Die CKW-Gruppe steigerte durch hohe Energiepreise und das starke Wachstum im Segment Gebäudetechnik den Umsatz im Geschäftsjahr 2021/22 um 29,5% auf rund 1.2 Mrd. CHF. Gleichzeitig fiel das Ergebnis auf Stufe EBIT von 175.5 Mio. CHF auf 5.1 Mio. CHF, wie das Unternehmen im Geschäftsbericht schreibt. Das Geschäftsjahr 2021/22 der CKW-Gruppe sei geprägt gewesen durch die Verwerfungen an den Energie- und Finanzmärkten. Nachdem das Vorjahr noch von positiven Sondereffekten beeinflusst gewesen sei, hätten Bewertungsverluste auf Absicherungsgeschäften und die negative Performance des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds das Jahresergebnis 2021/22 belastet, so das in Luzern ansässige Unternehmen.
Unter dem Strich schrieb CKW im vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von 12.4 Mio. CHF, im Vorjahr wurde ein Gewinn von 159.1 Mio CHF ausgewiesen. Weil aber das Nettofinanzguthaben und die Eigenkapitalbasis der CKW-Gruppe trotz Sondereffekten im Geschäftsjahr 2021/22 auf einer gesunden finanziellen Basis lägen, wie das Unternehmen begründet, wird eine gleichbleibende Dividende in Höhe von 6 CHF je Aktie ausgeschüttet.
Im Interview mit schweizeraktien.net erklärt CKW CEO Martin Schwab das Auf und Ab der Strompreise und erläutert, warum die Bewilligungsverfahren von neuen Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken in der Schweiz deutlich an Geschwindigkeit zunehmen müssen. Und er macht darauf aufmerksam, dass wir bald wieder eine Kernkraft-Diskussion haben werden, wenn wir bis 2050 CO2-neutral sein wollen.
Herr Schwab, seit 2018 verantworten Sie als CEO die Geschicke der Zentralschweizer CKW Gruppe. Seither ist so einiges passiert. Die Branche ist im Wandel, und nach einer jahrelangen Tiefpreisphase explodierten wegen des Angriffkrieges Russlands in der Ukraine die Energiepreise. Wie gehen Sie mit diesen Verwerfungen um?
Es hat sich tatsächlich sehr vieles verändert. Vor fünf Jahren interessierte sich kaum jemand für Strom. Er war selbstverständlich und jederzeit genügend vorhanden. Die Preise waren tief, ein grosser Druck zum Strom sparen gabs nicht. Heute blicken wir auf historische Höchstpreise zurück, welche die gesamte Branche nie auch nur ansatzweise erahnen konnte.
«Die grösste Problematik hoher Strompreise ist die volkswirtschaftliche.»
Die Hochpreisphase ging auch an uns nicht spurlos vorbei. So mussten wir beispielsweise zu hohen Preisen Ersatzenergie beschaffen; unter anderem aufgrund eines ungeplanten Ausfalls des Kernkraftwerks Leibstadt.
Die grösste Problematik hoher Strompreise ist aber die volkswirtschaftliche: Wir brauchen in Europa und der Schweiz global kompetitive Energiekosten, um nicht eine Abwanderung der energieintensiven Industrie in Kauf nehmen zu müssen.
Das wiederum bedingt genügend Produktionskapazitäten; das vernachlässigen wir in der Schweiz und in Europa. Ich hoffe, dass die Probleme der letzten 12 Jahre hier zu einem Umdenken führen und wir massiv mehr in die Energieproduktion investieren werden.
Die Preiserhöhung beim Strom müssen ja letztlich Ihre Kunden tragen. Um wieviel haben Sie in den letzten zwölf Monaten Ihre Preise angehoben? Kommen weitere Preissteigerungen auf die Kundschaft zu?
Die Tarife für die grundversorgten Kunden werden jeweils bis Ende August für das Folgejahr festgelegt und kommuniziert. Danach bleiben sie für das ganze Jahr fix. Die regulatorischen Vorgaben verlangen, dass sowohl die eigene Produktion als auch die Strombeschaffung am Markt in die Preiskalkulation einfliessen. Für einen Privatkunden mit mittlerem Stromverbrauch bedeutet dies für 2023 eine Erhöhung der Mehrkosten von rund 23 CHF pro Monat, für KMU in der Grundversorgung mit mittlerem Stromverbrauch belaufen sie sich auf rund 500 CHF pro Monat.
