Das Hauptziel des Cornèr Fund Mid & Small Cap CH der VV Vermögensverwaltung in Zug ist die Erzielung eines langfristigen Kapitalwachstums durch Investitionen in kleine und mittelgrosse Unternehmen, die an der Schweizer Börse kotiert sind. Der Swiss Performance Index Kleine & Mittlere Unternehmen (SPISMC) dient als Benchmark. Der Fonds kann bis zu 20% ausserhalb der Benchmark investieren, jedoch nur in Schweizer Aktien, die im SMI-Index enthalten sind. Verfolgt wird eine aktive Anlagestrategie.
Das Fondsvolumen beträgt aktuell 31 Mio. CHF. Der Fonds hatte im letzten Jahr leichte Mittelzuflüsse zu verzeichnen.
Herr Buri, als wir das letzte Mal miteinander sprachen, betonten Sie, dass Sie einen langfristigen Anlagehorizont verfolgen, wodurch kurzfristige Ereignisse eine untergeordnete Rolle spielten. Nun stehen wir vor stark steigenden Inflationsraten, einem Krieg in Europa und der Ungewissheit, wie es mit Corona weitergeht. Sind all diese Faktoren für Sie kurzfristige Ereignisse ohne längerfristigen Einfluss auf die Märkte?
Grundsätzlich halten wir an unserer Anlagestrategie fest und verfolgen einen langfristigen Anlagehorizont. Dies hat sich durch diese Ereignisse nicht geändert. Richtig ist jedoch, dass sich das Weltbild seit unserem Gespräch im letzten August verändert hat. Durch die verschiedenen Lockdowns wurde uns klar aufgezeigt, dass die Abhängigkeiten zu China unverantwortlich hoch waren. Die Konsequenz sehen wir nun in nachhaltig gestörten Lieferketten, wodurch verschiedene Unternehmen nicht in der Lage sind, ihre Produkte fertigzustellen. Diese Problematik wurde durch den Krieg vor den Toren Europas noch zusätzlich verstärkt. Insbesondere Deutschland hat sich vom russischen Gas abhängig gemacht, was sich nun voll in hohen Gaspreisen durchschlägt. Alle diese Faktoren haben dazu geführt, dass die Inflation deutlich stärker stieg, als dass man dies erwarten konnte. Kurzfristig können diese Faktoren nicht absorbiert werden. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden vielschichtig sein und dazu führen, dass wir eine Rezession in den USA und Europa sehen werden. Wie stark diese sein wird, bleibt abzuwarten. Den Ausgang des Krieges zu prognostizieren, ist ebenfalls unmöglich. Diese Faktoren führen dazu, dass die Volatilität an den Märkten gestiegen ist. Hingegen bin ich positiv, dass wir Corona auch im Herbst im Griff haben werden.
Es fällt auf, dass Sie gegenüber der Benchmark SPI Small & Mid Caps stark in Technologietitel übergewichtet sind. Sie setzen also weiter auf Wachstumstitel und weniger auf Value. Hat Ihnen diese Auswahl 2022 Ihre Performance von -34,6% gegenüber der Benchmark mit -21% verhagelt?
Ja, diese Feststellung ist teilweise richtig. Wir verfügen jedoch auch über Qualitätstitel wie Sika und Bachem in unserem Portfolio, welche ebenfalls deutlich zurückgestuft wurden. Wenn sich der Sturm gelegt hat, werden die Wachstumsaktien eine klar bessere Performance an den Tag legen als Value-Aktien. Die Megatrends Mobilität, Kommunikation, Urbanisierung, Umweltbewusstsein, Überalterung und Sicherheit sind nicht vorbei, mögen aber im jetzigen Umfeld unterbrochen sein. Diese Trends werden künftig wieder weiter voranschreiten, und Wachstumsgesellschaften mit einer starken Marktposition werden im Hinblick auf Umsatz und Gewinn überdurchschnittlich profitieren. Solchen Umständen tragen wir Rechnung, weshalb wir eine Reduktion der Sektorgewichtung von 18.9% auf 15.0% vorgenommen haben.
Seit Auflage des Funds liegen Sie immer noch deutlich über der Benchmark. Auf welche Titel führen Sie das gute Abschneiden in erster Linie zurück?
Obwohl die nachfolgenden Titel dieses Jahr zu den grossen Verlierern zählen, hat sich unsere starke Übergewichtung in Bachem, Sika, Also, Partners Group und Lindt & Sprüngli ausbezahlt. Dies sind alles Gesellschaften, die von den oben beschriebenen Megatrends überdurchschnittlich profitieren werden, dies auch in Zukunft.
