Alexander Gapp, CEO Plaston: «Die Gleichstellung der Frauen ist Teil unserer Unternehmenskultur»

Management blickt zuversichtlich in die Zukunft trotz Bremsspuren im ersten Geschäftshalbjahr 2022/2023

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Der Plaston-Stand am Berufsevent des Vereins «Chance Industrie Rheintal». Bild: PD

In den letzten Jahren erzielte die Plaston Holding Umsatzzuwächse im deutlich zweistelligen Prozentbereich. Produktinnovationen, eine klare Nachhaltigkeitsstrategie sowie die erfolgreiche Internationalisierung und Diversifizierung konnten jedoch nicht verhindern, dass nun im ersten Geschäftshalbjahr 2022/2023 per 30. September Umsatz und Ertrag litten. Während die Dynamik schon durch die Gewinnung neuer OEM-Kunden weitgehend erhalten bleibt, forderten Lieferengpässe, steigende Kosten, Kriegs- und Pandemiefolgen ihren Tribut.

Warum Geschäftsleitung und Verwaltungsrat trotz der aktuellen Unsicherheiten zuversichtlich für die weiteren Perspektiven sind, erläutern CEO Alexander Gapp und CFO Hansruedi Lanker im Interview mit schweizeraktien.net. Darüber hinaus erklären Gapp und Lanker, warum Mitarbeitende bei der Plaston Holding das wichtigste Asset sind und bis wann die Unternehmensgruppe klimaneutral sein will.

Plaston-CEO Alexander Gapp und CFO Hansruedi Lanker im Interview mit schweizeraktien.net. Bild: zvg

Gratulation, neben dem Top-Ranking in der ESG-Umfrage von schweizeraktien.net hat Plaston dieses Jahr auch den «Sustainability Award» von Hilti unter 500 Lieferanten gewonnen. Was können Sie unseren Lesern zu Letzterem sagen?

Bei diesem Award wurde unsere Leistung bezüglich der Nachhaltigkeits-Initiative im Generellen, aber auch im Speziellen die Zusammenarbeit mit Hilti bewertet. Es wurde festgestellt, dass wir eine klare Strategie bezüglich Nachhaltigkeit haben und diese stringent verfolgen und umsetzen. Wir sind im engen Austausch mit Hilti und nehmen uns natürlich auch deren Aktivitäten als Benchmark. Zudem arbeiten wir mit Hilti daran, dass wir den Anteil an Recycling-Material für den Koffer ständig erhöhen können. Wir sind derzeit, je nach Koffergrösse, bei 20% bis 25% und werden bald 30% erreichen. Zudem haben wir seit drei Jahren an allen Produktionsstandorten die UN-Zertifizierung. Das heisst, wir können unsere Koffer als Gefahrengut-Verpackung qualifizieren. Dies bedeutet vor allem für akkubetriebene Produkte unserer Kunden, dass die Geräte und die Akkus nicht mehr separat transportiert werden müssen. Dies spart Transportvolumen und reduziert das Verpackungsmaterial. Wir sind der einzige Kofferhersteller, der dies für die Serie anbieten kann.

Spüren Sie im Geschäftsgang und im Wettbewerb, dass die Kunden Ihre Anstrengungen um klimafreundliche Produkte und Verfahren zu schätzen wissen?

Das Thema Nachhaltigkeit wird immer präsenter, und die Kunden erwarten ganz klar, dass man sich damit beschäftigt. Da wir sehr proaktiv agieren, auf die Wünsche der Kunden eingehen und eine klare Vision haben, sind die Diskussionen immer sehr zielführend. Die Kunden sind in den meisten Fällen überrascht und erfreut, wie weit wir bei der Nachhaltigkeit sind. Wir sind überzeugt, dass jene Firmen, welche die Nachhaltigkeit ernst nehmen und kein Greenwashing betreiben, einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.

Lässt sich daraus folgern, dass sich, abgesehen von zyklischen Schwankungen, das Potenzial für das strukturelle Wachstum verbessert?

