Die meisten Notenbanken steuerten nach der Finanzkrise 2008 freiwillig in eine Liquiditätsfalle. Ausgerechnet in Zeiten steigender Inflation versuchen sie nun eine Kehrtwende. Dies hat Folgen für die Schweizer Wirtschaft.
Angst ist kein guter Ratgeber. Im Jahr 2007 brach in den USA das Kartenhaus der Investmentbanken mit ihren künstlich hochgejubelten Krediten auf Schrottimmobilien zusammen. Aus Angst vor noch grösseren Schäden machten sich die Notenbanken zu den Komplizen der Zocker an der Wall Street. Deshalb überschwemmten die Notenbanken die Finanzmärkte mit Unsummen an zinslosen Darlehen. Schon damals existierte kein Plan, wie man diese als Rettungspakete verbrämte Geldschwemme ohne Kollateralschäden je wieder zurückführen könnte.
Auch die SNB begab sich auf den Pfad der negativen Zinsen und der ungezügelten Geldmengenausweitung. Als besonderer Faktor kam bei der SNB noch die irrige Vorstellung hinzu, den Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken auf einem viel zu hohen Niveau stützen zu wollen.
Es dauerte viel zu lange, bis die SNB den Realitäten ins Auge sah und sich eingestehen musste, dass der Euro tatsächlich die Weichwährung ist, die er von Anfang an war. Denn der Lug und Betrug bei der Euro-Einführung war der SNB längst bekannt. So wurden vor der Euro-Einführung bereits 1997 bei Eurostat die Statistiken manipuliert nur, um Griechenland, koste es was es wolle, in den Euro aufzunehmen. Die Versuche der Schweizer Nationalbank blieben nicht ohne Folgen. Derzeit sind rund 37% der Devisenreserven der SNB in teuer eingekaufte Euro angelegt, die seither an Wert verloren haben.
SNB im Euro-Strudel
Die SNB exponierte sich nicht nur gegenüber dem Euro, sondern hat zudem enorme Summen an den Aktienmärkten investiert. Dies bescherte der SNB so lange Gewinne, wie die Notenbanken die Finanzmärkte mit Geld fluteten. Auch die SNB wusste, wann ein unvermeidlicher Einbruch kommen musste – nämlich sobald die Geldflut der Notenbanken enden würde. Es kam, wie es kommen musste, und so belief sich der Buchverlust der SNB nach Aktien- und Eurocrash im ersten Halbjahr 2022 auf 95 Mrd. CHF.
Das zweite Halbjahr dürfte angesichts der Situation an den Finanzmärkten kaum besser ausfallen. Trotz allem präsentiert sich die Schweiz im Vergleich zu vielen anderen Ländern und Regionen noch als wirtschaftlich stabil und politisch sicher. Der Schweizer Franken wird somit seiner Rolle als Fels in der Währungsbrandung wieder gerecht – zumindest vorerst. Für ausländische Investoren bietet sich damit eine interessante Möglichkeit. Sie können eine Flucht in den Schweizer Franken mit Investitionen in Finanzprodukte zu kombinieren. Diese zeigen nach den massiven Kursrückschlägen der vergangenen Monate zumindest teilweise wieder ein langfristiges Aufwärtspotenzial.
Und die Schweizer Wirtschaft?
Viel Spielraum bleibt der EZB derzeit nicht, um den Euro zu stärken. Weitere Zinserhöhungen wären riskant. Denn die hochverschuldeten Länder unter den Euro-Mitgliedsstaaten wären dann kaum in der Lage, ihre Schulden zu begleichen. Eine länger anhaltende Euro-Schwäche darf also angesichts einer drohenden Rezession im Euro-Raum nicht überraschen. Für die Schweiz wären die Folgen vor allem in der Tourismusbranche zu spüren. Diese hatte kaum Zeit, sich von den Auflagen während der Corona-Pandemie zu erholen, und sie wird nun zusätzlich von Energieknappheit und Eurokrise in die Zange genommen. Allerdings muss man relativieren. Zwar dürften Ferien in der Schweiz im kommenden Winter für viele Touristen aus dem Euro-Raum zum unerschwinglichen Luxus werden. Jedoch zeigen beispielsweise die Daten des Hotelbuchungsportals Booking.com, dass rund 80% der Hotels an wichtigen Wintersportorten der Schweiz zwischen Weihnachten und Sylvester bereits sehr gut oder sogar komplett ausgelastet sind. Wohlhabende Touristen aus dem Euro-Raum nutzen demnach die Gelegenheit, der Tristesse des Heimatlandes für einen Erholungsaufenthalt in der Schweiz zu entfliehen. Für den Schweizer Tourismus kann das allerdings eine Bewährungsprobe darstellen, denn die Erwartungshaltung der Gäste könnte parallel zu den Preisen steigen.
Etwas besser positioniert dürften die Schweizer Exporteure sein. Diese haben in vielen Fällen Niederlassungen im Euro-Raum, wodurch sie Wechselkursänderungen abfedern können. Zudem hatten viele Unternehmen ihre Kostenstruktur bereits während der Covid-19-Pandemie angepasst. Ausserdem hatten die Exporteure genügend Zeit, um sich auf einen schwachen Euro einzustellen, nachdem es die SNB aufgegeben hat, gegen die Stärke des Schweizer Frankens anzukämpfen.
Fazit
Von Washington über London bis Frankfurt stehen die Zentralbanken derzeit mächtig unter Druck. Die heimische SNB musste auch einige Wirkungstreffer in den jüngsten Turbulenzen an den Finanz- und Devisenmärkten wegstecken. Der starke Schweizer Franken bewährt sich in unsicheren Zeiten wie diesen wieder einmal als gesuchte Fluchtwährung. Grundsätzlich ein gutes Signal für den Finanzplatz Schweiz. Die Tourismusindustrie scheint noch mit einem blauen Auge davon zu kommen. Vor allem im hochpreisigen Segment sind die Kunden weniger preissensibel. Die Stärke des Schweizer Frankens ist für wohlhabende Touristen kein Hindernis.
Den Exportunternehmen weht allerdings ein rauer Wind entgegen. Jedoch dürften viele Firmen vorbereitet sein. Sie operieren entweder auch in der Eurozone oder haben notwendige Schritte in die Wege geleitet, um die Euro-Schwäche abzufedern.
Insgesamt sollte sich die Schweizer Wirtschaft auf einen weiterhin starken Schweizer Franken einstellen, denn die Devisenmärkte haben derzeit die Macht über die Leitwährungen an sich gerissen. Den Notenbanken fehlen derzeit offenbar die Möglichkeiten, um entschieden ins Währungsgefüge einzugreifen.