Der Börsenjahrgang 2022 hatte viele Rekorde gebracht, allerdings nicht solche, die Anlegerträume wahr werden liessen: der stärkste Indexverlust seit …, die höchste Inflationsrate seit …, der schnellste Zinsanstieg seit …! Die Bezugsgrössen reichen bis in die 1950er Jahre zurück. Ob die Verwerfungen an den Börsen zu Beginn des neuen Jahres bereits beendet sind, muss noch offenbleiben. Tatsache ist aber auch, dass Krisen und Unsicherheiten stets exzellente Investment-Opportunitäten schaffen. 2023 dürfte sich die Rotation zu Qualitäts-Valoren angesichts der Unsicherheiten zunächst wohl noch verstärken.
Die einzige Konstante ist der Wandel. Das gilt insbesondere in der Wirtschaft und an der Börse. Nach der Hausse der Vorjahre konnte sich die Mehrheit der Anleger nicht von dem Überschwang befreien und ging davon aus, dass sich 2022 nahtlos an das Rekordjahr 2021 anfügen würde. Es kam jedoch anders. Nach einem noch guten Januar prasselten Nachrichten zu eskalierenden Inflationszahlen, steigenden Zinsen und dann auch noch dem Kriegsbeginn in der Ukraine auf die Investoren ein. «Kornkrieg» und «Erdgaskrieg» sowie Flüchtlingswellen und Waffen-Deals prägten die Schlagzeilen. Und die führten unvermeidlich zu Aktienverkäufen und sinkenden Kursen im restlichen langen Jahresverlauf.
Hartnäckige Teuerung
Auch mit Blick auf die Erwartungen für das Börsengeschehen im Jahr 2023 gehen die Ansichten der Marktteilnehmer weit auseinander. Während die Daueroptimisten schon erste Zinssenkungssignale ausmachen wollen, verweisen die Skeptiker auf die erst beginnende Lohn-Preis-Spirale, Knappheiten von Rohstoffen, Lieferengpässe und weitere inflationäre Faktoren. Tatsache ist gegenwärtig, dass die Teuerungsraten hartnäckig hoch geblieben sind und deshalb zu erwarten ist, dass die Notenbanken eben «noch hartnäckiger» den Kampf gegen die Inflation führen müssen, wie es der Präsident der Deutschen Bundesbank ausdrückt.
Anleiherenditen auf Klettertour
Im gegebenen Umfeld haben es Aktien generell schwer. Der eigentliche Grund ist das steigende Zinsniveau. Nach einem Anstieg um 237 Basispunkte bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen auf nun 3,9% ist die Konkurrenz der Bonds zu Aktien wiederbelebt worden, denn die durchschnittliche Dividendenrendite des US-Aktienmarkts liegt damit nach einer langen von QE bestimmten Ausnahmeperiode wieder unter der «risikolosen» Rendite der Staatsanleihen. Im Grunde folgen dem auch die europäischen und sonstigen relevanten Börsenplätze. Die nennenswerte Ausnahme ist bisher die Schweiz. Hier liegt die Anleiherendite der 10-jährigen mit 1,5% noch deutlich unter der Dividendenrendite des Aktienmarkts, ist allerdings im Jahresverlauf auch von null ausgehend um 150 Basispunkte angestiegen.
Pricing-Power + Nachfrage als Kriterien
Dennoch wird sich der Schweizer Aktienmarkt 2023 nicht vom Weltgeschehen abkoppeln können. Die Kernfragen in einem von hoher Inflation und steigenden Zinsen gekennzeichneten Markt betreffen einerseits die Nachfragetrends für die Produkte und Services eines Unternehmens sowie andererseits dessen Fähigkeit, die allgemeinen Preissteigerungen an seine Kunden weitergeben zu können. Entscheidend ist jedoch auch die Qualität der Bilanz, Aktien von Unternehmen mit hoher Verschuldung werden angesichts der Vielzahl von Imponderabilien anfällig bleiben.
Schon die Favoriten-Auswahl des Vorjahres war von solchen Überlegungen geprägt. Mit Barry Callebaut, Komax und Bossard bleiben im Bereich der kotierten Titel drei Aktien unverändert zum Vorjahr. Für alle drei spricht ein im Wesentlichen unverändert positiver Geschäftsgang. Das macht die Aktien attraktiv im gegebenen Umfeld.
Neuer Favorit SKAN
Neu hinzu kommt SKAN, der Weltmarktführer bei Isolatoren für die sterile Abfüllung und Verpackung von Arzneimitteln und Börsendebütant des Jahres 2021. Während der Baisse des Jahres 2022 machte die Aktie ab Mitte Mai durch eine ausgeprägte relative Stärke auf sich aufmerksam. Vom Tief bei 49 CHF kletterte SKAN auf in der Spitze 71 CHF und bewegt sich aktuell bei 63 CHF. Die Auftragsbücher sind voll, und die Pharma- und Biotech-Industrie investiert weiter, um für das kommende Zeitalter der personalisierten Medizin gerüstet zu sein. Zell- und Gentherapien werden meist per Injektion verabreicht. Auch Impfstoffe müssen unter sterilen Bedingungen produziert werden. SKAN ist in einer herausragenden Wettbewerbsposition, selbst die US-Zulassungsbehörde FDA verweist auf die Prozesse von SKAN als massgebliche «Good Manufacturing Practices».
Trendwende bei CPH
Ebenfalls neu auf der Favoritenliste ist CPH Chemie + Papier Holding AG. War der Papiermarkt lange Zeit von Schrumpfung, Konsolidierungstendenzen und schwachen Preisen geprägt, hat sich das Bild in der hochgradig zyklischen Industrie im vergangenen Jahr rapide geändert. Die Preise schossen in die Höhe, weil Papier eben auch ein Rohstoff ist, der aufgrund des niedrigeren Angebots von der Hausse der Commodities profitiert. Umsatz, EBIT und Gewinn dürften 2022 ein Rekordniveau erreichen, und auch der Ausblick auf 2023 ist positiv. Die Aktie hat sich mit einem Anstieg um 28% in 2022 zwar von ihren Tiefs gelöst, bleibt jedoch noch weit unter den historischen Höchstmarken. Auch die Aktivitäten in den Bereichen Chemie und Verpackung entwickeln sich erfreulich. Aufgrund des positiven Momentums und der tiefen Bewertung dürfte die Aktie verstärkt ins Blickfeld der Investoren rücken.
Favoriten auf OTC-X
Auch von den auf OTC-X gehandelten Aktien bleiben drei Titel aus dem Vorjahr auf der Favoritenlisten: Weiss & Appetito, Rapid Holding und SSE Holding. Letztere war erst zum 1. November 2022 in die Liste aufgenommen worden. Alle drei zeichnen sich durch einen guten Bestelleingang, solide Bilanzen und eine positive Prognose aus. Dennoch sind keine Wunder zu erwarten, jedoch eine relativ gute Performance im Jahresverlauf.
Neu auf der Liste: aventron
Neu ist aventron, der diversifizierte Produzent von erneuerbarer Energie mit Aktivitäten in sechs Ländern. Die Erlösströme sind gut prognostizierbar, wobei die zwischenzeitlich erhöhten Preise für Energie einen «windfall-profit» darstellen, der sich jedoch noch nicht im Kurs widerspiegelt. Weitere Wind-, Wasser- und Solarkraftwerke sorgen für eine Fortsetzung des Wachstumskurses. Aufgrund des treuen Aktionariats sollten weitere Kapitalerhöhungen zur Finanzierung des Wachstums unproblematisch sein.