Wer sich in den letzten Jahren den Traum vom Eigenheim erfüllt hat, durfte von günstigen Konditionen profitieren. Die 2014 von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eingeführten Minuszinsen haben die Hypothekarkredite massgeblich verbilligt. Doch nun hat sich das Blatt definitiv gewendet. Die SNB hat am 23. September den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5% erhöht und damit das Ende der achtjährigen Negativzins-Ära besiegelt. Spürbar ist die Zinswende erstmals für die Hausbesitzer, welche ihren Hypothekarkredit dieses Jahr erneuern müssen. Theoretisch dürften Zinsanstiege bis fünf Prozent keinerlei Problem darstellen, denn bei der Hypothekarvergabe haben die Banken einen kalkulatorischen Zins in dieser Höhe verwendet. Doch die Realität misst sich nicht immer an den jungen, hübschen Familien, die einem auf den Bankprospekten entgegenlachen. Bei einer Trennung oder Scheidung wird die Tragbarkeitsberechnung zu Makulatur. Somit werden Zinsen für langfristige Hypotheken von 3% schon manchen Besitzern von privatem Wohneigentum signalisieren, nochmal ordentlich übers Budget zu gehen.
Saron-Hypotheken auf einmal unattraktiv
Die Fluchtmöglichkeit in die beliebten Geldmarkthypotheken (Saron) ist nach dem letzten Zinsentscheid weniger attraktiv. Hier geht es um Hypotheken mit einer sehr kurzen Laufzeit von einem bis sechs Monaten, die immer wieder erneuert werden (Rollover). Sie orientieren sich am Saron (Swiss Average Rate Overnight), dem wichtigsten Schweizer Geldmarktzins. Solange der Saron unter null notierte, mussten die Kunden nur eine Marge bezahlen von etwa acht oder neun Prozent, denn der Basiszinssatz war immer bei 0 Prozent. Jetzt verteuern sich plötzlich die Geldmarkthypotheken auf 1,4%. Wer sich aktuell mit dem Gedanken trägt, eine Geldmarkthypothek abzuschliessen, sollte einkalkulieren, dass sich der Saron im Dezember wohl nochmals um 0,75% erhöht, womit der Zins dann auf 2,15% ansteigt. In dieser Situation fährt niemand schlecht, der eine kurzfristige Fixhypothek wählt. Diese erlaubt eine neue Bestandsaufnahme nach wenigen Jahren und verhindert, dass der Hypothekarnehmer bei der Wahl von längeren Fristen hohe Zinsen auf lange Zeit einloggt.
Direkte Immobilienanlagen
Wenn Experten von einem regelrechten Blutbad bei der Kursentwicklung von Immobilienfonds sprechen, sind die Preise der direkten Immobilienanlagen, dazu zählen Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Mehrfamilienhäuser, noch nicht von einem Einbruch betroffen. Eher im Gegenteil. Trotz spürbarer Zunahme der Finanzierungskosten gibt es bei Wohneigentum nach Ablauf des 3. Quartals immer noch ein solides Preiswachstum, wie die IAZI-Preisindizes zeigen. Über die letzten zwölf Monate ergibt sich am Eigenheimmarkt insgesamt eine kumulierte Preissteigerung von 5,5%, die den langjährigen Durchschnitt weit übertrifft.
Immobilien von Babyboomern kommen auf den Markt
«Der Schweizer Eigenheimmarkt präsentiert sich noch solid», sagt Donato Scognamiglio, CEO der IAZI AG. «Der erneute Wertzuwachs unterstreicht, dass die Hypothekarkonditionen bis anhin noch kaum Einfluss auf die Nachfrage ausüben». Gerade in Zeiten erhöhter Geldentwertung und Unsicherheit an den Märkten wachse der Wunsch, Kapital in Sachwerte wie Immobilien umzuwandeln. Rückläufige Bautätigkeit und Angebotsverknappung wirken ebenfalls als stützend. Über die nächsten Jahre gesehen wird allerdings das Angebot belebt mit weiteren Liegenschaften. Viele Objekte werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, wenn die Babyboomer anfangen, ihre Liegenschaften zu vererben oder zu veräussern (siehe Grafik «Verteilung der Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen in der Schweiz nach Generationen der Bewohner im Jahr 2019»). Bei Mehrfamilienhäusern ist der Wachstumskurs ebenfalls noch ungebrochen. Auf Jahresbasis erreicht die Preisentwicklung die Marke von 6.0%.
Auch wenn in den aktuellen Zahlen noch kein Abbremsen der Preisentwicklung ersichtlich ist: Die Zeichen verdichten sich, dass der jahrelange Immobilien-Boom zu einem vorläufigen Ende kommt. Die Renditedifferenzen von Immobilienfonds, Immobilienaktien sowie Direktanlagen zur Schweizer Bundesobligation sind bereits stark gesunken. Jeder weitere Zinsschritt reduziert die relative Attraktivität von Immobilien. Solange die Notenbanken die rekordhohe Inflation nicht unter Kontrolle bringen, sind weitere Anhebungen der Leitzinsen fast unvermeidlich. Zudem ist davon auszugehen, dass es bis Ende Jahr bei einigen institutionellen Investoren aufgrund der Verluste an der Börse zu einem Portfolio-Rebalancing kommen könnte, also zu vermehrten Verkäufen von Renditeobjekten.
