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Den Namen kennt in der Schweiz fast jeder. Doch an der Börse führt die Aktie seit zwei Jahrzehnten ein Schattendasein. Seit Oktober 2022 ist zwar der Kurs kräftig angestiegen, liegt jedoch noch sehr tief unter den historischen Höchstständen. Dabei zeigt Phoenix Mecano seit dem IPO 1988 ein stetiges Wachstum – und zuletzt auch steil steigende Gewinne.
Gehäuse, Elektronikkomponenten und Antriebe für Komfortmöbel – das klingt für Investoren auf den ersten Blick nicht unbedingt sehr sexy. Schliesslich sind Zulieferer doch mehr oder weniger dem Preisdiktat ihrer Kunden unterworfen. So jedenfalls lautet die vorherrschende Einschätzung. Doch kluge Unternehmen wachsen mit dem Markt und nutzen die strukturellen Änderungen sowie die Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung in der Produktion, um in der Wertschöpfungskette weiter nach oben zu klettern.
Unternehmensevolution
Nach der Gründung 1975 hatte sich Phoenix Mecano zunächst auf Herstellung und Vertrieb technischer Gase für die Schweissindustrie konzentriert. Daraus folgte der Aufbau von Expertise beim Schweissbrenner, was in der Folge wiederum zur Herstellung von Gehäusen für die expandierende Elektronikindustrie führte. Von Anfang an war das Unternehmen an den «sweet spots» interessiert. Durch Übernahmen wurde die Stellung bei Gehäusen und Elektronikteilen schon in dieser frühen Unternehmensphase ausgebaut.
7,1% jährliches Umsatzwachstum seit dem IPO 1988
1988 ging Phoenix Mecano an die Börse. Seit diesem Zeitpunkt beträgt das Umsatzwachstum durchschnittlich 7,1% p.a. Das ist recht beachtlich über einen Zeitraum von 35 Jahren. Ziel ist ein organisches Wachstum von 4% bis 6% jährlich. Inklusive opportunistischer Akquisitionen liegt das Zielband für das jährliche Wachstum bei 6% bis 10%. Das Unternehmen ist wählerisch. Zukäufe müssen das Produktportfolio ergänzen und dazu beitragen, neue Kundenkreise und Marktsegmente zu erschliessen. Da Phoenix Mecano international operiert, geht es auch um die Gewinnung von Marktanteilen in lokalen Märkten.
Global Player
Viele der bedienten Industrien wie Mess- und Regeltechnik, Medizintechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Automotive, Elektronik, Energie sowie der Wohn- und Pflegebereich sind global verteilt und bilden oft Cluster. Daher ist Phoenix Mecano an über 60 Standorten weltweit überall dort, wo auch die Kunden sind: in den meisten europäischen Ländern von Spanien bis Schweden, in der Türkei, in Tunesien, Brasilien, Chile, USA, Indien, China, Malaysia. Jeweils über 3000 Mitarbeitende sind in Europa und Asien, 1600 in Afrika und 250 in Amerika.
OEM-Partnership
In den genannten Industrien ist der Innovationsdruck hoch. Und Sicherheit ist von elementarer Bedeutung. Die Lieferanten der Original Equipment Manufacturer (OEM) werden nicht einfach ausgetauscht, vor allem nicht, wenn sie sich als zuverlässig, anpassungsfähig und kompromisslos qualitätsorientiert erwiesen haben. Auf den Wertschöpfungsstufen, auf denen sich Phoenix Mecano bewegt, sind Lieferanten von Systemen, Komponenten und kritischen Teilen eher ein Partner, der zu Effizienzsteigerungen und reibungslosen Abläufen in der Produktion beiträgt, als ein Kostenfaktor. Und nicht jeder Konkurrent erfüllt hinsichtlich der erforderlichen Zertifizierungen die Voraussetzungen. Schon seit den 1990er Jahren setzen die OEMs verstärkt darauf, ganze Subsysteme sowie kritische Komponenten komplett von bewährten Outsourcing-Partnern zu beziehen. Die Burggräben werden für neue und alte Konkurrenten dadurch mit der Zeit tiefer und breiter.
