Der Hollywood-Blockbuster «The Day after Tomorrow» von Roland Emmerich aus den frühen Nullerjahren ist eine eindrückliche Klima-Dystopie: Die Erderwärmung provoziert durch die Störung der globalen Meeresströmungen eine neue Eiszeit in der nördlichen Hemisphäre. Ein Wechsel in die Realität: Am 9. Juni prognostiziert die BBC den Start des Wetterphänomens El Niño. El Niño führt dazu, dass die Passatwinde über dem Pazifik ihre Richtung ändern. Das bedeutet ungewöhnliche Trockenheit in Südostasien und starke Regenfälle im Westen Südamerikas. Zudem soll 2024 das heisseste Jahr seit Gedenken werden. Fakt ist: Der Klimawandel hat viele Facetten, und die Folgen für unsere Umwelt sind nicht mehr von der Hand zu weisen. Auch in der Schweiz.
Die im Inland verursachten Treibhausgasemissionen nahmen zwar ab, doch das Reduktionsziel für 2020 wurde knapp verfehlt. Bis 2030 will die Schweiz ihre Emissionen halbieren, bis 2050 strebt der Bundesrat Netto-Null-Treibhausgas-Emissionen an. Um die Emissionen im Einklang mit diesen Zielen zu vermindern, braucht es die Ausschöpfung aller technischen Potenziale, die Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen, die einen nachhaltigen Alltag ermöglichen.
Stimmbürger sagen Ja zum Klimagesetz
Die politischen Leitplanken auf Bundesebene haben nun endlich auch das Placet durch Volkes Stimme erhalten. Am 18. Juni ist die Entscheidung an der Wahlurne gefallen. Die Schweizer Stimmberechtigten haben die Klimavorlage mit dem etwas sperrigen Namen «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» angenommen. Gemeinhin hat man bis zu diesem Zeitpunkt von der «Gletscher-Initiative» gesprochen, obwohl das Klimagesetz ein Gegenvorschlag zum Letzteren war. Mit diesem Ja-Votum ist eine spürbare Erleichterung in die teilweise sehr verbissen geführte Klimadebatte getreten. Nun hat die Schweiz auf Bundesebene endlich ein griffiges Instrument, um die Klimaziele voranzutreiben.
Das Klimaschutzgesetz verlangt, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird in Übereinstimmung mit den Klimazielen des Bundes. Auf das radikale Verbot fossiler Energieträger der ursprünglichen Initiative wurde jedoch verzichtet. Vielmehr werden Zielgrössen gesetzt: Die grössten Klimafaktoren – der Gebäude- und der Verkehrsbereich – sollen bis 2050 netto kein CO2 mehr ausstossen und die Industrie ihre Emissionen um 90% gegenüber 1990 reduzieren. Dies soll in mehreren Etappen erfolgen: Der Gebäudepark etwa müsste bis 2030 mit der Hälfte der Emissionen auskommen. Sogenannte graue Emissionen, die bei Produktion, Transport und Bau anfallen, werden allerdings nicht berücksichtigt.
2 Mrd. CHF Förderbeitrage
Finanziell rührt das Gesetz mit der grossen Kelle an: Insgesamt 2 Mrd. CHF Förderbeiträge über zehn Jahre aus dem allgemeinen Bundeshaushalt sind vorgesehen, um fossile und ineffiziente elektrische Heizsysteme zu ersetzen. Mit einem Verpflichtungskredit im Umfang von weiteren 1.2 Mrd. CHF soll der Bund über sechs Jahre hinweg Garantien für Gebäudesanierungen gewähren und die technische Innovation fördern. Die meisten Verbote und Auflagen, die zum Scheitern der früheren Vorlage, das CO2-Gesetz, geführt hatten, sind im neuen Gesetz verschwunden. Dafür werden umso mehr Mittel zur Sicherung der Energieversorgung unter grünem Vorzeichen zugesprochen. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Sanierung des Gebäudebestandes.
Herausforderung: Grüner Gebäudepark
Für einen emissionsfreien Gebäudebestand im Jahr 2050 ist laut einer Studie der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) in den nächsten 30 Jahren ein jährliches Investitionsvolumen von 2.1 Mrd. CHF erforderlich. Für das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens wären insgesamt über 60 Mrd. CHF bis 2050 nötig. Strom soll zum zentralen Energieträger für Wärme werden, massgebliche Wärmelieferanten sind dabei elektrische Wärmepumpen und Wärmenetze.
Es gibt zwei entscheidende Massnahmen, um den Gebäudebestand energieeffizienter zu machen. Zum einen muss ein Gebäude mit erneuerbarer Energie beheizt werden, zum anderen muss die Gebäudehülle eine gute Wärmedämmung aufweisen. Sinnvollerweise werden beide meist gemeinsam in Angriff genommen. Es ist zwar möglich, eine Wärmepumpe in einem schlecht isolierten Haus zu installieren, doch muss diese folglich eine höhere Leistung aufweisen. Wird die Isolierung des Hauses zu einem späteren Zeitpunkt verbessert, wäre die Wärmepumpe überdimensioniert und könnte nicht effizient betrieben werden.