Wir sind für die kommenden Jahre sehr zuversichtlich. Wir bauen für alle Werke neue Märkte und neue Kunden auf, welche in den nächsten Monaten für zusätzliche Umsätze sorgen werden. Hier ist unter anderem unser Standardkoffer, die metaBOX, zu erwähnen. Wir konnten bereits 30 OEMs von unserem Produkt überzeugen, und weitere sind in der Pipeline. Aber auch die Elektromobilität und das Motorradgeschäft wachsen überproportional. Die Nachhaltigkeit wird uns keine zusätzlichen Umsätze bescheren, aber sie ist ein Muss, wenn man neue Kunden begeistern möchte.

Der Umsatz ist in der Berichtsperiode um 11,5% zurückgegangen, das EBIT verringerte sich um 4 Mio. CHF auf nun negative 0.9 Mio. CHF. Die EBIT-Marge von -2,1% nennen Sie unbefriedigend. Wie sind ihre Ziele für die zwei kommenden, wahrscheinlich nicht ganz einfachen Semester?

Wie bereits im Jahresbericht erwähnt, werden wir keine Ergebnisprognosen abgeben. Aufgrund der weiterhin herausfordernden Rahmenbedingungen sowie der damit einhergehenden Unsicherheiten ist eine solche Ergebnisprognose für das Gesamtjahr aus heutiger Sicht nicht vernünftig möglich.

Während der Umsatz bei Plaston vergleichsweise moderat um 4% gesunken ist, verzeichnete Boneco einen Rückgang um 30%. Ist das Plaston-Geschäft einfach stärker von wiederkehrenden Cashflows geprägt, der Abschwung bei Boneco dagegen konjunktureller Natur oder spielen bei Boneco die harte Covid-Linie in China und die Zölle in den USA die wesentliche Rolle?

Bei Boneco spielen insbesondere das allgemeine Konsumverhalten und damit die Einflüsse von Inflation eine wesentliche Rolle.

Plaston hat in der Schweiz beim Umsatz im 1. Halbjahr sogar noch zulegen können, während die Verkäufe im «Rest der Welt» eingebrochen sind. Worauf führen Sie die Schweizer Sondersituation zurück, und wird der Schweizer Markt zeitverzögert von den Verwerfungen erfasst?

 Unsere Kunden in der Schweiz zeigen weiterhin ein stabiles Geschäft, und auch die Aussichten für die nächsten Wochen und Monate zeigen keine grosse Abschwächung. In China haben wir im April und Mai unter den COVID-Restriktionen gelitten und massive Umsatzeinbrüche erlebt. Seit Juni hat sich die Lage jedoch deutlich entspannt, und teilweise konnten die verlorenen Umsätze wieder aufgeholt werden. Vieles hängt jedoch davon ab, ob die chinesische Regierung die Covid-Regeln weiter restriktiv hält oder ob es zu Abschwächungen der Restriktionen kommt, was die Wirtschaft beflügeln würde. In Tschechien leiden unsere wichtigsten Kunden darunter, dass das Do-it-yourself-Geschäft aufgrund der Inflation einen starken Einbruch erlebt hat. Zudem hatten unseren Kunden gute Russland-Beziehungen, welche derzeit unterbrochen sind. Für Tschechien sehen wir ab März/April 2023 eine Erholung und ab Q4 2023 wieder ein normales Niveau.

 Wie gehen Sie mit den Verwerfungen an den Devisenmärkten um?

Die Plaston Gruppe hat in den vergangenen Jahren das natürliche Hedging laufend vorangetrieben, um mit Währungsschwankungen bestmöglich umgehen zu können.

Die Öl- und Gaspreise sind unter ihren Hochs, viele Rohstoffe ebenfalls, und auch die internationalen Frachtraten sind auf dem Weg zurück zum Mittelwert. Wie bewerten Sie mit Ihrer unternehmerischen Erfahrung diese Indikatoren: Rezessionssignale oder Normalisierung nach einem, aus weltpolitischer Sicht, aussergewöhnlichen und atypischen Jahr?

Eine klare Aussage ist dazu nicht möglich, da wir laufend neue und unterschiedliche Signale vom Markt erhalten.

Vor kurzem sagte eine Schlagzeile, dass Frauen in der Schweiz immer noch um 18,7% schlechter als Männer bezahlt werden. Plaston dagegen ist ein «Equal Opportunity Employer», das bestätigt ein Audit von BDO. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Gleichbehandlung der Mitarbeitenden?

