Die Erholung nach den Pandemiejahren kommt für die Schilthornbahn zum exakt richtigen Zeitpunkt. Denn mit dem Projekt Schilthornbahn 20XX stehen dem Unternehmen grosse Investitionen in Höhe von ca. 100 Mio. CHF bevor. Da hilft es, wenn das Geschäft wieder brummt.
Die Besucherzahlen auf dem Schilthorn-Piz Gloria hätten wieder deutlich gesteigert werden können, schreibt die Schilthornbahn in ihrem Geschäftsbericht. Die Zahlen liegen 57,8% über dem Vorjahr und nur noch knapp 5% unter dem Fünfjahresdurchschnitt. Der Verkehrsertrag habe, trotz tieferen Gästezahlen als 2019, das Pre-Covid-Niveau um knapp 4% übertroffen, was auf deutlich höhere Pro-Kopf-Erträge schliessen lasse.
Höhere Preise gerechtfertigt
«Die rekordhohen Ertragszahlen 2022 bei gleichzeitigen Gästezahlen unter Pre-Covid-Niveau haben uns bewusst gemacht, dass eine Rückkehr zum äusserst preiskompetitiven Marktverhalten keine Option darstellt», so die Schilthornbahn. Man werde mit der neuen Schilthornbahn 20XX zwar zusätzliche Bahnkapazitäten verkaufen können; den neuen Engpass würden aber die Kapazitäten in der Gastronomie darstellen, was eine generelle Anpassung des Preisniveaus im Gruppengeschäft notwendig mache und auch rechtfertige.
Insbesondere die Sommermonate haben bei der Schilthornbahn für einen regen Zuwachs gesorgt. Dabei falle auf, dass die erfolgversprechenden Gästezahlen aus der Schweiz und den europäischen Nachbarländern auf sehr hohem Niveau gehalten werden konnten, schreibt das Unternehmen. Aber auch eine grosse Steigerung von Gästen aus den USA sowie den südostasiatischen Ländern – vorab Thailand und Indonesien – hätten einen grossen Anteil beigetragen, gefolgt von Korea und dem arabischen Raum. Reisende aus China bleiben hingegen weiterhin vollständig aus. Alleine die Gäste aus den USA machen 50% der Logiernächte in Mürren aus, was auch für die Schilthornbahn von grosser Bedeutung sei.
Auf die Jahreszeiten runtergebrochen fällt auf, dass die Schere zwischen Sommer und Winter wieder etwas weiter aufgeht und so den Trend aus den Pre-Covid-Jahren fortsetzt. Was aber nicht heisst, dass die Schilthornbahn nicht alles unternehmen würde, um die Destination im Winter noch attraktiver zu machen.
Winterangebot soll noch attraktiver werden
Der mit dem Snowfarming-Projekt verbundene frühe Start in die Wintersaison Anfang November 2022 habe die Bekanntheit und die Glaubwürdigkeit des Skigebiets erhöht, vermerken die Verantwortlichen. Das Schilthorn werde mit Schneesicherheit und einer langen Skisaison in Verbindung gebracht. Dies auch dank Beschneiungsanlagen, die Planungssicherheit geben. Das Wintergeschäft solle weiter ausgebaut werden, verspricht die Schilthornbahn. Eine frühzeitige Planung und zonenplanerische Festlegung der Seilbahnkorridore sei dabei Voraussetzung für eine dereinst schnelle Umsetzung von Seilbahnprojekten im Wintersportgebiet.
Das Ende von «Käthi»
Womit wir bei der Zukunft wären und damit beim Ende von «Käthi». Am 6. März fuhr die Transportseilbahn «Käthi» – 1963 als Materialseilbahn erstellt, 1987 umgebaut – zum letzten Mal. Gleich danach wurde mit ihrem Abbruch begonnen. Auch wenn mit den Vorarbeiten zum Neubau schon Monate davor gestartet worden war, etwa mit dem Bau der Materialseilbahnen Stechelberg – Mürren und Mürren – Birg, stelle das Ende der altbewährten Transportseilbahn eine Art symbolischen Anfang des Projekts Schilthornbahn 20XX dar, so das Unternehmen.
