Patrick Huber, Alpina Swiss Opportunity Fund: «2023 wird das Jahr des Chamäleons»

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Der Alpina Swiss Opportunity Fund von Santro Invest ist ein aktiv gemanagter Schweizer Aktienfonds für institutionelle Anleger, der durchschnittlich 2/3 des Fondsvermögens in Aktien von Unternehmen mit geringer und mittlerer Marktkapitalisierung investiert. Das Reglement sieht aber auch vor, dass ein Teil des Fonds-Vermögens in Blue Chips investiert werden kann, wovon Santro Invest immer wieder Gebrauch macht. Je nach Opportunitäten, die sich aus den Bewertungen und dem Wirtschaftszyklus ergeben, kann die Portfoliostruktur deutlich vom Index abweichen.

Auf Titelebene bevorzugt Santro Invest Unternehmen, deren Management, Bilanzstruktur und Marktstellung über längere Zeit konstant stark sind. Die Strategie sollte langfristig und konsistent auf Wertgenerierung ausgerichtet sein. Daraus erwartet Patrick Huber, Portfoliomanager des Fonds, ein gegenüber dem Gesamtmarkt tieferes Risiko bei einer gleichzeitig längerfristig besseren Gesamtrendite.

Patrick Huber Santro Invest
Der Betriebsökonom Patrick Huber managt den Alpina Swiss Opportunity Fund seit seinem Wechsel zu Santro Invest im Jahr 2017. Zuvor war er als Senior Portfolio Manager bei Mirabaud Asset Management und in gleicher Funktion bei Lombard Odier Asset Management tätig. Bild: zVg.

Herr Huber, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, im Dezember 2019, war die Welt noch einigermassen in Ordnung. Seither ist viel passiert: die Corona-Pandemie, der Überfall Russlands auf die Ukraine, eine steigende Inflation und Zinssteigerungen. Was hat Sie in den vergangenen drei Jahren am meisten beschäftigt?

Wahrhaftig ist in den letzten drei Jahren so viel auf einmal passiert, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Pandemie bleibt allen sicher immer in Erinnerung, und jeder hat seine Geschichten dazu erlebt. Nach der von den Notenbanken und Staaten zur Verfügung gestellten Liquidität und Unterstützungsprogrammen hat es mich rückblickend aber nur kurz wirklich beschäftigt.

Ganz anders ist es mit dem Kriegsausbruch am Rande von Europa. Das hat eine Zeitenwende für die Finanzmärkte und die Politik herbeigeführt. Auf absehbare Zeit wird nichts mehr so sein wie vor dem 24. Februar 2022.

Sie haben den Fonds-Namen in Alpina Swiss Opportunity Fund geändert. Was hat es mit der Umbenennung auf sich? Sind das nur kosmetische Gründe oder steckt mehr dahinter?

In der Tat wurde der Name des Funds per 1. Januar 2022 geändert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass seit diesem Datum der Fund von der Alpina Capital vertrieben wird, während die Santro Invest AG sich voll auf das Portfolio Management konzentriert. An der Anlagephilosophie sowie dem Anlagestil wurde nichts geändert.

Wie hat sich das Fondsvermögen im vergangenen Jahr verändert? Gab es Abflüsse von Kundengeldern?

Erfreulicherweise waren die Abflüsse überschaubar, obwohl der Wert eines Anteilscheines ziemlich genau gleich hoch ist wie Ende 2019 und die letzten drei Jahre insgesamt ein Nullsummenspiel waren. Es zeigt sich, dass viele Investoren weiterhin an die langfristige Wertgenerierung der Schweizer Mid- und Small-Caps glauben. Dass sich in solch bewegten Zeiten wie letztes Jahr gewisse Investoren für einen Verkauf entscheiden, war aber auch gut verständlich.

Es fällt auf, dass die Rendite des Fonds im Jahr 2022 doch deutlich unter der Benchmark SPIEX liegt bzw. dass Sie über 4% unter der Performance der Benchmark liegen. Worauf führen Sie das zurück?

