SGV Holding: Anni horribili wandern in den Papierkorb der Geschichte

Das Luzerner Schifffahrtsunternehmen erwartet Umsatzrekorde für 2022

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Die Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee operiert 2022 wieder in ruhigeren Gewässern. Bild: sgvgruppe.ch

Gefragt nach seinen Hoffnungen für die Zukunft antwortete Stefan Schulthess, CEO der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee AG (SGV), in einem Interview mit schweizeraktien.net vor einem halben Jahr, dass er froh sei, wenn er nicht mehr Worte wie «annus horribilis» in den Mund nehmen müsste.

Mit dem aktuellen Aktionärsbrief vom November 2022 wandern die Horrorjahre 2020 und 2021, die dem Unternehmen Millionenverluste bescherten, nun in den Papierkorb der Geschichte. Vorbei die Zeiten, als alles zusammenkam: Pandemie, die damit verbundenen behördlichen Beschränkungen und das Wegbleiben internationaler Touristenströme. Einziger Wermutstropfen: die Erholung des asiatischen Marktes geht schleppend voran, insbesondere das fast komplette Ausbleiben der Chinesen schmerzt.

Mit einem prognostizierten Umsatz vom 90 Mio. CHF und einem Geschäftserfolg (EBITDA) von 12 Mio. CHF für 2022 habe das Unternehmen schneller als erwartet an die Vor-Corona-Zeit angeknüpft, schreiben Verwaltungsrat und Gruppenleitung im aktuellen Aktionärsbrief. Es sollte gelingen, so die Prognose, die historischen Höchstwerte der Jahre 2018 und 2019 zu übertreffen. Dabei hätten alle Unternehmensbereiche zu der erfolgreichen Entwicklung beigetragen.

EBITDA SGV Gruppe, konsolidiert, 2013–2022, in Mio. CHF. Quelle: sgvgruppe.ch
Schifffahrt, Gastronomie und Hotellerie wieder in ruhigerem Fahrwasser

Zwei der drei Geschäftsfelder der SGV, die Schifffahrt sowie die in der Tavolago gebündelte Gastronomie und Hotellerie, die in den vergangenen Jahren besonders litten, haben eindrücklich den Weg zurück zur Normalität geschafft. So rechnet die SGV für dieses Jahr mit rund 2.7 Mio. Gästen, die auf dem Vierwaldstättersee unterwegs gewesen sein werden. Damit liege man nur noch 10% unter der Gästezahl aus dem Jahr 2019, aber 50% über dem Vorjahr. Der Verkehrsertrag werde bei ca. 33 Mio. CHF liegen, so die Luzerner. 2019 betrug er 36.5 Mio. CHF.

Gute Nachrichten auch aus der Gastronomie und Hotellerie: Obwohl das für die Tavolago wichtige und ertragreiche Messe- und Catering-Geschäft im ersten Quartal 2022 coronabedingt ausgefallen sei, werde die Gruppengesellschaft die Erwartungen übertreffen, schreibt die SGV. Es zeige sich ein grosser Nachholeffekt. Der Gesamtumsatz wird in Höhe von 29 Mio. CHF erwartet, 2019 lag dieser bei rund 35 Mio. CHF. Im Vergleich zum Horrorjahr 2021 ergibt sich beim Umsatz eine satte Erhöhung von 73%. Daran, so die SGV, sei auch das ideale Sommerwetter massgeblich beteiligt gewesen, das der Tavolago erfreuliche Ertragswerte auf den Kursschiffen und in den verschiedenen Restaurantbetrieben beschert hätte.

Hauseigene Werft mit hohem Anteil an Drittaufträgen

In der Pandemie war die hauseigene Werft, die Shiptech AG, der Stabilitätsanker der in unruhigen Corona-Gewässern schippernden SGV. Der konstante Umsatz, der 2022 mit 32 Mio. CHF nur knapp unter dem Vorjahr liegen wird, wird mittlerweile zu zwei Dritteln aus Drittaufträgen generiert. Neben dem Grossauftrag von zwei Personenfähren für den Genfersee durch die CGN SA im Umfang von knapp 60 Mio. CHF aus dem Jahr 2020 konnte die Shiptech im laufenden Geschäftsjahr mehrere Energie- und CO2-optimierte neue Antriebsanlagen auf Kursschiffen auf dem Thunersee, Bielersee und Greifensee realisieren. Mit weiteren, ähnlichen Aufträgen wird gerechnet.

Ausblick

Die SGV beklagt den aktuellen Fachkräfte- bzw. Arbeitskräftemangel. Dass der Mangel vor allem diejenigen Branchen betrifft, in denen die Margen wenig Möglichkeiten für Lohnerhöhungen und die Arbeitsbedingungen oft nur wenig Spielraum für Erleichterung böten, vereinfache die Aufgabe nicht, so die SGV.

Auch wenn das Geschäftsjahr 2022 erfolgreich verlaufen ist, blickt man in Luzern mit einer gewissen Vorsicht auf das kommende Geschäftsjahr. Die weitere Entwicklung der Corona-Situation, der Krieg in der Ukraine, die unsichere Konjunktur- , Preis- und Währungsentwicklung, die stark steigenden Energiepreise und Engpässe in den Lieferketten würden eine rasche Normalisierung erschweren.

70% der Gäste der SGV und der Tavolago sind Schweizer. Das reiche aber nicht aus, um das Ausbleiben der internationalen Kundschaft zu kompensieren, so die SGV. Man sei sich dabei durchaus bewusst, dass Reisen mit Ressourcenverbrauch einhergehe. Deshalb unterstützen die Luzerner ausdrücklich das Umdenken von einem rein quantitativen zu einem qualitativen Wachstum im Tourismus.

Fazit

Nach zwei stürmischen Geschäftsjahren bewegt sich die SGV nun wieder in ruhigeren Gewässern. Dabei geholfen haben neben der unternehmerischen Stärke auch die Hilfszahlungen der öffentlichen Hand.

Wie erfolgreich die Zukunft sein wird, liegt aber nicht ausschliesslich in der Hand des Unternehmens, sondern ist wie auch schon in der Vergangenheit von äusseren Faktoren abhängig. Hier insbesondere von der weiteren Entwicklung des internationalen Tourismus. Dass China seine extrem restriktive Corona-Politik nun zu lockern scheint, ist eine gute Nachricht für die SGV. Das könnte 2023 für weitere Steigerungen der Gästezahlen sorgen.

Mit dem jüngsten Kind der SGV-Familie, der Shiptech AG, hat die Holding eine Tochter, die unabhängig von der Tourismusentwicklung ist. Und die erfolgreich in der Akquisition von neuen Kunden ist.

Noch hat das gute Geschäftsjahr 2022 keinen Niederschlag im Aktienkurs gefunden. Der Kurs der auf OTC-X gelisteten Aktie bewegt sich seit dem Ausbruch der Corona-Krise um die 250 CHF. Davor war die Aktie noch deutlich über 300 CHF notiert worden. Es gibt also durchaus Luft nach oben, auch wenn die Aktionäre und Aktionärinnen bis auf weiteres auf eine Dividende verzichten müssen.

Kursverlauf der SGV Aktie in den letzten drei Jahren. Quelle: otc-x.ch

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