Höchststände von über 1’000 Euro/MWh im Sommer letzten Jahres, nachdem er im zehnjährigen Mittel davor um die 40 Euro lag. Wie wird sich der Strompreis Ihrer Meinung nach in diesem Jahr entwickeln?
Tendenziell sehen wir eine Entspannung. Es gibt aktuell keine Anzeichen, dass wir mittelfristig nochmals Höchststände wie 2022 erleben werden. Für das Kalenderjahr 2025 beträgt der Marktpreis an der Börse derzeit rund 140 EUR/MWh. Ich erwarte in etwa eine Stagnierung auf diesem Niveau, sofern sich die geopolitische Lage und das Umfeld nicht stark verändert.
Zugleich muss die Energiewirtschaft aus den Erfahrungen der letzten 10 Jahre Lehren ziehen und mit einer gewissen Demut anerkennen, dass wir Strompreise nicht prognostizieren können.
Was bringt Sie zu dieser Einschätzung?
Der Marktpreis für Strom hängt sehr stark mit dem Gaspreis zusammen. Gas ist in Europa wieder besser verfügbar als noch vor ein paar Monaten, die Abhängigkeiten zu Russland werden mit Hochdruck entschärft. Unter anderem durch den Bau von Flüssiggas-LNG-Terminals in Deutschland.
Obwohl Sie im Geschäftsjahr 2021/22 Verluste schrieben, haben Sie für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende gezahlt. Ihren Hauptaktionär Axpo wird das freuen. Fehlen die Mittel dann nicht für weiteres Wachstum?
Die Finanzplanung der kommenden Jahre geht von einer Rückkehr zu positiven Geldflüssen aus, da wir mittelfristig von den höheren Grosshandelspreisen profitieren werden. Aufgrund der soliden Bilanz und des positiven Ausblicks haben die Aktionäre an der Generalversammlung eine unveränderte Dividende von 6 Franken pro Aktie beschlossen. Die Mittel für weiteres Wachstum und den Ausbau der Erneuerbaren Energien stehen uns trotzdem zur Verfügung.
Ihre Eigenkapitalquote ist im vergangenen Geschäftsjahr stark von 63,9% auf 39,9% zurückgegangen. Sie schreiben im Geschäftsbericht, dass dieser Rückgang auf Sondereffekte zurückzuführen sei. Um welche Sondereffekte handelt es sich?
Die schwachen Finanzmärkte haben die Performance der Stilllegungs- und Entsorgungsfonds im Vorjahresvergleich um 125 Mio. CHF tiefer ausfallen lassen. Zudem führen die hohen Energiemarktpreise zu temporären Bewertungsverlusten auf Absicherungstransaktionen der kommenden Geschäftsjahre. Diese betragen zum Bilanzstichtag 169 Mio. CHF. Im Zeitpunkt der Lieferung werden sich diese Bewertungsverluste wieder kompensieren. Zudem wirkte sich auch die ungeplante, längere Grossrevision des Kernkraftwerks Leibstadt mit 41 Mio. CHF negativ aus. Wir mussten die Ersatzenergie zu hohen Preisen beschaffen.
Im vergangenen Herbst war viel zu einer möglichen Strommangellage zu lesen und hören. Mittlerweilen ist es bedeutend ruhiger geworden bei diesem Thema. Hat die Politik und haben die Unternehmen die richtigen Schlüsse gezogen, sodass wir keine Befürchtungen eines Strommangels mehr haben müssen?
Eine Mangellage in diesem Winter ist inzwischen tatsächlich unwahrscheinlich. Einerseits war in Europa mehr Gas verfügbar als noch vor einem halben Jahr angenommen, und andererseits konnte Frankreich ein paar seiner Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen. Zudem trug der milde Winter massgeblich zur Entspannung bei; es wurde deutlich weniger Strom und Gas zum Heizen verbraucht. Die Unternehmen, respektive grundsätzlich die Bevölkerung, hat mit einem bewussten Umgang mit Strom sicher auch einen Teil zur aktuellen Situation beigesteuert.
Wir hoffen, dass dies auch im nächsten Winter der Fall sein wird. Garantieren lässt sich dies aber nicht.
