Das Jahr 2022 ist bereits seit mehr als zwei Wochen Vergangenheit. Und der Start ins neue Börsenjahr verlief bisher erstaunlich erfolgreich: Der SMI liegt mit rund 6% im Plus. Auch der ausserbörsliche Markt ist mit einem leichten Plus gestartet. Lohnt sich angesichts dieses dynamischen Jahresauftakts ein Blick in den Rückspiegel?
Auf jeden Fall. Denn im letzten Jahr hat sich der ausserbörsliche Aktienmarkt wieder einmal als Stabilitätsanker behaupten können. Interessant ist allerdings eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Sektoren. Wir haben die Kursdaten von OTC-X ausgewertet und jeweils die fünf Gewinner und Verlierer-Aktien für die zehn Branchen ermittelt. Dabei zeigt sich, dass gerade die Vielzahl der auf OTC-X vertretenen Branchen zur Stabilität des Marktsegments beitragen.
Tourismusaktien mit Nachholbedarf
Nach zwei Corona-bedingt schwachen Jahren ging es 2022 in der Schweizer Tourismusbranche wieder aufwärts, auch wenn in den ersten drei Monaten des Jahres noch einige Einschränkungen zu verzeichnen waren. Dennoch konnten bereits in der Wintersaison Bergbahnen und Hotels eine höhere Auslastung als im Vorjahr verzeichnen. Diese verbesserte sich in den Sommermonaten weiter.
Es überrascht daher nicht, dass der OTC-X-Index Bergbahnen mit einem Plus von 62,7% der grosse Gewinner im letzten Jahr war. Zu der starken Performance haben insbesondere Aktien von kleineren, wenig gehandelten Ausflugsbahnen beigetragen. Auch zog der Kurs der Andermatt-Sedrun Sport AG weiter an, nachdem sich die amerikanische Vail Resorts an der Gesellschaft beteiligt hat. Den Bergbahn-Aktien mit einem Kursplus stehen nur wenige Titel mit einem Minus gegenüber.
Luxushotels sehr gefragt
Unter den Top 5 aus dem Tourismussektor finden sich gleich drei Luxushotels. Auch hier dürfte es sich um einen Nachholeffekt handeln, denn die Aktienkurse der Cresta Palace Celerina, Dolder Hotel AG und Grand Resorts Bad Ragaz waren seit Beginn der Corona-Pandemie unter Druck. Mittlerweile haben sich die Gästezahlen wieder erholt. Auch sorgt der Immobilienbesitz dieser Firmen für eine gewisse Wertstabilität. Allerdings muss betont werden, dass die Anzahl gehandelter Aktien bei Cresta Palace mit 32 im Jahr 2022 sehr gering war. Interessant ist dennoch, dass die Aktienkurse einiger Luxushotels auch in diesem Jahr weiter zulegen konnten.
Rekordzahlen sorgten bei der Weissen Arena AG in Laax im Jahr 2022 für ein fettes Kursplus von 28,6%. Wieder gefragt waren auch die Aktien der Berner Messegesellschaft Bernexpo AG (+ 13,5%), die nach zwei Jahren hoher Verluste für 2022 wieder schwarze Zahlen in Aussicht gestellt hat. Ebenso fanden sich die Aktien der Bädergesellschaften Zurzach (+ 8,1%) und Bad Schinznach (+ 5,9%) auf der Gewinnerseite. Die Verliererliste wird vom Kongresshaus Zürich angeführt, das 2022 eine Kapitalsanierung durchführen musste. Allerdings befinden sich unter den Verlierern nur 14 der insgesamt 35 auf OTC-X gelisteten Tourismus- und Freizeitwerte.