Bachem war noch vor einem Jahr die grösste Position in Ihrem Portfolio. Warum haben Sie das Gewicht dieser Aktie in Ihrem Fund reduziert?
Durch die starke Performance im letzten Jahr waren wir ein paar Mal nahe bei der 10% Positionslimite, weshalb das Gewicht zurückgesetzt werden musste. Es handelte sich dabei mehr um eine technische Massnahme und widerspiegelt in keinster Weise unsere positive Einschätzung zum Unternehmen. Die Pipeline von Bachem ist vollgefüllt. Die weiteren Kapazitätsausbaupläne sind in die Wege geleitet, um dieses Wachstum auch in der Zukunft bewältigen zu können. Die stark steigenden Zinsen haben die Bewertung des Unternehmens wieder auf ein Niveau gebracht, wo der Titel attraktiv erscheint. Bachem wird mit einem CAGR von 15% über die nächsten 5 Jahre wachsen, was sich unweigerlich in einer höheren Bewertung niederschlagen wird.
Nach Lindt & Sprüngli ist die in der Spezialitätenchemie tätige Sika Ihre zweitgrösste Position. Allerdings kennt der Sika-Kurs im letzten Jahr nur die Richtung gen Süden. Was überzeugt Sie bei diesem Titel, und wie schätzen Sie die Erholungschancen ein?
Sika ist das Unternehmen in unserem Portfolio, welches am meisten von den Megatrends profitieren wird. Sika ist weltweit aufgestellt, bietet Produkte an, auf die man beim Bauen oder in der Automobilindustrie nicht verzichten kann und deckt gleich mehrere Megatrends ab. Ein starkes, dezentralisiertes Management-Team zeichnet verantwortlich dafür, dass das hohe Wachstum und die Profitabilität auch zukünftig beibehalten werden können. Zudem hat das Unternehmen einen hervorragenden Track-Record, was Übernahmen und deren Integration in die Organisation betrifft. Mit der Übernahme von MBCC (ex Bauchemiegeschäft von BASF) konnte eine Einheit gekauft werden, die komplementäre Produkte in die Familie bringt und zusätzlich andere Distributionskanäle eröffnet. Auch in einem harten Marktumfeld gewinnt das Unternehmen laufend Marktanteile, dies wird sich über kurz oder lang nicht nur im Wachstum, aber vielmehr auch im Gewinn niederschlagen.
In Ihrem Bericht zum Marktgeschehen Ende August schreiben Sie, dass Stadler Rail ungerechtfertigterweise von Analysten und Investoren abgestraft werden würde. Da man nie alles kennen könne, müsse man der Unternehmensführung und Strategie ein Grundvertrauen entgegenbringen. Sind die Analysten und Investoren zu kurzsichtig, was Stadler Rail anbelangt?
Die Analysten verfolgen ein anderes Business Modell als wir Investoren. Analysten arbeiten für einen Broker und wollen mit ihren Empfehlungen Kommissionen generieren. Wir als Investoren wollen über einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont eine gute Performance für unsere Kunden erwirtschaften. Dadurch prallen zwei grundverschiedene Ansätze aufeinander, welche sich gegenseitig nicht ergänzen. Stadler Rail steht mit einem Orderbuch von knapp CHF 22 Mrd. da. Dies eröffnet Fragen, zu welchen Margen diese konkret in den Büchern stehen. Können Preissteigerungen weitergegeben werden? Welche Cashflows werden zukünftig generiert, und welche Margen können im neuen Umfeld erzielt werden? Dies sind alles berechtigte Fragen, die man nicht einfach in einem Spread-Sheet abbilden kann. Dennoch muss man dem Unternehmer Peter Spuhler zugestehen, dass er ein Unternehmen im Jahre 1989 von 18 auf 13’000 Mitarbeiter ausgebaut hat und 2021 einen Umsatz von CHF 3.6 Mia. generierte. Dies ist eine unternehmerische Höchstleistung, die man nicht genügend hoch einschätzen kann. Solche Leistungen kommen nicht von ungefähr, und deswegen sollten die Marktteilnehmer der Unternehmungsführung ein grösseres Vertrauen entgegenbringen.
Angesprochen auf die Aktie von Logitech sagten Sie mir vor einem Jahr, Sie interessierten sich nicht für Quartalszahlen, sondern für den langfristigen Trend. Ihr Kursziel lag damals bei 150 CHF. Dass Sie an Ihrer damaligen Aussage nicht zweifeln, lässt sich daran sehen, dass Sie an dem Titel als einem Ihrer Top 10 festhalten, auch wenn er gerade noch um die 50 CHF notiert. Was stimmt Sie optimistisch bezüglich Logitech?