Sie bescheinigen Ihren Kunden eine gestiegene Sensibilität, was den Stromverbrauch angeht. Lassen sich Einsparungen von über CKW bezogenen Strom beziffern? Laut Ihren Kennzahlen war der Stromverbrauch in kWh im vergangenen Geschäftsjahr praktisch gleich wie im Jahr zuvor. Wird also der Effekt «Einsparungen» erst in diesem Geschäftsjahr spürbar sein?
Wir spüren diesen Winter einen Rückgang des Stromverbrauchs. Wieviel auf die Sparmassnahmen und wieviel auf die warmen Temperaturen zurückzuführen ist, lässt sich derzeit kaum seriös eruieren.
Auch wenn es keine spürbaren Auswirkungen bei der Stromversorgung gab, so schlagen Ihr VR-Präsident Christoph Brand und Sie im Vorwort zum Geschäftsbericht doch eher kritische Töne an, was die Stromversorgung in der Schweiz anbelangt. Insbesondere die langen Genehmigungsverfahren sind Ihnen ein Dorn im Auge. Was muss hierzulande besser laufen?
«Die Bewilligungsverfahren müssen deutlich beschleunigt werden.»
Die Bewilligungsverfahren müssen deutlich beschleunigt werden. Für ein kleines Wasserkraftwerk im Entlebuch benötigten wir von der Idee bis zum Spatenstich 17 Jahre. So geht es nicht, uns rennt die Zeit davon. Die Schweiz braucht dringend mehr erneuerbare Produktionskapazitäten und Reserve-Kraftwerke. Die Politik war in den vergangenen Jahren zu blauäugig und hat sich vor allem auf Importe verlassen. Das rächt sich jetzt, und noch viel schlimmer wird es, wenn bis in ein paar Jahren die Kernkraft wegfällt – sie macht immerhin knapp ein Drittel der Stromproduktion in der Schweiz aus. Nur durch günstigere regulatorische Rahmenbedingungen können wir Projekte wie alpine Freiflächen-Solaranlagen erstellen. Solche Anlagen sind ein wichtiges Element, sie produzieren die Hälfte des Stroms im Winter – dann, wenn der Strom knapp ist.
Die Politik, so schreiben Sie, müsse ein maximales Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien vorgeben. Und einen Plan B haben, falls der Ausbau nicht so zügig vorangeht, wie es erforderlich ist. Wie könnte ein solcher Plan B aussehen?
Damit die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird, benötigen wir zusätzlich Reserve-Kraftwerke ohne Technologie-Tabus, die bei Mangellagen zum Einsatz kommen. Das können zum Beispiel Gaskraftwerke sein. Langfristig werden wir wieder eine Kernkraft-Diskussion führen müssen, wenn wir die CO2-Problematik ernst nehmen wollen. Wir haben erlebt, wie eine mögliche Mangellage die Preise in die Höhe treibt und wie hart dies Gewerbebetriebe und die Industrie trifft. Für unsere Volkswirtschaft sind tragbare Strompreise und eine zuverlässige Stromversorgung überlebenswichtig.
Wie sieht der ideale Energiemix der Zukunft aus? Ist es wirklich realistisch, sich bis 2050 von allen fossilen Energieträgern zu verabschieden?
Die gute Botschaft ist: Die Technologien sind vorhanden. Doch es braucht dringend bessere Rahmenbedingungen. Was wir uns zudem wünschen, sind mehr Akzeptanz für mehr Produktion und die Bereitschaft, die Produktionssteigerung auch zuzulassen. Alle wollen sauberen Strom. Aber kaum jemand ein Windrad in seinem Sichtfeld. Der Grundpfeiler in der künftigen Stromversorgung wird wie bisher die Wasserkraft sein. Sie ergänzt sich optimal zu stochastischen Produktionsformen wie Solar- und Windenergie. An Spitzentagen genügt dies nach dem Wegfall der Schweizer Kernkraft jedoch kaum. Hierfür benötigen wir die zuvor erwähnten Reservekraftwerke. Kurz: Es muss so viel wie nur möglich in Erneuerbare Energien investiert werden. Wir brauchen einen Mix aus allen Technologien.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Schwab.
Die Aktien der CKW AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 345 CHF für eine Aktie bezahlt. Seit Jahresbeginn liegt der Titel mit 4,5% im Plus.