Immobilienfonds
Der bekannte Ökonom Klaus Wellershoff hat die Kursentwicklung bei den Immobilienfonds jüngst als «Blutbad» bezeichnet. Der SWIIT, der Immobilienfonds-Index der Schweizer Börse, hat bereits seit Jahresbeginn einen Fünftel seines Wertes verloren. Das mag daran liegen, dass Anleger bei indirekten Immobilienanlagen viel schneller auf die aktuelle Zinswende reagieren als bei direkten Immobilienanlagen, d.h. bei den effektiven Liegenschaften. Institutionelle Anleger, die sich an fixe Quoten bei den verschiedenen Anlageklassen halten müssen, haben diese Fonds verständlicherweise als Erstes abgestossen. Die herben Verluste an den Aktienbörsen haben nämlich dazu geführt, dass die Immobilienquote bei einigen Investoren nun zu hoch angesetzt ist, was Letztere zu einem Ausgleich ihrer Anlageklassen zwingt. Dieses Rebalancing wird auch dazu führen, dass die institutionellen Anleger vermehrt Renditeobjekte verkaufen werden. Die Kursverluste bei Immobilienfonds bieten für risikobereite Anleger Einstiegsmöglichkeiten.
Immobilienaktien
Wer in Immobilienaktien investiert ist, muss jetzt wohl starke Nerven beweisen. Denn der SXI Real Estate All Shares Index ist bis Ende Oktober der Abwärtsbewegung des Swiss Performance Index gefolgt. Die Zinswende hinterlässt bei den Immobiliengesellschaften ebenfalls Spuren, wenn sie auch den Geschäftserfolg und die Aussichten nicht markant eintrüben. Lange Zeit hat PSP Swiss Property von Aufwertungen ihres Immobilienbestandes profitiert. Doch die Zinswende hat auch dieses Blatt gewendet. Analog mit den Leitzzinsen erhöhte sich auch der Diskontierungssatz für die Ertragsbewertungen der Liegenschaften. Ein höherer Satz bedeutet immer niedrigere Schätzwerte. Deshalb ist die Liegenschaftsbewertung des 9 Mrd. CHF grossen Bestandes an Büro- und Ladenliegenschaften gemäss der Diskontierungsmethode über den ganzen Bestand betrachtet nur mehr etwa 1% gestiegen, gegenüber mehr als 3% im Vorjahreszeitraum. Dennoch ist PSP Swiss Property in anhaltend starker Verfassung. Denn langfristig bedeutsamer als die Höhe der Bewertungsgewinne ist, wie sich der Betriebsgewinn aus dem stetig eintreffenden Vermietungserlös entwickelt. Er hat sich im ersten Halbjahr 9% auf 155.1 Mio. CHF. verbessert. Für das gesamte Jahr hat das Management bisher 285 Mio. CHF operativen Gewinn erwartet. Nun hebt es die Prognose auf 290 Mio. CHF an. 2021 lag die Zahl bei 279 Mio. CHF.
Ähnlich präsentiert sich die Situation bei Mobimo. Die steigenden Zinsen dürften sich zwar negativ auf die Bewertungen des derzeit 3.7 Mrd. CHF grossen Portfolios auswirken. Dieser Effekt dürfte aber durch den positiven Einfluss höherer Mieten auf die Bewertungen kompensiert werden. Aus dem Segment Wohnen stammen 33,6% des Mietertrags. Den Rest steuern kommerziell genutzte Immobilien bei. In der Pipeline befinden sich Projekte für 1.2 Mrd. CHF.
Preisgünstiger Wohnungsbau in Zürich
Mobimo betritt als Investor künftig neue Wege, was den Bau von Mietwohnungen betrifft. Gerade in Zürich stossen renditeorientierte Bauherrschaften auf sehr starken Widerstand, seit die Stadt Zürich das Ziel verfolgt, den Anteil preisgünstiger Wohnungen an allen Mietwohnungen auf einen Drittel zu erhöhen. Als Mahnmal dient das SBB-Areal «Neugasse». Hier haben die Stimmbürger der Stadt Zürich beim Urnengang im September der Stadt Zürich den Auftrag erteilt, das Gelände der SBB abzukaufen. Auf dem Neugasse-Areal nahe der Josefwiese hätten die SBB 375 Wohnungen bauen wollen, 125 davon gemeinnützig – doch dies war SP, Grünen und AL nicht genug. Schon vor dem Urnengang hatten Stadtrat und SBB davor gewarnt, dass es bei einem Ja zur Initiative gar kein Projekt gebe. Nun ist es so weit. Das Gelände dürfte noch lange unbebaut bleiben, preisgünstige Wohnungen werden überhaupt nicht entstehen.
In der Zürcher Manegg hingegen kommen bald 268 neue Mietwohnungen auf den Markt. Mobimo verzichtete von Anfang an freiwillig darauf, das ganze Grundstück mit Liegenschaften zu bebauen. Stattdessen ging das Unternehmen eine Partnerschaft mit Logis Suisse ein. Letztere ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, die ihre Wohnungen wie Genossenschaften auf der Basis von Kostenmieten vermietet, aber keine Berührungsängste gegenüber renditeorientierten Investoren bzw. Bauherren hat. Die vier gebauten Häuser sehen nun fast gleich aus, ausser dass die Fassaden und die Inneneinrichtung bei den Mobimo-Häusern wohl mehr gekostet haben. Allerdings ist diese gelungene Partnerschaft nicht nur aus reinem Altruismus zustande gekommen. Mobimo verspricht sich dabei, die politische Akzeptanz für das Projekt zu erhöhen und das Risiko zu vermeiden, mit langwierigen, kostspieligen Einsprachen konfrontiert zu sein.