Credit Suisse: Kompass für anständiges Wirtschaften ist völlig verloren gegangen

Ein eklatantes Versagen der Kontroll- und Aufsichtsorgane

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Fehlende Kontrolle, zerstörtes Vertrauen: Die Credit Suisse ist am Ende. Bild: stock.adobe.com

Es ist enttäuschend. Vor 15 Jahre befanden wir uns in einer Bankenkrise. Der UBS musste der Staat unter die Arme greifen. Politik, Wirtschaft und Aufsichtsbehörden wurden nicht müde zu betonen, dass sie alles unternehmen würden, um eine neue Bankenkrise zu verhindern. Seit gestern wissen wir, dass sie versagt haben.

Es ist nun mühsam, nach den Gründen zu suchen. Denn diese sind vielfältig. Teilweise hausgemacht, teilweise durch exogene Schocks wie den Ukraine-Krieg und deren Folgen beschleunigt. Doch ein Punkt ist klar: Es ist ein eklatantes Versagen der Kontroll- und Aufsichtsorgane. Diese haben ihre Funktion unzureichend wahrgenommen.

Verwaltungsrat

Die Probleme, mit denen die Credit Suisse zu kämpfen hat und die ihr schlussendlich das Genick gebrochen haben, sind schon länger bekannt. Ein Debakel wie bei Archegos und Greensill hat die stolze Schweizer Bank geschwächt. Eine zentrale Figur im Verwaltungsrat war hier Urs Rohner, der von 2011 bis 2021 den Verwaltungsrat präsidierte. Von 2004 bis 2009 war er der Rechtschef der CS Group und Mitglied der Geschäftsleitung. Es ist unverständlich, wie Rohner als Rechtschef oder neudeutsch Group General Counsel ab 2009 in den Verwaltungsrat der Credit Suisse aufrücken konnte. Denn während seiner Zeit als Rechtschef geschäftete die CS munter in den USA mit Kunden, die ihr Vermögen in die Schweiz schaffen wollten. Meistens waren es unversteuerte Vermögen.

Einen solchen Mann zum VR-Vize und später zum Präsidenten zu machen, kann als fahrlässig bezeichnet werden. Es überrascht daher nicht, dass auch später immer wieder eklatante Fehler auftauchten, die es der CS bis heute nicht erlaubt haben, wieder in ruhiges Fahrwasser zu steuern. Auch die internen Kontrollsysteme haben offenbar nicht oder nicht ausreichend funktioniert. Gerade ein Urs Rohner, der als ehemaliger Leiter des Group Corporate Center die internen Systeme hätte kennen müssen, hat im Verwaltungsrat nicht durchgegriffen. Doch als Präsident war Rohner auch nicht allein: Insgesamt zählt der Verwaltungsrat zwölf Personen, darunter so schillernde Namen wie die Harvard Professorin Iris Bohnet. Entweder haben die anderen VR-Mitglieder zu wenig Fragen gestellt oder sie haben sich nicht durchsetzen können. In jedem Fall hat der Verwaltungsrat der Credit Suisse völlig versagt. Und dies nicht erst seit dem Abgang von Urs Rohner, sondern vor allem auch während seiner Amtszeit.

Finma

Unmittelbar nach der Finanzkrise wurde 2009 u.a. als Nachfolgerin der Eidgenössischen Bankenkommission eine neue Aufsichtsbörde ins Leben gerufen: die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma. Ihre Aufgabe ist es, «Anleger, Gläubiger und Versicherte zu schützen und darüber zu wachen, dass der Schweizer Finanzmarkt funktioniert». So jedenfalls steht es auf der Website. Eine wichtige Aufgabe, so könnte man meinen. Doch seit Sonntag wissen wir: Auch die Finma hat im Fall Credit Suisse völlig versagt. Dabei wurde der Verwaltungsapparat in den letzten zehn Jahren massiv aufgebläht. 2009 wies die Finma in ihrem Geschäftsbericht noch 328 Vollzeitstellen aus. 2021 waren es 529. Eine Zunahme von 201 Vollzeitstellen oder 58%! Doch entweder wurden hier die falschen Leute eingestellt oder sie wurden auf die falschen Projekte angesetzt.

Kleinbanken ärgerten sich beispielsweise immer wieder über die zunehmende Regulation, da sie enorme Ressourcen bindet. Doch schaute die Finma bei den grossen, systemrelevanten Banken genau hin? Oder hat auch hier die Aufsichtsbehörde zu zahm reagiert? War vielleicht die Nähe vom CS-Verwaltungsrat zur Finma-Geschäftsleitung zu gross? Jedenfalls hätte die Aufsichtsbehörde das Scheitern der zweiten international tätigen Grossbank rechtzeitig mit ihren Kontrollinstrumenten verhindern müssen. Doch genau das hat sie nicht getan: Anleger und Gläubiger, die in CS-Aktien oder Bonds investiert haben, wurde nicht geschützt. Und ein Funktionieren des Finanzmarktes konnte nur in letzter Minute sichergestellt werden, dank eines gemeinsamen Eingreifens von Bundesrat, SNB und den beteiligten Banken.

Wendet noch mehr Regulation Schaden ab?

Angesichts der Grösse des Schadens für den Finanzplatz Schweiz, der mit dem Aus der Credit Suisse angerichtet wurde, dürfte die Forderung nach noch mehr Regulation laut werden. Dies ist sicherlich im ersten Moment verständlich, denn die neue UBS stellt im Falle eines Scheiterns ein noch grösseres Risiko für den Finanzplatz Schweiz und für die gesamte Volkswirtschaft dar.

Doch der Ruf nach zusätzlicher Regulation dürfte nicht die erwünschten Verbesserungen bringen, wie die Vergangenheit schmerzlich vor Augen führt. Was wieder notwendig ist, muss in den Köpfen der Führungspersonen passieren. Mehr Anstand und Moral sind gefragt, und ein persönlicher Kompass, der sich an diesen Grundsätzen orientiert. Dieser ist bei der Credit Suisse verloren gegangen oder hat gar nie existiert. Wie drückte es kürzlich der frühere VR-Präsident eines Familienunternehmens aus: «Es muss das Ziel sein, mit anständigen Mittel etwas Sinnvolles für die Wirtschaft und Gesellschaft zu erschaffen».

Wer dieses Ziel konsequent und mit Bescheidenheit verfolgt, braucht auch nicht ständig neue Regeln und Vorschriften.

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