Wertschöpfung im Blick
Gleichwohl hat Phoenix Mecano die Kapitalrendite und die Gewinnspannen stets im Blick, sucht deshalb margenstarke Geschäftsfelder und trennt sich auch von schwächer werdenden Bereichen. Die Gewinnorientierung drückt sich in der Verwendung der Kennzahl «Economic Value Added», kurz EVA, aus. Hierbei wird die Rendite des Eigenkapitals nach Kapitalkosten berechnet, respektive der «Return on Capital employed» (ROCE), der auch die Kosten des Fremdkapitals berücksichtigt.
Synchronisierung mit Mega-Trends
Vier Mega-Trends stehen im Zentrum der Geschäftspolitik. Dies sind Automatisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel und Dekarbonisierung. Die Geschäftsbereiche Enclosure Systems und Industrial Components liefern eine umfassende Produktpalette für alle bedienten Industrien. Dazu zählen u.a. Intralogistiklösungen, Messwandler sowie Gehäuse für Ladestationen, Elektromobile und Internet-of-Things-Anwendungen. Der dritte Geschäftsbereich ist DewertOkin Technology Group. Hier sind Antriebe und Steuerungen für elektrisch verstellbare Komfort- und Pflegemöbel sowie ergonomische Arbeitsplatzlösungen angesiedelt. Darüber hinaus werden Spitäler mit Software für patientennahe Services und Prozesse bedient.
Veränderte Nachfragetrends seit 2022
Die Zahlen für 2022 und auch das erste Quartal 2023 zeigen eine leicht rückläufige Umsatzentwicklung und steigende Gewinne. An der Börse zog die Aktie seit Anfang Oktober 2022 von 300 CHF um 40% auf aktuell 420 CHF an. Die Trends des Vorjahres setzten sich in den ersten Monaten 2023 fort. Während die Sparten Gehäuse und Industriekomponenten im ersten Quartal 2023 um 4% respektive 15,5% beim Umsatz zulegten, sank er bei der Sparte Antriebstechnik für Komfort- und Pflegemöbel um 13%. Zwei Einheiten wurden veräussert, sodass der Gruppenumsatz im ersten Quartal um 0,5% auf 208.9 Mio. CHF zurückging. Bereinigt um Devestitionen und Devisenänderungen lag das organische Wachstum bei 3,7%. Während der Auftragseingang konjunkturbedingt um 9%, bereinigt um 4%, fiel, erhöhte sich das EBIT um einen Fünftel auf 15.6 Mio. CHF, was einer EBIT-Marge von respektablen 7,5% entspricht. Der Quartalsgewinn stieg allerdings nur um 1,3% auf 10.5 Mio. CHF. Interessant ist der positive Ausblick auf das Gesamtjahr. Weitere Steigerungen der Kennzahlen sowie ein prozentual zweistelliger Anstieg des EBIT werden in Aussicht gestellt.
Gewinnanstieg von 29% in 2022
2022 war der Umsatz um 3% auf 792.9 Mio. CHF gesunken. Mit einem Rückgang um 21% war die Sparte Antriebe für Komfort- und Pflegemöbel dafür verantwortlich. Dagegen stiegen die Umsätze in den Sparten Gehäuse und Industriekomponenten deutlich zweistellig. Das EBIT nahm kräftig um 20% auf 53.5 Mio. CHF zu, der Jahresgewinn sogar um 28,9% auf 39 Mio. CHF. Der Hauptgrund für die partielle Schwäche liegt in den hohen Vergleichswerten bei den Komfortmöbeln nach dem ersten Jahr unter Pandemiebedingungen. Die hatten insbesondere in den USA zu einer «Home-Nesting»-Sonderkonjunktur geführt, wovon Phoenix Mecano profitierte. Der Rückgang während der vergangenen Quartale stellt nicht mehr als eine Normalisierung und eine Rückkehr zum Mittelwert dar. Der Nachfrageboom in den beiden anderen Geschäftsbereichen scheint jedoch weniger zyklischer als vielmehr struktureller Natur zu sein.
Sicherheitsrelevante Produkte
Ein wohl wesentlicher Grund ist die Fokussierung auf die Mega-Trends Digitalisierung, Automatisierung und Dekarbonisierung. Diese sind auch untrennbar miteinander verbunden. Internet-of-Things-Anwendungen tragen zu effizienten und damit ressourcenschonenden Prozessen bei. Energieeffizienz führt zu Einsparungen. Und intelligente innovative Produkte wie Schwingungsausgleicher können entscheidend dazu beitragen, die Störungen des Wohlbefindens bei Mensch und Tier durch Windturbinen zu minimieren, was zu einer höheren Akzeptanz führen kann. Und gerade die Elektromobilität benötigt sichere Gehäuse, um die Passagiere vor potenziell tödlichen Entladungen und sogar Explosionen zu schützen.
