Börsenkotierte Anleihen werden meistens von Grossunternehmen ausgegeben. Auch für kleine und mittlere Unternehmen kann eine solche Anleihe eine attraktive Alternative zu einem Bankkredit sein. Rolf Weilenmann, Leiter Corporate Finance bei der Helvetischen Bank, erläutert in einem Interview die Vorteile dieser Finanzierungsform. Und er zeigt am Beispiel der kineo finance, die aktuell eine Anleihe begibt, wie der Prozess abläuft.
Herr Weilenmann, die Helvetische Bank ist eine kleine Schweizer Privatbank. Sie erbringt auch Dienstleistungen im Bereich der Unternehmensfinanzierung. Was unterscheidet Ihr Finanzinstitut von Grossbanken und Kantonalbanken?
Rolf Weilenmann: Mit einem integrierten Investment Banking sind wir noch einer der ganz wenigen Player im Schweizer Kapitalmarktgeschäft. Auf der Fremdkapitalseite ist die Helvetische Bank Marktführer für kleinere Anleihen. Auf der Eigenkapitalseite bieten wir sämtliche Transaktionsarten wie z.B. Börsengänge oder Kapitalerhöhungen an, jedoch wiederum fokussiert auf kleinere Transaktionsvolumen im zweistelligen Mio.-CHF-Bereich. Zusätzlich führen wir öffentliche Übernahmeangebote durch und agieren bei privaten M&A Transaktionen als Lead Advisor.
Rund 70% der Bank sind im Besitz des Verwaltungsrats und der Mitarbeitenden
Die Bank ist nicht börsenkotiert. Wer steht hinter dem Institut?
Rund 70% der Bank sind im Besitz des Verwaltungsrats und der Mitarbeitenden, was uns auch von anderen Banken unterscheidet. Dies äussert sich in einem ausgeprägten Unternehmergeist, was von unseren Kunden äussert geschätzt wird. Als kleine, dynamische und agile Bank ist es uns möglich, schnell und individuell auf die Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen und innovative, auf die Kunden zugeschnittene Lösungen zu offerieren.
Sie richten Ihren Fokus auf KMU. Wie definieren Sie bei der Helvetischen Bank ein KMU?
Die Helvetische Bank ist auf mittelständische private Unternehmen sowie kotierte Small- and Mid-Cap-Gesellschaften ausgerichtet. Häufig sind dies Firmen mit einem Umsatz von rund 50 bis 500 Mio. CHF, wobei wir auch kleinere und grössere Kunden haben.
Sie unterstützen die Unternehmer auch bei der Finanzierung mittels Fremdkapital. Eine Spezialität sind hier die KMU-Anleihen. Können Sie das Instrument genauer beschreiben?
Dabei handelt es sich um an der Schweizer Börse kotierte Anleihen mit einer Grösse von 20 Mio. CHF, was dem Mindestvolumen für Anleihen an der Schweizer Börse entspricht, bis zu einer Grösse von 100 Mio. CHF, ab welcher die institutionellen Investoren investieren. Falls die Bond-Story stimmt, bieten wir auch Privatplatzierungen mit einem Finanzierungsvolumen von unter 20 Mio. CHF an.
Wann sollten Unternehmen KMU-Anleihen einsetzen? Sie könnten doch auch einen Bankkredit beziehen.
Jedes Finanzierungsinstrument hat Vor- und Nachteile, und häufig macht eine Kombination einer Anleihe als Sockelfinanzierung und einer atmenden Kreditfinanzierung Sinn.
Unsere Bonds werden meistens gewählt, weil sie keine Sicherheiten oder einengenden Financial Covenants enthalten, tiefe Gesamtkosten aufweisen und wir die Anleihe vor der Emission fest übernehmen. Das bedeutet, dass wir die Platzierung garantieren.
Im Gegensatz zum Kredit bietet die Anleihe als bankenunabhängiges Finanzierungsinstrument auch den Vorteil, dass diese nicht während der Laufzeit durch die Bank gekündigt werden kann, sollte sich der Risikoappetit der Bank ändern.
Wie grenzen Sie die KMU-Anleihen gegenüber Peer-to-Peer lending ab, einer Finanzierungsform, die gerade sehr stark im Kommen ist?
Bei Peer-to-Peer lending handelt es sich um Finanzierungen, bei welchen Investoren Kreditnehmern direkt Geld leihen, ohne dass eine Kreditbank dazwischengeschaltet ist.
Häufig handelt es sich dabei um relativ kleine Finanzierungsvolumen. Zudem fehlt im Vergleich zur Anleihe eine Partei, welche eine Due Diligence über den Kreditnehmer macht und mit der Festübernahme selber ins Risiko geht, wie wir jeweils bei kleineren Anleihen. Zudem verfügt der Geldgeber nicht über ein gehandeltes Investment.
Welche Vorteile bringt die Börsenkotierung einer solchen KMU-Anleihe?