Die Gleichstellung der Frauen ist bei uns Teil unserer Unternehmenskultur. Wir leben dies schon seit Jahrzehnten, und daher war das Ergebnis der BDO für uns keine Überraschung. Neben der Gleichstellung im Bereich Lohn sind wir auch bemüht, den Anteil der weiblichen Mitarbeitenden im Betrieb zu erhöhen. Dies gelingt uns in den Werken in China oder Tschechien sehr gut. Wir haben z.B. in beiden Aussenstandorten im Management mehr Frauen als Männer. In der Schweiz müssen wir feststellen, dass die technischen Berufe für junge Frauen nach wie vor nicht attraktiv scheinen. Wir erhalten sowohl bei den technischen Lehrstellen als auch bei den technischen Berufen viel zu wenig Bewerbungen von Frauen. Es würde uns freuen, wenn sich in den nächsten Jahren in diesem Bereich ein Gesinnungswandel ergeben würde.

Die Mitarbeitenden sind in ihrem Unternehmen stark einbezogen, werden gefördert und gehört. Wie würden Sie die Unternehmenskultur beschreiben, die allen Mitarbeitenden weltweit in Ihrem Programm vermittelt wird?

Die Unternehmenskultur ist etwas, das von unserer Unternehmensfamilie seit 1956 vorgelebt und gefördert wird. Eine Unternehmenskultur funktioniert nur dann, wenn die Besitzer und das Management die Wichtigkeit erkennen und auch bereit sind zu investieren. Wir haben vor ca. vier Jahren entschieden, dass wir alle unsere Mitarbeitenden regelmässig zu einem Workshop einladen, damit wir unsere Werte und Visionen transportieren können und um das Teamwork weiter zu fördern. Dieses Programm haben wir mit einem Spezialisten entwickelt und nennen es «Weg B». Diese Initiative wird auch in China und Tschechien umgesetzt und kommt bei den Mitarbeitenden sehr gut an. Wir erfinden uns im Bereich Unternehmenskultur immer wieder neu, aber der Grundgedanke, dass der Mitarbeiter das wichtigste Kapital ist, ist seit 1956 in unserer DNA.

Wann werden Sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung in einem «Integrated Reporting» mit der Finanzberichterstattung zusammenführen, auch wenn die Plaston Holding nicht wie kotierte Unternehmen gleicher Grössenordnung bald dazu verpflichtet sein wird? Oder was spricht dagegen?

Für die Plaston erarbeiten wir gerade einen Nachhaltigkeitsreport mit der EnAW. Wir wurden als Pilotunternehmen auserkoren und freuen uns, dass wir ab Anfang 2023 ein CO2-Reporting sowie die Berechnung unserer Umweltpunkt nach GRI-Standard präsentieren können. Als Folge dieser Arbeit werden wir zusammen mit EnAW einen Massnahmenplan für die kommenden Jahre erstellen.  Die Integration der Nachhaltigkeitsberichterstattung im «Financial Reporting» ist dann der nächste, logische Schritt.

Wie lautet ihr zeitliches Ziel für eine klimaneutrale Plaston Holding?

Um eine professionelle Antwort zu geben, braucht es zuerst einen klaren, industriellen Standard, sodass alle den Begriff «klimaneutral» bzw. «CO2-frei» mit den gleichen Massstäben messen. Klar ist, dass wir so viel wie möglich für die Umwelt und für die Menschen in unserem Umfeld tun wollen, und zwar ohne Zertifikate kaufen oder Greenwashing betreiben zu müssen. Nach heutiger Beurteilung der Situation gehen wir davon aus, dass wir ab 2030 klimaneutral sein können.

Wollen Sie trotz der konjunkturellen Unsicherheiten eine Dividendenaussage wagen?

Diese Fragestellung wurde noch nicht diskutiert und kann deshalb zum heutigen Zeitpunkt auch nicht beantwortet werden.

Vielen Dank für die Offenheit und Ihre Antworten.

Seit dem dem Hoch Mitte 2021 gibt der Aktienkurs der Plaston Holding wieder nach. Chart: otc-x.ch

Die Aktie der Plaston Holding wird ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Der letzte Trade fand bei einem Kurs von 4’900 CHF statt.

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