Nachhaltige Zielsetzungen
Die Dekarbonisierung ist auf der Agenda ganz nach oben gerückt und umfasst nahezu jeden Bereich von Produkten und auch deren Produktion. Die OEMs geben ihre Anforderungen an die Lieferanten weiter – und nur, wer mithalten kann, bleibt im Geschäft. Die strategische Bedeutung der Dekarbonisierung hat Phoenix Mecano erkannt und sowohl Produkte für die neu entstehenden Industrien rund um die Erneuerbaren Energien wie auch die eigene Produktion neu entwickelt. Seit 2022 wird auch ein Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, der Ziele nennt und Fortschritte dokumentiert. Der Energieverbrauch ist beispielsweise 2022 um 6% geringer ausgefallen. 21% der Energie stammt aus erneuerbaren Quellen. Tendenz steigend. Die Liegenschaften werden nun sukzessive mit PV-Anlagen bestückt. Ziel ist es, 10% des eigenen Energieverbrauchs durch selbsterzeugte Solarenergie zu decken.
Wasserstoff – Geschäft mit Zukunft
Ein gutes Beispiel für die Weitsicht des Managements bietet die Positionierung im Bereich des «grünen Wasserstoffs», der inzwischen in aller Munde ist, sich jedoch in der industriellen Praxis bestenfalls im Pilotstadium befindet. Eines ist jedoch schon heute sicher: Produktion, Lagerung, Transport und praktische Anwendungen sind eine hochexplosive Angelegenheit. Bevor eine breite Anwendung in der Wirtschaft möglich sein wird, müssen erst alle Gefahrenpunkte erkannt und adressiert werden. Phoenix Mecano ist bereits gut positioniert und liefert explosionssichere Gehäuse für die entstehende neue Industrie, darunter Gehäuse für die Prozesssteuerung und Überwachung der Wasserstoff-Elektrolyse. Ohne geschützte Steuerungen, Schaltungen und Stromanschlüsse kann es keine funktionierende Wasserstoff-Industrie geben.
Fazit
Durch die kontinuierliche Fortentwicklung des Portfolios und die Optimierung mit Blick auf wachstums- und innovationsführende Industrien ist Phoenix Mecano an der Schwelle zu einer weiteren Transformation mit vielversprechenden Perspektiven. Wachstumsimpulse kommen durch Klimawandel, Energie- und Mobilitätswende sowie Digitalisierung und Automatisierung. Das Unternehmen ist als zuverlässiger Lieferant von Subsystemen und kritischen Komponenten integraler Bestandteil des Strukturwandels geworden. Dabei sind auch die Glaubwürdigkeit und Integrität wichtige Voraussetzungen. Die werden erfüllt. Phoenix Mecano will den CO2-Ausstoss bis 2050 auf null bringen und 50% davon bis 2030 realisieren. Bei den Mitarbeitenden in Ländern ohne gewerkschaftliche Vertretung wird dennoch auf die Einhaltung der Arbeitsbedingungen nach demokratischen Massstäben geachtet, und bei Sub-Lieferanten werden Inspektionen zur Überprüfung der sozialen Kriterien durchgeführt.
Die jüngsten Nachfragetrends verweisen bereits auf das beschleunigte Wachstum durch die neuen Industrien. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn die Aktie nun aus ihrem langjährigen Koma erwacht und neu aufblüht. Trotz des beachtlichen Kursanstiegs der vergangenen sieben Monate bleibt die Aktie in der analytischen Betrachtung günstig bewertet. Das KUV beträgt nur 0.5, das KGV 8.5. Die Dividendenrendite fällt mit 4,4% ebenfalls überzeugend aus. Mit einer Eigenkapitalquote von 44,5% ist das Unternehmen gut auf Herausforderungen vorbereitet. Setzt sich die überdurchschnittliche Gewinnentwicklung fort, sollte die Aktie über weiteres Potenzial verfügen.