Der Bellevue Entrepreneur Swiss Small&Mid investiert in börsenkotierte eigentümergeführte Unternehmen in der Schweiz, welche von einem Unternehmer oder einer Unternehmerfamilie mit mindestens 20% der Stimmrechtsanteile kontrolliert und massgeblich beeinflusst werden. Das Management-Team der Bellevue Asset Management identifiziert mittels eines fundamentalen Bottom-up-Ansatzes die attraktivsten eigentümergeführten Unternehmen mit kleiner, mittlerer als auch grosser Marktkapitalisierung und konstruiert aus 40 bis 50 Titeln ein über Sektoren diversifiziertes Portfolio. Das Fondsvolumen betrug Ende per März 2023 90.7 Mio. CHF.
Frau Olsen, als wir das letzte Mal miteinander im Januar 2022 sprachen, sagten Sie, «punkto Wachstum dürfte Europa die USA überflügeln mit einem wesentlich günstigeren Inflationsbild». Das war allerdings kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. Nun haben wir hüben wie drüben eine hartnäckige Inflation, weiterhin steigende Zinsen und viel Unsicherheit am Markt. Wie haben Sie auf die veränderte Grosswetterlage mit Ihrem Fonds reagiert?
Im Nachhinein kam alles anders. Aber an der Börse wie im Leben gilt das universelle Motto «Veränderung ist die einzige Konstante». Der Ukraine-Krieg und der damit verbundene Energie-Schock wurde in Europa recht gut überwunden. Nach der jüngsten Periode ausserordentlicher Volatilität suchen sowohl die Inflation als auch die Zinsen noch nach einem stabilen Niveau auf höherem Level. Der Bellevue Entrepreneur Swiss Small&Mid Fonds konnte seit September 2022 rund 19% gewinnen und somit die Benchmark SPIEX um 1,6 % schlagen. Wir setzen wie immer auf Qualität, intakte Bilanzen und gutes Management und sind zudem recht stringent, was Bewertungen betrifft. Das hat sich in diesem Umfeld steigender Zinsen und Inflation wieder sehr bewährt.
Die deutlichste Untergewichtung Ihres Fonds im Vergleich zur Benchmark SPIEX sehen wir in den Finanzwerten. Hat sich Ihre Skepsis gegenüber den Bank- und Versicherungstiteln mit den Geschehnissen rund um die Credit Suisse noch verstärkt?
Unsere Investmentphilosophie beruht auf fundamentalem Stock Picking. Wir müssen nicht an der Benchmark kleben. Grundsätzlich mögen wir profitable Unternehmen, die stark finanziert sind und meistens einen stabilen Ankerinvestor an Bord haben. Die vierzehn Jahre andauernde Tiefzinsphase war ein sehr hartes Umfeld für die Finanzindustrie und Banken. Dazu kam die Re-regulierung nach der globalen Finanzkrise und eine generell hohe Volatilität im Management. Das macht Banken für uns überwiegend unattraktiv. Aktuell ist das Bankensystem durchaus stärker als 2008 und viel weniger eine strukturelle Gefahr. Eine zyklische Verlangsamung der Kreditvergabe ist trotzdem wahrscheinlich. Uns gefallen aus Bottom-up-Sicht Unternehmen wie Swissquote, Vontobel, VZ Holding und Companie Financière Tradition. Sie sind alle Profiteure der aktuellen nationalen Grossbankensituation.
Untergewichtet sind Sie auch in Gesundheitstiteln. Warum?
Der Sektor ist in der Schweiz und in Europa im Rückstand. Viele Unternehmen genieren zu wenig Wachstum und/oder sind zu teuer bewertet. Dazu kommt, dass steigende Zinsen generell kein gutes Umfeld für Bondproxys darstellen. Wir präferieren zu Unrecht abgestrafte, aber qualitativ einwandfreie Unternehmen wie Skan, Bachem oder etwa Medmix.
Kommen wir zu Einzeltiteln in Ihrem Portfolio. Ihre grösste Position im Fonds ist Swatch. Die Aktie hat bei einem Preis von um die 300 CHF durchaus Potenzial nach oben. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung dieser Aktie?
Mit 80% Eigenkapital ist Swatch ein Fels in der Brandung. Im aktuellen Umfeld rapide steigender Preise im Konsumbereich erwarten wir eine Zweiteilung. Immun sind Luxuswaren oder Güter des täglichen Gebrauchs. Alles, was dazwischen liegt, leidet unter der Elastizität der Nachfrage. Uhren sind wieder gefragt – sogar bei der jungen Menschen. Dazu kommt, dass Swatch in China äusserst gut positioniert ist und vom Re-opening und dem Ende der Reiserestriktionen profitiert. Der Titel ist zudem günstig und handelt mit einem erheblichen Discount zum Sektor.