60% der älteren Immobilien werden fossil beheizt
Doch was ist der aktuelle Stand bezüglich Beheizung des Gebäudeparks? Neubauten der letzten sieben Jahre kommen heute bereits zu rund 90% ohne fossile Heizsysteme aus. Der Fokus liegt also auf den Bestandsbauten. Diese werden laut Daten des Bundesamts für Statistik zu 60% fossil beheizt. Allein in Wohnbauten sind schätzungsweise 900’000 fossile Heizungen in Betrieb. Das Klimaschutzgesetz möchte die Sanierungsquote stark anheben. Durch eine jährliche Unterstützung des Gebäudeprogramms von 200 Mio. CHF über zehn Jahre hinweg soll der Heizungsersatz gefördert und der Wärmeverbrauch durch Effizienzmassnahmen insgesamt gesenkt werden. Zusätzliche Investitionen aus der Privatwirtschaft sind aber unerlässlich für die Erreichung der Ziele.
Beispiel Wärmepumpe
Laut Energieperspektive 2050+ des Bundesamts für Umwelt sollen bis 2050 über 1.5 Mio. Wärmepumpen verbaut sein. Gefördert werden sie vom Gebäudeprogramm: Der Kanton Basel-Stadt beispielsweise spricht für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe pauschal 8’000 CHF (+250 CHF / kWth). Mit momentan 40’000 installierten Wärmepumpen pro Jahr (2022) ist der Gebäudesektor absolut betrachtet auf dem richtigen Weg, setzt jedoch teilweise an falscher Stelle an. Neu installierte Wärmepumpen ersetzen oft nicht fossile Heizsysteme, sondern solche, die bereits durch erneuerbare Energie gespiesen wurden.
Die Energieforschung der Stadt Zürich stellte fest, dass zwischen 2010 und 2018 in Gebäuden privater Eigentümer in rund neun von zehn Fällen fossile Heizsysteme erneut durch solche Anlagen ersetzt wurden. Während in den Kantonen Zürich, Glarus oder Basel-Stadt der Einbau von Ölheizungen ausser in Ausnahmefällen mittlerweile verboten ist, erlauben etwa die Kantone Bern und Aargau diese weiterhin.
Umsetzung und Ausblick für den Immobilienmarkt
Letztlich wird der Erfolg der Vorlage davon abhängen, wie viele Hausbesitzer sich für die energetische Sanierung in den nächsten Jahren entscheiden. Beim aktuellen Tempo wird es fast 100 Jahre dauern, um alle Gebäude in der Schweiz angemessen zu sanieren. In der Schweiz bewohnen mehr als ein Drittel der Hausbesitzerinnen und -besitzer ihre eigene Immobilie. Für sie gibt es vor allem zwei Beweggründe für eine Renovierung: ökologische Überzeugung oder finanzielle Opportunität (Wertsteigerung der Immobilie, geringere Ausgaben usw.). Obwohl sie manchmal durch einen Mangel an Informationen über die verfügbaren Subventionen oder die finanziellen Auswirkungen der Renovierung eingeschränkt werden, sind sie im Allgemeinen dennoch bereit, etwas für das Klima zu tun. Bei Vermietern ist das weniger der Fall. Die meisten von ihnen zögern, grosse Investitionen in Wohnraum zu tätigen, den sie nicht selbst bewohnen.
Es ist immer noch notwendig, die Vermieter davon zu überzeugen, dass eine Renovierung für sie von Vorteil sein kann. Heute teilen sich die Vermieter hauptsächlich in zwei Gruppen auf: Privatpersonen (60% der Vermietungen) und Institutionen (30%). Der Rest liegt in den Händen der öffentlichen Hand. Während die Interessen von Unternehmensvermietern, die sich von der Notwendigkeit leiten lassen, den Wert ihrer Immobilien zu erhalten, durchaus verständlich sind, sieht die Realität für private Vermieter ganz anders aus. Mit einem Durchschnittsalter von etwa 58 Jahren sehen sie wenig Grund, viel in ihr Mietobjekt zu investieren. Von daher werden ab einem bestimmten Zeitpunkt auch gesetzliche Sanktionen die Bereitschaft zur energetischen Renovation anstossen müssen. Der Kanton Genf zum Beispiel verlangt, dass alle beheizten Gebäude im Kanton ihren Wärmeverbrauchsindex (HEI) berechnen, das heisst den Energieverbrauch eines Gebäudes zur Deckung seines Heizbedarfs. Werden die Akzeptanzschwellen überschritten, die von jetzt an bis 2031 schrittweise gesenkt werden, muss der Eigentümer einen Sanierungsplan einhalten.
Co-Autor: Elias Diggelmann