Schweizeraktien.net hat Anfang Juli die Portfoliomanager von sieben Fonds, die in kleine und mittlere Schweizer Unternehmen investieren, nach ihren Favoriten für das zweite Halbjahr gefragt und sie gebeten, einen generellen Ausblick zu geben.
Die meisten agieren vorsichtig, was die zweite Jahreshälfte anbelangt und gehen von erhöhter Volatilität der Märkte aus. Defensive Stossrichtung ist angesagt. Die entscheidende Frage sei, wann der Zinsgipfel erreicht sei. Auch gehen einige von einer Rezession aus. Was sich allerdings laut Ronald Wildmann, Portfoliomanager bei Serafin Asset Management, ins Gegenteil verkehren könnte: Wenn eine Rezession vermieden werden könne und sich die Zinsmärkte dem Höchststand näherten, werde sich die Hausse der Wachstumsaktien fortsetzen, so Wildmann.
«Endlich kommt der Reality-Check»
Marc Possa von der VV Vermögensverwaltung in Zug meint: «Endlich kommt der Reality-Check. Das günstige Geld versiegt, die Zinsen steigen, die Inflation dezimiert die Kaufkraft weltweit, jetzt kommt die Bewährungsprobe. Auch werden politische Veränderungen dafür sorgen, dass die zum Teil realitätsfremden Träumereien kalibriert werden.» Erst unter Druck bewährten sich die guten Gesellschaften, sowohl in operativer Hinsicht wie auch als Aktien.
Ganz ähnlich klingt es bei Adrian Lechthaler und Mario Bottinelli von Peter J. Lehner und Partner. Bei erhöhter Volatilität und angespannten Märkten würden auf Unternehmensebene in dieser Marktlage insbesondere erfolgreich positionierte und innovative Gesellschaften durch Marktanteilsgewinne profitieren, so die beiden Portfoliomanager.
Raffael Frauenfelder und Andreas Bunder von Albin Kistler machen darauf aufmerksam, dass die Börsen ihren Blick bereits auf die Zeit nach dem Zinsgipfel richten, was eine positive Kursentwicklung auch im 2. Halbjahr möglich mache. Dennoch stehen auch sie der von vielen Unternehmen erhofften Erholung im 2. Halbjahr skeptisch gegenüber.
Manuel Gygax und Stefan Fuhrer von der BEKB waren über die starke Entwicklung in der ersten Jahreshälfte überrascht. Aufgund der eingetrübten Konjunkturaussichten und den höheren Zinsen erwarten sie eine schwache Entwicklung der Aktienmärkte im 2. Halbjahr.
«Gewinne über die Runden bringen»
Defensiv auch die Ausrichtung bei Patrik Jäger, Portfoliomanager bei Independent Financial Services IFS, einer unabhängigen Schweizer Vermögensverwaltungsboutique. Sein Fokus liegt darauf, die Gewinne über die Runden zu bringen. «Sowohl in den USA als auch in Europa werden die Inflationsraten nun zunehmend durch steigende Lohnkosten getrieben, womit es angesichts der tiefen Arbeitslosenquoten fraglich ist, ob eine sanfte Landung ausreicht, um die Inflationsdynamik zu durchbrechen. Die in Europa und den USA laufenden Re-Shoring Initiativen – Stichwort «Inflation Reduction Act» und «EU Green Deal» wirken zudem weiter stimulierend. Die Notenbanken werden klar restriktiv bleiben müssen.»
Thomas Buri, der den Corner Fund verantwortet, sieht die höchste Priorität bei der Inflationsbekämpfung der Notenbanken. «Wenn man die jüngsten PMI (Purchasing Manager Index) Daten anschaut, kann eine Rezession nicht mehr ausgeschlossen werden. Hier die Balance zu finden, wird die Volatilität an den Aktienmärkten im 2. Halbjahr erhöhen.»
Dätwyler, Komax und Tecan meistgenannte Favoriten
Heruntergebrochen auf einzelne Titel favorisieren einige der PMs die Aktie von Dätwyler. «Der erhöhte Fokus auf das in den letzten Jahren stark ausgebaute Healthcare Geschäft wird sich fortlaufend positiv auf die Ergebnisse auswirken, was in einer höheren Bewertung münden wird», sagen Adrian Lechthaler und Mario Bottinelli. Auch für die PMs der BEKB gehört Dätwyler zu den Favoriten: «Dätwyler hat in den letzten Wochen deutlich korrigiert. Mitverantwortlich dafür ist die Diskussion in der EU über ein mögliches Verbot von Kaffeekapseln aus Aluminium. Die Kurskorrektur ist aus unserer Sicht übertrieben. Dätwyler ist breit aufgestellt und wird auch den Wegfall des Covid-Geschäftes meistern.»
Patrik Jäger sieht Tecan positiv, trotz den erwartet schwachen Halbjahreszahlen. «Mit Paramit, einem Lohnfertiger für Kleinserien im Medtech-Bereich, hat die Firma eine Wachstums-Plattform gekauft, welche nun um weitere Akquisitionen ergänzt werden kann. Mit der alternden Bevölkerung und dem Trend hin zur personalisierten Medizin sind die Nachfragetreiber für Diagnostik zudem immer noch voll intakt.»
Auch Komax wird genannt. So sagt Ronald Wildmann: «Die Integration von Schleuniger in Komax verläuft besser als erhofft. Wir denken, dass die Guidance für das laufende Jahr vom Management bewusst konservativ gesetzt wurde und geschlagen werden kann.»
Die defensive Sichtweise der PMs macht sich auch daran fest, dass mit Emmi, Barry Callebaut und Bell die Aktien von Unternehmen empfohlen werden, die in der Nahrungsmittelindustrie tätig sind.
Untenstehend die Empfehlungen der Portfoliomanager, abgegeben in der ersten Juli-Woche 2023.