Projekt 20XX mit grossen Herausforderungen
Für Christoph Egger, CEO der Schilthornbahn, kommt da einiges auf das Unternehmen zu. «Ich durfte schon viele Projekte in unserer wunderbaren Region umsetzen. Keines hatte aber die Grösse und Komplexität wie Schilthornbahn 20XX. Meine Erwartungen sind sehr hoch, dieses Projekt möglichst reibungslos umsetzen zu können. Für mich ist aktuell die anspruchsvollste Aufgabe, alle Stakeholder und Betroffenen mental auf die ständigen Veränderungen einzustellen und aufmerksam zu machen.»
Neben dem Bau muss der normale Betrieb der Bahn möglichst ungestört laufen. «Da ich selber im Marketing und Verkauf unserer Erlebnisse in den internationalen Märkten tätig bin, ist mir dieser Aspekt besonders wichtig. Ausländer kommen nicht jedes Jahr aufs Schilthorn: Oftmals handelt es sich um eine ‚Once-in-a-lifetime‘-Reise in die Schweizer Alpen», so Egger.
Das Projekt werde das Lauterbrunnental und das Schilthorn für die nächsten 50 Jahre prägen, fügt Johannes Stöckli, VR-Präsident der Schilthornbahn, hinzu. Das berge neue Chancen, gerade was die Nachhaltigkeit anbelange.
Zweifel beiseitegeräumt
Eigentlich war das Projekt Schilthornbahn nicht wirklich gefährdet, schon im letzten Jahr gaben Bund und Kanton eine schriftliche Zusage über eine 40%-Finanzierung des Teilabschnittes zwischen Stechelberg und Mürren, der zur öffentlichen Grundversorgung von Mürren gehört. Doch angesichts von Covid kamen schon der eine oder andere Zweifel auf, ob sich das Projekt so durchziehen lasse, wie ursprünglich geplant.
Aber mit einem sehr soliden Ergebnis aus der Geschäftstätigkeit (EBITDA) von 8.855 Mio. CHF in 2022 lassen sich die weiteren Schritte jetzt wesentlich entspannter angehen. Auffallend ist, dass der Aufwand längst nicht so stark angestiegen ist wie die Einnahmen. Der Umsatz stieg auf das Rekordhoch von 31.64 Mio. CHF. Nach Abschreibungen von 7.83 Mio. CHF bleibt unter dem Strich immerhin ein Jahresgewinn von 1.15 Mio. CHF stehen, nachdem im letzten Jahr noch ein Verlust von 0.76 Mio. CHF angefallen war.
Ausblick
Die nächsten Jahre werden von der Umsetzung des Grossprojekts Schilthornbahn 20XX geprägt sein. Parallel dazu werden aber weitere Projekte angegangen, um die Attraktivität und Betriebssicherheit von Ausflugsverkehr und Wintersport zu stärken. Einiges erhofft sich die Schilthornbahn auch vom Wintersportverbund gemeinsam mit den Jungfraubahnen, der Gondelbahn Grindelwald-Männlichen sowie der Luftseilbahn Wengen-Männlichen. Dieser Wintersport-Tarifverbund hat auf die Wintersaison 2022/2023 eine Vereinfachung in der Angebotsstruktur beschlossen und umgesetzt: Sämtliche Skipässe sind auf allen Anlagen inklusive Eisenbahn-Zubringer der Jungfrau Ski Region gültig, limitierte Angebote von Teilregionen wurden vom Markt genommen.
Fazit
Die Schilthornbahn ist wieder auf der Spur. Das Projekt 20XX wird durchgezogen. Unterstützung erhält das Unternehmen von verschiedenen Seiten. Sei es die öffentliche Hand, die Banken, aber auch die Aktionärinnen und Aktionäre, die ein weiteres Mal auf eine Dividende verzichten müssen. Dies auch, weil die Schilthornbahn Härtefallgelder bezog, die eine Ausschüttung verbieten. Das mag aber gerade zum richtigen Zeitpunkt kommen, sind doch Investitionen von 100 Mio. CHF auch für die Berner Oberländer kein Pappenstiel.
Die Investitionen schlagen sich auch in der Bilanz nieder. So ist das Fremdkapital von 24.3 Mio. CHF in 2021 auf 40.4 Mio. CHF in 2022 hochgeschnellt. Damit sinkt der EK-Anteil des Unternehmens von 44,5% auf 33,9%.
Auch wenn der Aktienkurs auf OTC-X in der Vergangenheit deutlich nachgegeben hat, liegt er noch immer deutlich über dem Buchwert von 537 CHF. Zurzeit werden für eine Aktie 1’370 CHF bezahlt.
Jetzt vormerken: Der Branchentalk Tourismus 2023 findet am 26. Oktober in Interlaken statt.