Das Zuger Versorgungsunternehmen WWZ produziert nur einen kleinen Teil seiner verkauften Energie selbst. Daher war und ist das Unternehmen den Schwankungen an den Strombörsen besonders stark ausgesetzt, Preiserhöhungen können nur zeitverzögert weitergegeben werden. 2022 musste das Unternehmen aus diesem Grund einen Margeneinbruch hinnehmen. Wie sich die Entspannung an den Märkten in diesem Jahr auf den Geschäftsverlauf auswirkt, welche organisatorischen Änderungen in der WWZ-Gruppe geplant sind und wie sich die Nachfrage nach Fernwärme und -kälte entwickelt, darüber sprechen wir mit Andreas Ronchetti Salomon, dem Finanzchef der Gruppe.
Vor rund einem Jahr explodierten die Energiepreise förmlich. Mittlerweile sind die Preise für Strom und Gas deutlich zurückgekommen. Wie gestaltet sich die Situation aktuell, und mit welcher Entwicklung planen Sie bis Ende des Jahres?
Die Energiepreise haben sich stark entspannt. Sie sind allerdings immer noch wesentlich höher als vor der Krise. Es sind aber nicht nur die hohen Preise, die uns herausfordern, sondern die hohe Volatilität. Die Preise können sich innert Wochenfrist um 10% verändern.
Wie haben Sie sich gegen nochmals steigende Preise abgesichert?
Wir verfolgen eine strukturierte Beschaffung. Das heisst, dass wir den Energiebedarf für die nächsten drei Jahre anteilsmässig mit Termingeschäften abdecken. Hier verfolgen wir ein Standardhedging. Für eine längere Zeitperiode wird die Absicherung schwierig. Die Dreijahresperiode hilft jedoch, Ausschläge zu glätten. Wichtig ist noch anzufügen, dass wir keinen Eigenhandel betreiben und auch nicht am Strommarkt spekulieren.
2022 hat die Bruttomarge von WWZ unter den hohen Beschaffungspreisen gelitten, da Sie die Preise nicht vollständig überwälzen konnten. Wird sich die Marge in diesem Jahr aufgrund der stark gesunkenen Preise wieder erholen?
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass wir im regulierten Geschäft die höheren Kosten zeitverzögert über die Preise an die Kunden weitergeben dürfen. 2023 haben wir die Preise bereits erhöht, eine weitere Preiserhöhung wird in der Branche für 2024 erwartet. Die Entspannung an den Beschaffungsmärkten wirkt sich generell positiv auf die Marge aus. Ende August publizieren wir unser Halbjahresergebnis. Dann werden wir Details bekannt geben.
«Die Entspannung an den Beschaffungsmärkten wirkt sich generell positiv auf die Marge aus»
WWZ ist mit einem Anteil von 76% des verkauften Stroms stark von der Preisentwicklung an den Strombörsen abhängig; nur 6% werden über eine eigene Produktion abgedeckt. Welche Pläne haben Sie, diesen Anteil zu erhöhen?
Einerseits bauen wir die Stromproduktion über Photovoltaik weiter aus. Dies tun wir direkt, indem wir eigene Anlagen installieren. Und indirekt, indem wir PV-Strom von fremden Anlagen zukaufen. Bei der Wasserkraft haben wir das Potenzial in Zug mit unserem Kraftwerk an der Lorze ausgeschöpft. Andererseits prüfen wir Opportunitäten für Beteiligungen an Schweizer Produktionsanlagen für erneuerbare Energie oder auch für langfristige Bezugsverträge.
Über Bezugsverträge beziehen Sie auch Strom aus Kernkraftwerken. Werden Sie daran festhalten?
Es ist richtig, dass wir Unterbeteiligungen an Kernkraftwerken halten. Es gibt aber keine Pläne, diese weiter auszubauen oder abzustossen.
Das Geschäftsfeld E-Mobilität ist in den letzten Jahren stark gewachsen. WWZ betreibt per Ende 2022 1’449 Ladepunkte. Wie sieht Ihr Geschäftsmodell im Bereich E-Mobilität aus, und wie gross ist der Umsatz in diesem Bereich?
Der Bereich E-Mobilität wächst sehr stark. Wir sind allerdings schon länger im Geschäft mit Ladelösungen dabei. Durch eine schweizweite Vertriebspartnerschaft mit der Otto Fischer AG sind wir auch ausserhalb unseres Versorgungsgebietes präsent. Unser Fokus liegt dabei auf Betriebs- und Abrechnungsdienstleistungen. Der Beitrag zum Umsatz ist noch marginal, aber das Geschäft wächst sehr stark. Es ist aber ein fragmentierter Markt, der sehr kompetitiv ist. Das Geschäftsfeld E-Mobilität wird daher voraussichtlich nie einen substanziellen Umsatzbeitrag zur Gruppe leisten.
Der Bereich Telekom stagnierte in den letzten Jahren; die Anzahl Kabelanschlüsse war sogar rückläufig. Wo sehen Sie Möglichkeiten, um im Telekom-Bereich wieder auf den Wachstumspfad zu gelangen?
