigkeit des finanzierten Objekts/Unternehmens?» antworteten dieses Jahr 58% mit Ja, letztes Jahr waren es 48%. Es bewegt sich etwas. Es bleibt aber noch viel zu tun, denn auf die Frage: «Wie sieht die Strategie zur „Finanzierung der Net-Zero-Wirtschaft“ aus?» antworteten 50% mit «Bank hat dazu keine Strategie». Und nur bei bisher 26,3% hat die Nachhaltigkeit einen Einfluss auf den Kreditzins.
Vorreiter und Nachzügler
Interessant sind auch die Antworten auf einige offene Fragen wie: «Nachhaltigkeit ist heute in aller Munde. Wie und durch welche Anspruchsgruppen sind Sie im Bankalltag mit welchen ESG-Fragen konfrontiert?» Die Bandbreite reicht von «Umwelt, Öffentlichkeit, Politik, Kunden, Umfeld allgemein», einzeln oder in Gruppen genannt, über «wenig» und «In den letzten 5 Jahren ausschliesslich durch Analysten» bis zu «Im Moment noch vor allem durch interne Meinungen und Ansprüche, getrieben von dem ganzen Druck, der auf der Branche lastet.» Effektive Ansprüche von aussen gibt es bislang kaum. Das hat sich mit dem heutigen Tag geändert, denn «Nachhaltigkeit wird künftig integraler Bestandteil in den Beratungsgesprächen mit Kundinnen und Kunden», so der CEO der Bankiervereinigung Jörg Gasser. Ab 01. Januar 2023 sollen neue Regularien zur Nachhaltigkeit Verpflichtung werden.
Image und Attraktivität
Dass ein zeitgemässes Image als verantwortlicher und nachhaltiger Arbeitgeber auch für die gesuchten zukünftigen Mitarbeitenden von entscheidender Bedeutung sein kann, diese Konklusion drängt sich allerdings aus den Ergebnissen der Umfrage nicht auf. Beispielsweise lautet eine relativ ehrlich scheinende Antwort auf die Frage: «Welche Antwort geben Sie einem jungen Erwachsenen, der Sie vertrauensvoll in puncto Berufswahl zu den wirklichen Perspektiven zur Arbeit in der Bankenbranche befragt?» so: «Die Bankenausbildung bleibt eine solide Grundausbildung – reicht aber alleine nicht mehr aus, um eine Familie zu füttern…. Weiterbildung ist wichtig – es ist unklar, ob es in 15 Jahren noch Bankeninstitute wie heute gibt.»
Neue Herausforderungen und Thesen
Die Erleichterung über die Zinswende einerseits und andererseits die Herausforderungen bei der Anpassung an die Net-Zero-Wirtschaft und die Gestaltung einer attraktiven Arbeitswelt für die gesuchten Mitarbeitenden führt zu einem neuen Spannungsfeld, nachdem die Margenerosion die Vorjahre geprägt hatte. Neue Lösungen sind gefragt. Wie in den Vorjahren haben wir drei aus den Ergebnissen der Umfrage abgeleitete Thesen formuliert, die Sie in der vollständigen Interpretation finden. Dort bringen die vielen Originaltöne auch Vielfalt, Farbe, Licht und Schatten in das Selbstverständnis der Branche. Durch die achtjährige Historie vieler Fragen lassen sich auch die komplexen Veränderungen besser verstehen. Ein Höhepunkt ist zudem der einmalige Einblick in das stark veränderte aktuelle Anlagehandeln zehntausender Bankkunden bei den Antworten zur Frage: «Bei welchen Asset-Klassen hat sich die Nachfrage der Kunden in den letzten 12 Monaten signifikant verstärkt oder abgeschwächt?»
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