Banken mehrheitlich im Plus
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den 34 Bank- und Finanztiteln. Nur gerade einmal 5 Aktien wiesen 2022 eine negative Performance auf. Die übrigen Bankaktien lagen im Plus, ebenso wie der OTC-X-Index Banken (+ 4,6%). Trotz der schwachen Finanzmärkte finden sich unter den Top 5 vier in der Vermögensverwaltung und im Wertschriftenhandel tätige Institute. Wie die ersten Eckwerte zu den Geschäftszahlen 2022 von Bondpartners zeigen, wird der Einbruch an den Finanzmärkten allerdings seine Spuren in der Jahresrechnung hinterlassen. Ganz anders sieht es für die vielen Regionalbanken aus: Steigende Zinsen führen, zumindest kurzfristig, zu einer Ausweitung der Zinsmargen. Kein Wunder also, dass die meisten Regionalbank-Aktien entgegen dem Markttrend im Jahr 2022 zulegen konnten.
Licht und Schatten bei Energie- und Versorgeraktien
Sehr heterogen entwickelte sich der Energiesektor. Der Index verlor zwar 4,1%. Dass es dennoch in dieser Branche sowohl Gewinnern als auch Verlierer gibt, ist auf die unterschiedlichen Geschäftsmodelle zurückzuführen. Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Wind und Sonne gehörten zu den Gewinnern. Überdurchschnittlich profitiert haben davon die Valoren der Bündner Repower AG mit einem Plus vom 24,1%. Aber auch die Anteilsscheine kleinerer Grünstromproduzenten wie ADEV Windkraft oder ADEV Wasserkraft waren gefragt, wenn auch bei weitaus geringeren Handelsvolumen.
Unternehmen, die Energie allerdings einkaufen müssen und diese in ihrem Netz nur verteilen, leiden zumindest auf kurze Frist unter den stark gestiegenen Beschaffungspreisen. Dies zeigt ein Blick auf die Verliererseite. Die Kurse der Zuger WWZ verloren 17,4%, die des Westschweizer Gasversorgers Holdigaz sogar 18,1%. Gut möglich allerdings, dass gerade diese Aktien bei einer Entspannung der Lage an den Energiemärkten wieder kräftig zulegen. Bei Holdigaz kommt hinzu, dass das Unternehmen mittlerweile 22% seiner Umsätze mit Gebäudetechnikdienstleistungen und mehr als 7% mit Erneuerbaren Energien erzielt. Die Abhängigkeit vom Gaspreis hat also abgenommen.
Industriefirmen leiden am stärksten
Am stärksten gelitten haben unter der unsicheren konjunkturellen Lage und stark steigenden Kosten die Industrietitel. Der OTC-X Index Industrie mit seinen 24 Titeln verlor binnen Jahresfrist 7,1% und damit mehr als der Liquidity-Index. Besonders stark gefallen sind die Kurse der Industriebeteiligungsgesellschaft Montana Tech. Grund dafür dürften die Kursverluste der börsenkotierten Tochtergesellschaften Varta, Montana Aerospace und Aluflexpack sein, was sich auf die Bewertung der Montana-Tech-Aktie sofort negativ auswirkte und für das Minus von 35,0% sorgte. Zu schaffen macht die unsichere Wirtschaftslage auch anderen Industriefirmen. So mussten die Naturkosmetikfirma Weleda und die Ostschweizer Plaston Gruppe Gewinnwarnungen veröffentlichen, was sich negativ auf die Kurse auswirkte.
Zu den wenigen Gewinnern unter den Industriefirmen zählt die SSE Holding mit einem Plus von 7,0%. Das Walliser Unternehmen steigerte im ersten Halbjahr 2022 Umsatz und Ertrag kräftig und produziert künftig im Chemiegeschäft ein Mittel, das den Methanausstoss von Wiederkäuern um bis zu 35% reduziert. Bei den vier weiteren Industriefirmen, die in der Gewinnerliste mit einem zweistelligen Plus ausgewiesen sind, handelt es sich mehrheitlich um Betriebe, welche ihre industriellen Tätigkeiten aufgegeben haben uns sich um die Verwaltung und Entwicklung ihrer Liegenschaften kümmern.