Es gibt hier drei wichtige Bereiche: die Infrastruktur, konkurrenzfähige Produkte und Dienstleistungen sowie ein guter Kundenservice. Wobei ich den Kundenservice an erster Stelle nennen müsste, denn dieser ist am wichtigsten. Wir investieren in alle drei Bereiche. Beispielsweise bauen wir die Glasfaserinfrastruktur in Steinhausen zusammen mit der Swisscom weiter aus. Auch nehmen wir Opportunitäten wahr, um unser Versorgungsgebiet zu arrondieren.
Wäre es nicht auch eine Option, das Telekomgeschäft zu verkaufen und sich ganz auf Energiedienstleistungen zu fokussieren?
Wir glauben an die Zukunft des Telekomgeschäfts. Mit über 100’000 Kunden ist das ein attraktives Geschäftsfeld für unsere Gruppe.
Sie haben im Juni angekündigt, den Fokus auf «attraktive Kundenlösungen» zu legen und gleichzeitig Veränderungen in der Organisation bekannt gegeben. Können Sie dies näher ausführen?
Wir haben festgestellt, dass die Herausforderungen bei den Energiethemen immer komplexer werden. Die unterschiedlichen Medien – Wärme, Kälte, Strom, Gas – konvergieren immer mehr. Bisher waren diese Medien unterschiedlich organisiert, das heisst, es gab einen Vertrieb für Strom, einen für Wärme usw. Heute wollen die Kunden aber nicht nur etwas über Fernwärme oder Gas wissen, sie suchen nach einer umfassenden Energielösung. Daher gibt es künftig nur noch einen Vertrieb für die Energiethemen, der sich um sämtliche Medien kümmert.
Welche Auswirkungen werden diese Veränderungen auf den Bereich Telekom haben?
Kurzfristig wird es keine direkten Auswirkungen haben. Wir werden den Fokus aber verstärken auf Themen wie Digitalisierung, e-Shops usw. Generell kann man sagen, dass der Vertrieb der Telekom von den restlichen Medien entflochten wird. Wir glauben fest an den Telekombereich.
«Wir glauben fest an den Telekombereich»
Bisher hat WWZ über 110 Mio. CHF in den Ausbau der Fernwärme und -kälte investiert. Wie sehen die künftigen Investitionspläne in diesem Bereich aus, und ab wann werden die Investitionen rentieren?
Der Bereich Fernwärme und -kälte erfreut sich einer sehr grossen Nachfrage. Es gibt bereits neue Gemeinden, die einen Fernwärmeverbund einführen wollen. Fernwärme ist ein zentrales Element der Energiestrategie 2050. Das hat WWZ schon frühzeitig erkannt und daher auf diese Form der erneuerbaren Energien gesetzt. Es handelt sich dabei um ein langfristiges Investitionsinfrastrukturprojekt, und es wird bis zu 10 Jahre dauern, bis das Geschäft nachhaltige Gewinne abwirft. Die Kundenbasis und die Cashflows sind dafür sehr stabil.
Wie ist die Akzeptanz der Energieverbünde Circulago & Ennetsee bisher bei den Kunden?
Unsere Kunden bestätigen uns die Attraktivität des Angebots. Dass weitere Gemeinden auf uns zukommen, zeigt, dass wir damit richtig liegen. In Baar nehmen wir gerade an einer Machbarkeitsstudie für einen Fernwärmeverbund teil. Die Investitionen werden wohl hoch bleiben.
Die Bilanz ist mit einer Netto-Cashposition von rund 50 Mio. CHF und einer EK-Quote von 78% sehr stark. Werden Sie in den kommenden Jahren Ihre Ausschüttungspolitik anpassen?
Eine solide Bilanz ist uns sehr wichtig. Aufgrund der hohen Investitionen werden unsere Free Cashflows auf absehbare Zeit negativ bleiben. Dennoch verfolgen wir eine stabile Dividendenpolitik, die sich nach Möglichkeit an den Ausschüttungen der vergangenen Jahre orientiert.
Der Aktienkurs befindet sich seit Jahren im Rückwärtsgang, dies seit Beginn der Investitionsperiode und nach dem Aktiensplit. Welche Massnahmen werden Sie ergreifen, um dem Kurs wieder auf die Sprünge zu helfen?
Uns ist es wichtig, das Geschäft gut und nachhaltig zu betreiben. Wenn wir erfolgreich sind, wird der Aktienkurs dem auch folgen. Wie ich bereits gesagt hatte, handelt es sich bei unseren Investitionen um Investitionen in ein Infrastrukturgeschäft, die langfristig zu beurteilen sind.
Mit dem Aktiensplit haben wir es geschafft, den Titel leichter und damit zugänglicher zu machen. Mittlerweile haben wir über 4’700 Aktionäre, die auch teilweise unsere Kunden sind. Wir sind im Publikum breit verankert.
Das Schweizer Stimmvolk hat das Klimaschutzgesetz angenommen. Was bedeutet die Annahme für WWZ und Ihr Geschäft?
Wir haben schon lange vor der Abstimmung mit der Dekarbonisierung unseres Geschäfts begonnen. Denken Sie an unser Fernwärme und -kälteprojekt Circulago, das im Jahr 2017 gestartet wurde. Auch in der E-Mobilität sind wir schon länger aktiv. Also haben wir so gesehen richtig gelegen. Wir werden diesen Weg nun konsequent weitergehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Aktien der WWZ AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 1’095 CHF für eine Aktie bezahlt.