Nach zwei erfolgreichen Jahren verlief das 2022 sicher enttäuschend. Der Fund war ab Kriegsausbruch aus relativer Sicht unter Druck, was auf die zyklische Ausrichtung zurückzuführen war. Zwar hielten wir auch Titel wie zum Beispiel Cembra oder Galenica, welche das Jahr positiv beendeten, diese konnten aber die Verluste bei den Zyklikern nicht wettmachen. Dass zum Jahresende der Abstand zur Benchmark sehr gross wurde, hat damit zu tun, dass der Fund aus relativer Sicht einen sehr schlechten Dezember hatte. Unsere «Off-Benchmark»-Positionen Logitech, HBM und Sonova korrigierten nochmals deutlich.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Stichtagsbetrachtungen sind immer problematisch. Würde man zum Beispiel die Periode Ende November 2021 bis Ende Januar 2023, also zwei Monate länger, betrachten, wären die absoluten Verluste über 14% tiefer und die relative Performance auch um einiges besser. So schnell kann es heutzutage gehen.

Ein Wachstumstitel wie Logitech, der von der Pandemie besonders profitierte, ist Ihre zweitgrösste Einzelposition. Immer noch, ist man geneigt zu sagen. Warum halten Sie in diesem Ausmass an Logitech fest?

Das ist eine faire Frage. Die Positionsgrösse ist kurzfristig vielleicht tatsächlich zu gross, zumal die Aktie nicht in der Benchmark vertreten ist. Da sind wir eine Wette eingegangen, die übrigens das Fondsprofil bewusst zulässt. Mit Holcim waren wir z.B. in einem SMI-Titel investiert, welcher der Performance half. Aber zurück zu Logitech. Wir sind von Logitechs Zukunftsperspektiven überzeugt. Die Firma war ein Pandemiegewinner, aber keine Eintagsfliege wie andere Firmen. Viele neuen Trends, die sich während der Pandemie entwickelt haben, werden auch in der Zukunft bestehen bleiben und für weiteres Wachstum sorgen. Das hybride Arbeiten ist ja nicht mehr wegzudenken. Nur um ein Beispiel zu geben.

Übrigens wird Logitech im laufenden Geschäftsjahr per Ende März 2023 rund 60% mehr Gewinn als zum Beispiel im Jahr 2020 (vor Ausbruch der Pandemie) generieren. Das ist ein Rückgang zu den Spitzenjahren 2021 und 2022, welche aber überzeichnet waren. Dies ist längst im Aktienkurs reflektiert. Auch wenn man weiter in die Zukunft schaut, werden die Gewinne auf normalisierter Basis weiterwachsen. Also entweder sind die Schätzungen völlig falsch oder der Kurs zu tief.

Zu den 10 grössten Positionen gehört auch die Aktie von Forbo, die in etwas unruhige Gewässer gekommen ist. Was sind die Gründe für die schlechte Performance von Forbo, die seit September 2021 beinahe die Hälfte ihres Wertes verloren hat, und was gibt Ihnen Zuversicht, dass sich das bald ändert?

Tatsächlich ist in den letzten Monaten der Wellengang bei Forbo viel höher als gewohnt, was zuletzt auch uns negativ überrascht hat. Schauen wir auf die letzten drei bewegten Jahre zurück. Forbo kam gut durch das Pandemiejahr, erlebte 2021 einen starken Rebound und konnte den Gewinn wieder auf das Niveau 2019 heben. Nicht schlecht! In der Annahme, dass es normalisiert weitergeht, wurden Investitionsentscheide in Personal, Produktion und Vertrieb gefällt.

Im 2. Halbjahr wurde Forbo dann auf dem falschen Fuss erwischt. Die Volumina brachen aus den bekannten Gründen weg, und die höhere Kostenstruktur (inklusive Energie) stand da. Leider wurde offensichtlich verzögert reagiert, was die Entscheidung auf der CEO-Stufe erklären mag. Dennoch, das ist keine Katastrophe. Forbo wird ungefähr den Gewinn aus dem Jahr 2020 inklusive Einmalkosten von 20 Mio. CHF erwirtschaften.

Wir sind überzeugt, dass Forbo die richtigen Massnahmen ergriffen hat, um die erfolgreiche Börsengeschichte – vergessen wir all die hohen Ausschüttungen nicht! – weiterzuschreiben. Eine schuldenfreie Bilanz hilft in dieser Situation ebenfalls.

Auch Temenos gehört zu Ihren 10 grössten Positionen. Der Wert der Aktie hat seit dem Allzeit-Hoch 2019 beinahe um zwei Drittel nachgegeben. Was überzeugt Sie weiterhin am Produzenten von Banken-Software?