Logitech ist eine der günstigsten Aktien am Schweizer Markt mit einem KGV 2023E von 13.7x. Mir gefällt am Unternehmen, dass es in der Covid-Krise seine Marktanteile massiv ausgebaut hat und jederzeit die Lieferbereitschaft für seine Kunden aufrechterhalten konnte. Zudem erzielt Logitech gegenüber der Vor-Covid-Periode einen um fast USD 2 Mrd. höheren Umsatz. Dadurch hat sich die Basis für Logitech signifikant nach oben verschoben. Der Trend zum hybriden Arbeitsplatz wird bleiben und Logitech in die Hände spielen. Ebenfalls wird sich das Segment Video Collaboration weiter positiv entwickeln, da man heute bequem und ohne Reisen Meetings abhalten kann. Schätzungen gehen davon aus, dass noch 90 Mio. Besprechungsräume auf die neuste Technologie umgerüstet werden müssen. Auch wenn Gaming etwas schwächelt zurzeit, ist dies nur eine vorübergehende Betrachtung. Gaming ist in den USA und auch in den asiatischen Märkten ein Hype. Weltweit lassen sich 3.51 Mrd. Menschen vom Gaming-Trend inspirieren. Schon heute werden bei verschiedenen Gaming-Wettkämpfen höhere Preisgelder ausbezahlt, als der Sieger beim Wimbledon Tennisturnier gewinnt. Hier ist Logitech die Nr. 1 und bringt kontinuierlich wegweisende Innovationen auf den Markt. Auf diesen tiefen Niveaus ist der Titel ein klarer Kauf.
Sie sind in den Sektoren Industrie und Technologie übergewichtet, im Bereich Finanzen deutlich untergewichtet. Werden Sie aufgrund der allgemeinen Lage eine Umschichtung vornehmen?
Nein, hier ist kein signifikanter Wechsel der Gewichtung zu erwarten. Unsere Industrieunternehmen stellen in ihren Nischen Spitzenprodukte her, ohne die kein Flugzeug oder Auto heute fliegen oder fahren würde. Zudem können sich diese Unternehmen rasch auf neue Entwicklungen oder Ereignisse einstellen. Wenn wir bedenken, wie diese Unternehmen den Franken-Schock 2015 weggesteckt haben und sich heute der Franken noch weiter aufgewertet hat, handelt es sich hierbei um eine unternehmerische Meisterleistung. Auch heute sind die Produkte, die exportiert werden, konkurrenzfähig, und der Name Swissness geniesst nach wie vor einen hohen Stellenwert im Ausland. All diese Tugenden und Eigenheiten finden wir im Finanzbereich nicht. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, dass das Ansehen des Schweizer Finanzplatzes in den letzten Jahren stark gelitten hat. Somit bleiben wir unsere Anlagephilosophie treu und investieren in Schweizer Industriewerte, die nachhaltig bewiesen haben, dass sie zu den Top 3 auf der ganzen Welt gehören.
Wie sieht Ihre Renditevorgabe für den Cornèr Fund in diesem Jahr aus?
Die Vorgabe war sicher, einen positiven Ertrag zu erzielen. Doch mit all den Geschehnissen in diesem Jahr ist das utopisch. Leider werden wir in diesem Jahr mit einer negativen Performance vorliebnehmen müssen.
Mit was machen Sie sich Mut, wenn Sie auf die angespannte Situation an den Märkten schauen?
Positiv stimmt mich, dass die schlechten Nachrichten auf dem Tisch liegen. Die Inflation ist da, die Rezession steht vor der Tür, der Krieg vor den Toren Europas, Spannung zwischen China und Taiwan, Spannungen zwischen China und den USA, steigende Gaspreise, politisch instabile Weltregionen und Verwerfungen an der Währungsfront, um nur einige zu nennen. Ich denke, schlechter kann es nicht mehr kommen. Die Märkte sind überverkauft, aber die Anleger lassen sich von der Angst treiben und getrauen sich noch nicht, zuzulangen. Der Tag wird kommen, wo ein Ereignis die Augen der Anleger wieder öffnen wird und sie gewillt sind, wieder in die Zukunft zu schauen. In 96 Jahren hat man mit Schweizer Aktien im Durchschnitt 8% pro Jahr verdient, dies wird auch in Zukunft der Fall sein. Ist die Nacht am dunkelsten, ist der Tag nicht mehr fern!
Herr Buri, herzlichen Dank für dieses Gespräch.