Auch Lindt & Sprüngli gehört seit Jahren zu einer Ihrer Lieblingspositionen und ist entsprechend stark im Fonds abgebildet. Das Festhalten an dieser Position hat sich gelohnt. Über die letzten drei Jahre ist der Kurs über 30% geklettert. Was machen Lindt & Sprüngli richtig?
Die «Hermès der Schokolade» ist für uns ein Stabilisator im Portfolio in Zeiten negativen Betas. Eine teure Aktie, aber ein tolles Business.
Kommen wir zu zwei Positionen, die Ihnen weniger Freude machen dürften. Zunächst Zur Rose. Noch 2021 machten Sie durch «erfolgreiches Traden», wie Sie bei unserem letzten Gespräch sagten, einen Gewinn mit dieser Position. Seither ist der Kurs weiter beständig am Sinken. Halten Sie noch Aktien von Zur Rose?
Der Titel hat seit 2021 eine beeindruckende Talfahrt hinter sich. Aber alles hat seinen Preis. Bevor Zur Rose ihr Schweizer Distributionsgeschäft an Migros verkaufte, war die Bewertung übertrieben günstig. Seit Jahresanfang ist die Aktie um ca. 60% gestiegen. Es bleibt aber volatil, und man muss starke Nerven haben. Die Option, in das deutsche Online-Medikamenten-Business einzusteigen, ist durchaus attraktiv. Für uns ist es ein Nebenschauplatz und eine kleine Position im Fonds. Es zeigt aber wieder, wie wichtig gesunde Bilanzen und starke Cashflows für die unternehmerische Unabhängigkeit sind.
Auch Gurit enttäuscht weiterhin. Vor zwei Jahren lag der Kurs noch über 250 CHF, jetzt stehen wir bei einem Preis von um die 80 CHF. Man würde eigentlich in diesen Zeiten von einem Windkraft-Unternehmen erwarten, das es kursmässig durch die Decke schiesst. Sie haben ja auch noch bei einer Umfrage von schweizeraktien.net Anfang Januar 2023 das Papier als eines Ihrer Favoriten bezeichnet. Was läuft falsch bei Gurit?
Alles hat Zyklen, auch die Windindustrie. Nach der Herabsetzung der chinesischen Wind-Subventionen fing das Tal der Tränen für Gurit an. Jedoch ist das Thema «Globale Infrastruktur-Transformation» und die damit verbundenen notwendigen Investitionen in der Zwischenzeit auch in Europa auf der politischen Agenda angekommen. Das Thema spielt im Stock Picking unserer Bellevue Entrepreneur Fonds eine wesentliche Rolle. In unseren Augen ein Thema für die nächste Dekade und eng damit verbunden Thematiken wie Energieeffizienz, Elektrifizierung, Re-shoring und Digitalisierung. Davon wird Gurit irgendwann auch profitieren. Vielleicht im 2. Halbjahr 2023 oder auch erst 2024. Der Titel handelt auf einem sehr frustrierenden Level von 0.8x Umsatz.
Wenn wir gerade bei erneuerbaren Energien sind. Kommt für Sie auch ein Investment in den Solarhersteller Meyer Burger infrage?
Für diejenigen, die bereit sind, heute 74x oder 19x Umsatz 2024 zu zahlen und 10 Jahre nicht darauf schauen, ist es womöglich eine gute Investition. Die Energiewende ist ein spannendes und wichtiges Thema, was uns noch lange beschäftigen wird. Bei strukturellen Themen mit viel Potenzial und unklaren Milestones stellt sich jedoch die Frage, wie viel man bereit ist, schon heute dafür zu zahlen. Wir präferieren Burckhardt Compression oder Gurit.
Welche Titel in Ihrem Portfolio möchten Sie herausstreichen?
Zu unseren Top Convictions gehören u-blox, Burckhardt Compression, SIG und Swissquote.
Wie sehen Sie die Zukunft des Börsenjahres 2023?
Wie oft an der Börse wechselt das Sentiment zwischen hoffnungslos, aber nicht ernst – oder ernst und nicht hoffnungslos. Spass beiseite, ja, es gibt viele Unsicherheiten und Zentralbanken versuchen, 14 Jahre Tiefzinspolitik «rückabzuwickeln».
Ich würde aktuell kein unnötiges Risiko eingehen und in gut aufgestellte Unternehmen investieren, deren Bilanzen solide sind. Ich sehe keinen Meltdown, aber die Kreditvergabe wird strenger und teurer werden. Wir haben aktuell durch die Positionen des Bellevue Entrepreneur Swiss Small&Mid eine ND/Ebitda von 0.1. Fast 50 % der Unternehmen sind Net cash, was ihnen grosse Freiräume garantiert.
Manches ist immer noch recht teuer und einiges wirklich günstig. Wir konzentrieren uns auf Stock Picking in einem sehr breit diversifizierten Portfolio.
Frau Olsen, herzlichen Dank für dieses Gespräch.