«Es geht wieder aufwärts», unter diesem Motto veröffentlicht die BVZ Holding aus Brig ihren diesjährigen Halbjahresbericht. Die BVZ Gruppe hat wie die meisten Tourismusanbieter von der wiederbelebten Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen profitiert. Auch das Geschäft mit ausländischen Touristen habe sich wieder spürbar erholt, schreiben VR-Präsident Patrick Z’Brun und CEO Fernando Lehner im Vorwort zum 1. Semester 2022.
Der Gesamtertrag vor Leistungen der öffentliche Hand stieg im ersten Halbjahr gegenüber der Vorjahresperiode um 21.5 Mio. CHF oder 51% auf 63.6 Mio. CHF und übertraf die Erwartungen des Unternehmens. Inklusive Leistungen der öffentlichen Hand stieg der Betriebsertrag von CHF 64.8 Mio. auf 82.8 Mio. CHF. Mit diesen Erträgen gelingt es der BVZ Gruppe, nach den Verlusten in der Vorjahresperiode von 3.1 Mio. CHF wieder einen Gewinn von 5.85 Mio. CHF auszuweisen.
Besonders erfreulich hat sich dabei das Geschäftsfeld Gornergrat entwickelt. Die Erträge konnten mehr als verdoppelt werden und stiegen auf 14 Mio. CHF. In den Monaten Mai und Juni seien die Umsätze sogar um 170% gegenüber dem Vorjahr gestiegen, schreiben die Verantwortlichen.
Im Interview mit schweizeraktien.net äussert sich CEO Fernando Lehner zum ersten Semester 2022, gibt einen Ausblick auf das Gesamtjahr und erläutert, was es mit der Zooom-Erlebniswelt auf dem Gornergrat auf sich hat.
Meet the sheep
Welchen Anteil daran die 120 Schwarznasenschafe haben, die im Sommer auf dem Gornergrat weiden, weist der Halbjahresbericht nicht aus. Sie hätten sich als starker Touristenmagnet etabliert, schreibt die BVZ Gruppe. Die Schafe tragen Halsbänder, die mit GPS ausgerüstet sind, sodass die Tiere auf einer Karte via Smartphone geortet werden können. Seit dem Sommer 2022 können sich Touristen auch auf den Themenweg «Meet the Sheep» begeben.
Investitionen in neue Zahnrad-Triebzüge
Um den Gornergrat noch attraktiver zu machen, investiert die BVZ Gruppe aber nicht nur in Schafe, sondern auch in neues Rollmaterial. Zum Einsatz auf der Panoramastrecke zum Gornergrat hat die BVZ Gruppe bei Stadler Rail fünf zweiteilige Zahnrad-Triebzüge mit einem Auftragsvolumen von 45 Mio. CHF bestellt. Die neuen Fahrzeuge POLARIS sind als Ergänzung und Ersatz für die zum Teil bis zu 57-jährigen Züge vorgesehen, die am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind. Am 8. April 2022 wurde das erste Fahrzeug in Zermatt angeliefert. Der fahrplanmässige Betrieb soll ab Ende 2022 / Anfang 2023 aufgenommen werden. Man verspricht sich davon mehr Gästekomfort und ein ruhigeres Laufverhalten für die halbstündige Fahrt von Zermatt auf den Gornergrat.
Neues Rollmaterial auch für die Matterhorn Gotthard Bahn
Neues Rollmaterial wird auch auf der Strecke Zermatt-Disentis zum Einsatz kommen. Der ORION (Optimaler Regionalzug Im Öffentlichen Nahverkehr) soll ab Mai 2023 kommerziell genutzt werden können. Das Auftragsvolumen für die erste Etappe der neuen Triebzüge betrage 148.5 Mio. CHF, schreibt die BVZ. Die Fahrzeuge seien auf dem ganzen Streckennetz der Matterhorn Gotthard Bahn zwischen Zermatt und Disentis einsetzbar und könnten auch die maximale Steigung von 181‰ zwischen Göschenen und Andermatt überwinden.
Das Geschäftsfeld Autoverlad büsste 23% auf einen Ertrag von CHF 3.7 Mio. CHF ein. Die frühe Öffnung der Passstrasse über die Furka habe auf die Frequenzen gedrückt. Zudem sei die Rechnung durch eine einmalige Ertragsabgrenzung von 0.74 Mio. CHF im Hinblick auf die Abschaffung der Punktekarte belastet worden, so die BVZ.
Das bleibt aber der einzige Ausreisser nach unten. Im Geschäftsfeld Immobilien nahmen die Erträge der bestehenden Renditeliegenschaften in Zermatt und Visp sowie der Überbauung Andermatt Central um 6,4% auf CHF 2.9 Mio. CHF zu. Der Matterhorn Terminal Täsch, der zum Geschäftsfeld Beteiligungen gehört, konnte die Frequenzen erneut erhöhen und steigerte den Ertrag um 4,9% auf 3.35 Mio. CHF.
Ausblick
Ob sich die erfreuliche Belebung des Reiseverkehrs in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen wird, hinge von mehreren Unsicherheitsfaktoren ab, schreiben Z’Brun und Lehner. Dazu gehörten im Wesentlichen der Kriegsverlauf in der Ukraine, das Ausmass der Energiekrise, die Entwicklung der Corona-Pandemie und der daraus folgenden Reisebeschränkungen sowie Kapazitätsengpässe im internationalen Flugverkehr.
Dessen ungeachtet sei insbesondere in Europa, in den USA und in Südostasien ein stark gestiegenes Interesse der Reiseveranstalter, Agenten und Produktmanager zu beobachten. Die BVZ Gruppe habe die Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen genutzt, um die Attraktivität und Vielfalt ihrer touristischen Angebote zu erhöhen und die Marketingaktivitäten zu intensivieren.
Fazit
Die BVZ Gruppe ist ein Unternehmen, das auf eine Private-public-Partnership (PPP) zurückgreifen kann. Denn sie bietet nicht nur privaten Transport an, sondern erfüllt auch eine Aufgabe im ÖV. Dass die Anzahl der Generalabonnemente und Halbtaxabos in den ersten sechs Monaten 2022 wieder angezogen hat, kommt der BVZ deshalb unmittelbar zugute. Auch hilft die PPP-Struktur, die Investitionen von an die 200 Mio. CHF in neue Triebzüge zu schultern.
Gespannt darf man auch darauf sein, welchen Einfluss die erstmals ausgetragenen Ski-Weltcuprennen in Zermatt Ende Oktober/Anfang November auf das Touristenaufkommen und damit auf die Transportvolumen der BVZ in der eher mauen Nebensaison haben werden.
Sicher ist: Die kürzlich eröffnete Erlebniswelt «Zooom», die virtuelle Erlebnisse rund um das Matterhorn und eine Schlechtwetter-Alternative für die Touristen anbietet, die den Weg auf den Gornergrat auf sich nehmen, ist ein voller Erfolg bei den Besuchern.
Die Marktperformance der an der SIX kotierten Aktie der BVZ Holding ist gemessen am übrigen Marktgeschehen durchaus beachtlich. Zuletzt wurden 770 CHF für die Aktie bezahlt, das sind 10% mehr als noch zu Jahresbeginn. Die Schwarznasenschafe werden es den Investoren danken. Sie dürften einen weiteren Sommer als Touristenattraktion auf dem Gornergrat eingesetzt werden.