Die Vorteile einer Börsenkotierung sind vielfältig. Zum einen erhält das Unternehmen durch eine Kapitalmarkttransaktion Visibilität und kann ihre Investorenbasis erweitern bzw. diversifizieren. Zum anderen ergibt sich für die Investoren ein liquideres Anlageinstrument, wodurch die jährlichen Zinszahlungen tiefer ausfallen dürften als bei einer äquivalenten, nicht kotierten Anleihe.
Wie hoch sind die Kosten, und ab welchem Volumen lohnt sich eine solche Anleihe?
Die Kosten einer kotierten Anleihe, also Coupon und Emissionsnebenkosten wie Bankgebühr, Anwalts- und SIX-Kosten, sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig und machen oft ab einem Emissionsvolumen von ca. CHF 20 Mio. Sinn. Bei kleineren Emissionsvolumen sind die All-in-Kosten, also Kosten geteilt durch das Finanzierungsvolumen, im Vergleich zu Finanzierungsalternativen allenfalls nicht kompetitiv.
Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um eine KMU-Anleihe zu emittieren?
Einerseits gibt es regulatorische Voraussetzungen der Schweizer Börse, wie z.B. bestimmte Reporting-Standards, Track-Record, Mindestvolumen und -eigenkapital. Andererseits definieren die Investoren finanzielle bzw. unternehmerische Voraussetzungen wie robuste Finanzkennzahlen, ein erfahrenes und kompetentes Management und ein solides Geschäftsmodell.
Wie läuft der Prozess ab, und wer sind die Investoren, die solche Anleihen zeichnen?
Wir teilen eine Anleiheemission in zwei Hauptphasen auf. In der Vorbereitungsphase, welche rund zwei bis drei Monate dauert, werden die Dokumente wie Prospekt, Anleihevertrag etc. erstellt und die Due Diligence durchgeführt, während in der zweiten Phase die Vermarktung und der Geldfluss stattfinden.
Die von uns begleiteten Anleihen werden nicht von klassischen institutionellen Investoren gezeichnet, sondern vorwiegend von sophistizierten Privatanlegern, sehr vermögenden Privatpersonen, Family Offices und externen Vermögensverwaltern.
Sind KMU-Anleihen nicht einem höheren Risiko ausgesetzt als diejenigen von grossen Unternehmen?
Vermutlich besteht eine negative Korrelation zwischen der Grösse eines Unternehmens und dessen Ausfallwahrscheinlichkeit. Eine reine Grössenbetrachtung wäre jedoch zu simpel. Die Investoren sollen für das Risiko und nicht die Grösse kompensiert werden. Aber ja, oft weisen solche KMU-Anleihen höhere Renditen aus, als dies bei Anleihen von grossen Unternehmen der Fall ist.
Werden Ratings für die KMU-Anleihen vergeben?
Die Helvetische Bank vergibt selber keine Ratings, und unsere Investoren fordern auch keine. Jedoch gibt es Situationen, in welchen ein Rating sinnvoll sein kann. In solchen Fällen wird eine externe Ratingagentur zur Erstellung eines Ratings beauftragt.
Nennen Sie uns Beispiele von Referenzprojekten, die Sie umgesetzt haben.
Wir durften schon zahlreiche Anleiheemissionen von privaten oder kotierten Schweizer oder deutschen Unternehmen als Lead Manager begleiten. Aktuell befinden wir uns gerade in der Vermarktung einer 20 Mio. CHF Debüt-Anleihe für kineo finance AG.
Was macht kineo als Unternehmen?
kineo finance ist ein sehr spannendes und erfolgreiches Unternehmen, welches auf die Finanzierung mittels Sale and Lease-back von im Markt bereits eingeführten Anlagegütern von wachstumsstarken Jungunternehmen mit innovativen Technologien und Produkten spezialisiert ist.
Z.B. verkauft ein Hersteller von Sensoren für Container diese an kineo, mietet die Sensoren wieder zurück und stellt diese gegen Entgelt den Bahnunternehmen zur Verfügung, welche gar nicht an den Sensoren interessiert sind, sondern nur an den Informationen über die Container, welche von den Sensoren geliefert werden.
Wie sehen die Konditionen für diese Anleihe aus?
Das Volumen der Anleihe beläuft sich auf 20 Mio. CHF mit der Möglichkeit der Erhöhung bis auf 30 Mio. CHF. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Wir sind mit einer Coupon-Spannbreite von 5¾ – 6½ im Markt. Die Anleihe wird ausschliesslich in der Schweiz öffentlich angeboten.
Die Zeichnungsfrist läuft aktuell noch bis am Freitag, 12. Mai 2023, jedoch ist eine frühzeitige Beendigung der Zeichnungsfrist möglich. Interessierte Investoren können über ihren Kundenberater ihrer Bank eine Zeichnung einlegen.
Das Interview führte Björn Zern.