Im Juni setzte sich die Aufwärtsbewegung an den wichtigsten Börsen weiter fort. Der MSCI-World-Index legte um 4,9% zu. Alle US-Indizes stiegen, der Nasdaq im ersten Halbjahr um 31,7%, was die beste Performance seit 1983 repräsentiert. Und der Nikkei-Index in Tokio verlängerte den Gipfelsturm, nur in Europa blieb die Aufwärtstendenz im Juni gedämpft. Der EuroStoxx 600 tritt auf der Stelle, der DAX gewann 0,7%, der SMI und der Nebenwerte Index SPIEXX verloren je rund 1,5%.
Für Entspannung bei den Anlegern sorgte die temporäre Lösung für die Schuldenobergrenze in den USA. Das grundlegende Problem – die ausufernde Staatsverschuldung von mittlerweile 24 Billionen USD – wird dadurch nicht gelöst. In der EU ist es im Grunde nicht anders. Pandemie-Folgekosten, Energiewende, Zuwanderung, Aufrüstung, steigender Zinsdienst und Bürokratisierung treiben die Verschuldung, trotz gutem Steueraufkommen. Diese komplexe Schuldenproblematik ist nach Ansicht mancher Ökonomen der Grund, warum die Anleihezinsen weiter steigen werden, weil ja auch die Risiken zunehmen. Zum Monatsende rentieren die richtungsweisenden 10-jährigen US-Staatsanleihen mit fast 3,9% nahe dem Renditehoch der letzten Jahre.
Zinserhöhungen, Inflation und Konjunktur
Obwohl die gemeldeten Inflationsraten die letzten zwei Monate leicht rückläufig waren, haben die Notenbanken von Australien über Schweiz und Norwegen bis Kanada die Leitzinsen erhöht, auch die EZB, nur die Fed pausierte im Juni. Die Problematik ist, dass zwar die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel gegenüber der Vorjahresperiode zurückgegangen sind, die Kerninflation aber hartnäckig auf hohem Niveau verharrt oder sogar weitersteigt. Die Notenbanken kündigen daher weitere Anhebungen an, was Konsumenten und Vertretern der Wirtschaft nicht schmeckt.
Die Zinserhöhungen entfalten inzwischen ihre dämpfende Wirkung auf die Wirtschaft. Die Erwartungen für die nun anstehenden Halbjahresberichte sind gemischt. Erste Signale aus den Unternehmen stimmen nicht unbedingt positiv. Ob Rezession, Soft Landing oder Konjunkturdelle, das wird sich im nun beginnenden zweiten Semester zeigen.
Korrektur bei Komax und Bossard
Jedenfalls nimmt die Börse mit der noch nicht abgeschlossenen Korrektur bei Komax und Bossard eine Abschwächung der industriellen Nachfrage vorweg. Oder die unverändert guten Gewinne werden in Erwartung steigender Zinsen höher abdiskontiert, was den Aktienwert in der Gegenwart vermindert. So oder so, beide Unternehmen haben bisher gut gefüllte Auftragsbücher und mit Blick auf die vorherrschenden Trends beste Perspektiven, um von Automatisierung, Optimierung der Logistik und dem Wechsel zur Elektromobilität zu profitieren. Zu den besten Nebenwerten im ersten Halbjahr zählen in der Schweiz der langjährige schweizeraktien.net-Favorit Ypsomed mit 56% Kursanstieg sowie DocMorris, vormals Zur Rose, mit 50% und VAT mit 46%. Ein Grund für die schwächere Performance in der Schweiz und ganz Europa, ist, dass die Leitaktien der Hausse erneut die Mega-Caps wie Apple, Amazon und Nvidia sind – und solche Aktien finden sich in Europa nicht. Ein anderer Grund für die Underperformance ist der andauernde Krieg am Rand des Kontinents.
Barry Callebaut nach dem CEO-Wechsel
Bei Barry Callebaut liegt der Fall anders. Die für das erste Geschäftshalbjahr zum 28. Februar 2023 gemeldeten Zahlen zeigen einen Umsatz- und Gewinnanstieg, die Perspektiven sind gut. Das Rating für Unternehmen und ausstehende Bonds wurde von Moody´s von «Stabil» auf «Positiv» angehoben. Anfang April wurde jedoch unerwartet der CEO ausgewechselt, was wohl in der Folge einige Aktionäre verunsichert hat. Letztes Jahr hatte der Salmonellenfall das Ergebnis beeinträchtigt. Der Ausblick für den Weltmarktführer in der Kakao-Verarbeitung bleibt auch unter dem neuen CEO Peter Feld unverändert gut. Er war in leitender Funktion bei GfK und WMF tätig und hat beide Unternehmen weiterentwickelt. Der ermässigte Aktienkurs scheint reif für eine Erholungsbewegung.
Favoritenliste vs. Kurzfrist-Spekulation
In Summe verloren die fünf an der SIX kotierten Aktien im Juni deutlich. Die durchschnittliche Jahresperformance reduzierte sich auf 3%, der SPIEXX liegt mit 7% erstmals dieses Jahr besser. Allerdings ist dies eine Liste mit Aktien, die akzeptabel bewertet sind und gute mittelfristige Kurschancen bei begrenztem Risiko bieten sollen, kein kurzfristiges Trading-Depot. Deshalb verbieten sich für die Liste auch viele volatile, spekulative oder illiquide Aktien. Nach dem steilen Anstieg von Komax und Bossard in den ersten beiden Monaten des Jahres war ein Hinweis erfolgt, dass Gewinnmitnahmen in solchen Situationen nicht schaden. Für das wahrscheinlich schwieriger werdende zweite Halbjahr ist die bestehende Favoritenliste bestens positioniert.
SSE Holding als Zugpferd
Im ausserbörslichen Bereich fällt die Performance klar besser aus. Während der OTC-X Liquidity Index in den ersten sechs Monaten des Jahres per saldo 0,2% zugelegt hat, beträgt die Durchschnittsperformance der vier Favoriten 5,7%. Alle vier Aktien liegen im Plus. Am besten steht SSE Holding da. Die Aktie hat 2023 bei steigenden Umsätzen 12,7% zugelegt. Im Geschäftsjahr 2022 hat der Umsatz um 21,3% zugelegt, und auch die Gewinnzahlen konnten überzeugen.
Diversifikation
Der bisherige Jahresverlauf zeigt deutlich, wie wechselhaft die Anleger auf Trends aufspringen oder auf neue Informationen reagieren. Hohe Volatilität ist gut für Trader, längerfristige Investoren orientieren sich jedoch an Erfolg versprechenden Unternehmensstrategien, der Wettbewerbsstellung und Innovationskraft. Diversifikation ist wichtig. So stabilisieren im gegebenen Umfeld die auf OTC-X gehandelten Aktien das Ergebnis. Über alle neun Aktien gerechnet liegt die Durchschnittsperformance der Favoriten bei 4,2%. Das Beispiel der SSE Holding zeigt, dass auch an der Ausserbörse Aktien von innovativen und wachstumsstarken Unternehmen zu finden sind. Für das zweite Halbjahr haben Schweizer Aktien aufgrund der bekannten defensiven Qualitäten wohl bessere Aussichten.