Dass sich die Temenos-Aktie in den letzten zwei, drei Jahren deutlich schlechter als andere Aktien von Softwareherstellern entwickelt hat, ist vor allem auf die unglückliche Kommunikation mit der Finanzwelt zurückzuführen und ist somit selbstverschuldet. Die Umstellung der ganzen Softwarebranche auf das Bezahlmodell sorgte bei den Investoren generell für grosse Verunsicherung, so auch bei Temenos.

Wiederholt kommunizierte die Firma zu ambitionierte Finanzziele, welche nicht erfüllt werden konnten. Dies führte dazu, dass das Topmanagement das Vertrauen bei den Anlegern verspielte. Mit dem Abgang des CEO wurde nun ein erstes wichtiges Zeichen gesetzt und weitere werden folgen.

Nun darf aber nicht vergessen werden, dass Temenos nach wie vor eine global führende Gruppe für integrierte Gesamtbanklösungen mit einer sehr starken Kundenbasis ist. Wir sind der Meinung, dass die Produkte absolut konkurrenzfähig sind. Es muss also die Strategieumsetzung  verbessert werden. Dann wird sich das Blatt zum Guten wenden. Deshalb reflektiert der aktuelle Aktienkurs die intakten Perspektiven des Unternehmens nicht annähernd.

Welche Titel in Ihrem Portfolio möchten Sie positiv herausstreichen?

Im letzten Jahr fielen etablierte Industrieunternehmen durchs Band um rund 40 – 50%. Wir erachten die Wahrscheinlichkeit als hoch, dass 2023 eine Rezession kommt. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass die Gefahr, dass es ein sehr scharfer Einbruch werden könnte, zuletzt zurückgegangen ist.

In diesem Zusammenhang gefallen uns weiterhin grundsolide Unternehmen wie Georg Fischer, SFS, SIG oder auch Zehnder, welche einerseits ihre Zyklizität stark reduziert haben, andererseits aber über starke Marktpositionen und Alleinstellungsmerkmale verfügen und von grossen strukturellen Trends profitieren. Längerfristig sind diese Aktien auf ein attraktives Niveau zurückgefallen.

Erwähnenswert ist sicher auch Kühne & Nagel. Einverstanden, die Umsätze und Gewinne werden nach den zwei Spitzenjahren dieses Jahr zurückgehen. Hier lohnt es sich auf jeden Fall, einen Schritt zurückzumachen. Die globale Logistik ist über Nacht komplexer geworden. Kühne & Nagel wird stark von fundamentalen Veränderungen in den Versorgungsketten profitieren. Zudem wird Kühne & Nagel 2023 im Vergleich zum Pre-Covid-Jahr 2019 ungefähr das Doppelte an Gewinn generieren. Aus dieser Optik ist der aktuelle Kurs zu tief.

Von welchen Titeln lassen Sie 2023 lieber die Finger?

Im letzten Jahr gab es einzelne Überflieger, oftmals mit einem Fokus auf das Inland, wo sich die Investoren versteckten. Diese Aktien werden in diesem Jahr eher underperformen. Spontan kommen mir Aktien wie Galenica, Mobilezone oder Meier Tobler in den Sinn, ohne an der Qualität dieser Unternehmen zu zweifeln. Vorsichtig sind wir auch bei Pharmazulieferern, wie unter anderem Siegfried. Viele bauen Kapazität auf, die erst über die Jahre gefüllt wird. Weiter tun wir uns schwer bei den Lieferanten für die Halbleiterindustrie. Der begonnene Abschwung könnte länger als erwartet dauern.

Auch im Bereich erneuerbarer Energie ist schon viel Positives in den Kursen berücksichtigt. Der Windmarkt wird in den USA auch dieses Jahr negativ bleiben, was weiterhin Gegenwind für Gurit bedeutet. Die Restrukturierungsstory von Meyer Burger ist unserer Meinung nach vorläufig auch weit gelaufen. Mal sehen, wieviel Geld das Unternehmen dann wirklich verdient oder noch braucht, um die Strategie umzusetzen.

Ihr Motto für dieses Börsenjahr?

Das ist eine gute Frage. Persönlich habe ich auch lieber ein Jahresmotto als Jahresvorsätze. Dieses Jahr passt sinnbildlich das Chamäleon sehr gut. Die Farben an den Börsen werden immer wieder wechseln. Es gilt sich also anzupassen.

Herr Huber, herzlichen Dank für dieses Gespräch. 

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