Immobilienaktien mit schwacher Performance
Ehemalige Industriefirmen, die mittlerweile zu Immobiliengesellschaften transformiert wurden, befinden sich auch unter den 22 Immobilienaktien auf OTC-X. Mit der Reussegg Holding und dem Tonwerk Lausen stehen gleich zwei davon ganz oben auf der Siegerliste für 2022. Bei Reussegg dürfte die abgeschlossene Restrukturierung der Grund für den rasanten Kursanstieg sein. Auch hier jedoch der Hinweis, ebenso wie bei Tonwerk Lausen, dass die Aktien auf OTC-X sehr selten gehandelt werden und mehrheitlich in festen Händen sind. Unter den Top 5 befindet sich auch die SitEX Properties, die erst seit Ende 2021 auf OTC-X gehandelt wird und ihren Schwerpunkt auf ein US-Entwicklungsprojekt legt.
Dass der OTC-X-Index Immobilien dennoch um 1,7% verloren hat und auch fast die Hälfte der Immobilientitel ein Minuszeichen vor ihrer Jahresperformance ausweisen, hängt auch mit der Zurückhaltung von Investoren vor Immobilienaktien zusammen. Denn es besteht die Angst, dass die steigenden Zinsen negativ auf das Ergebnis sowie auf die Bewertung des Immobilienportfolios wirken. Die Thurella Immobilien AG, die die Verliererliste mit einem Minus von 93,2% anführt, hat 2022 ihre einzige Liegenschaft verkauft und den Verkaufserlös an die Aktionäre ausgeschüttet. Nun steht die Liquidation bevor.
NZZ-Aktie gehört zu den Gewinnern 2022
Kein einheitliches Bild lässt sich angesichts der geringen Anzahl gelisteter Titel bei den Sektoren Medien sowie Nahrung + Getränke ablesen. Grosser Gewinner bei den Medien war die NZZ-Aktie mit einem Plus von 11,4%. Dank dem geplanten Teilverkauf von Anteilen an der CH Media AG dürfen sich die NZZ-Aktionäre an der Generalversammlung vom 15. April 2023 auf die Ausschüttung einer Sonderdividende freuen. Bei der ZT Medien hat sich der Aktienkurs der eher selten gehandelten Aktie auf Vor-Pandemie-Niveau eingependelt.
Im Nahrungsmittelsektor konnte einzig die Patiswiss-Aktie zulegen. Diese steigt nun schon seit über fünf Jahren ununterbrochen. Der Kurs für PS und Namenaktie der Brauerei Schützengarten hat das Corona-Tal noch nicht hinter sich gelassen, obwohl der Bierabsatz im Geschäftsjahr 2021/22 wieder zulegen konnte.
Selten gehandelte «Exoten» im Sektor Transport, Verkehr
Gemessen am Volumen handelt es sich bei den meisten Aktien im Sektor Transport, Verkehr, Logistik um «Exoten». Wenige Ausnahmen bilden hier die Luzerner SGV Holding, die Auto Holding AG Rothenburg oder die Lagerhäuser der Centralschweiz. Andere Gesellschaften, wie die BLS oder die die Matterhorn Gotthard Verkehr AG, befinden sich mehrheitlich in öffentlichen oder halböffentlichen Strukturen. Bei der BLS, dem zweitgrössten Schweizer Bahnunternehmen, besitzen Bund (21,7%) und Kanton Bern (55,75%) die Mehrheit. Aktienkurs und Bewertung spielen daher keine Rolle, da die Minderheitsaktionäre unabhängig vom Geschäftserfolg keine Ausschüttungen erwarten dürfen.
Bei den meisten Transportunternehmen, wie auch der Drahtseilbahn Marzili, handelt es sich daher weniger um ein Investment, sondern vielmehr um sogenannte Liebhabertitel. Allerdings zeigt der Blick auf das Kurstableau, dass auch diese Aktien in schwierigen Zeiten ihren Wert durchaus behalten oder sogar steigern konnten.
Die gesamte Kursliste mit allen Gewinnern und Verlierern aus 2022 können Sie hier herunterladen (alle Angaben ohne Gewähr).